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nächstes kerbten sie den Bugspriet an. Das Leck wiederum war das Werk des Spaniers. Gordon Brown war dabei insofern Helfershelfer, als er aus der Werkzeugkiste von Ferris Tucker den Holzbohrer entwendete. Der Versuch, das Schiff zu versenken, schlug fehl, wie ihr alle wißt. Wahrscheinlich begriff der Spanier zu diesem Zeitpunkt, daß er auf diese Weise nicht weiterkam. Die Gefahr einer Entdeckung war zu groß. Er kehrte zu seinem ursprünglichen Plan zurück. Tatsächlich passierte ja auch von diesem Zeitpunkt ab nichts mehr. Aber heute war der Tag, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich brauchte weiter nichts zu tun, als Gordon Brown und den Spanier zu beobachten. Ihr Anschlag auf den Kapitän ist mißlungen.“

      Eine fast atemlose Stille folgte. Die Blicke, die an Hasard gehangen hatten, wanderten zu dem gefesselten Mann und wurden mörderisch.

      „Ich – ich bin unschuldig!“ schrie Gordon Brown. „Der Spanier hat mich dazu gezwungen. Er wollte mich ermorden, wenn ich ihm nicht gehorchte!“

      Hasard glitt zu ihm und griff ihm von oben ins Hemd. Er zog einen Lederbeutel hervor, riß ihn vom Hals des schreienden Mannes, öffnete ihn und fischte eine goldene Münze heraus. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er sie hoch.

      „Der Judaslohn“, sagte er ruhig. „Er wurde keineswegs gezwungen, sondern bestochen.“

      „Mein Geld!“ schrie Gordon Brown. „Gib mir mein Geld, du verdammter Hund! Es gehört mir, mir, mir ...“

      Hasard warf ihm den Beutel ins Gesicht und wandte sich angewidert ab.

      „Profoß!“ sagte der Kapitän knapp und hart. „Walten Sie Ihres Amtes. Als oberster Gerichtsherr an Bord der ‚Marygold‘ erkläre ich Gordon Brown der ihm zur Last gelegten Verbrechen für schuldig und befehle, ihn zu Tode zu bringen. Er soll an der Rah hängen.“

      „Nein!“ schrie Gordon Brown. „Nein! Gnade! Ich bin unschuldig! Der Spanier hat mich verführt – ah ...“

      „Du Stinktier!“ fuhr ihn der Profoß an. „Du hundsgemeines dreckiges Stinktier! Jetzt stirb wenigstens wie ein Mann!“

      Er band den brüllenden Gordon Brown los und stieß ihn zum Mitteldeck hinunter. Kräftige Fäuste packten zu.

      Sie fierten die Großrah weg, legten dem tobenden Mann eine Schlinge um den Hals, befestigten sie an der Nock und hievten die Rah hoch.

      Das Brüllen brach abrupt ab.

      Gordon Brown hatte seine Schulden bezahlt. Eine halbe Stunde später wurde er der See übergeben.

      Wasserfässer wurden an Bord der „Marygold“ gehievt. Ferris Tucker stieg mit einigen Männern auf die „Santa Barbara“ über, beseitigte die ärgsten Schäden und begann den vorderen Mast zu reparieren.

      Hasard wollte aufs Mitteldeck hinunterspringen und wurde von Francis Drake zurückgehalten.

      „Einen Moment, Mister Killigrew“, sagte er. „Da ist noch einiges zu besprechen.“

      „Sir?“

      Die grauen Augen blickten ihn durchdringend an. „Sie hätten mir bereits vor sechs Tagen melden müssen, was Sie gehört hatten.“

      Hasard nickte.

      „Mag sein, Sir. Aber war das belauschte Gespräch ein Beweis? Zwei Aussagen hätten gegen meine Aussage gestanden – in dem einen Fall allerdings die Aussage eines ‚Taubstummen‘. Diesen Mann hielten Sie für völlig unbescholten, wie Sie sich erinnern werden. Nein, ich wollte den ganz klaren Beweis. Darum wartete ich ab.“

      „Und wenn es schiefgegangen wäre?“

      Hasard lächelte seinen Kapitän mit jenem Charme an, den manche für frech hielten.

      „Sir, diese ‚Wenns‘ existieren in meinem Wortschatz nicht.“

      „Typisch“, sagte der Kapitän. „Sie sind ein frecher Kerl, Hasard. Sind Ihre Brüder auch so frech?“

      „Nicht ganz“, erwiderte der Seewolf.

      Völlig unvermittelt sagte der Kapitän: „Mister Killigrew, Sie werden die „Santa Barbara“ nach Plymouth segeln.“

      „Aye, aye, Sir“, sagte Hasard fast automatisch, und dann erst begriff er im vollen Umfang, welchen Auftrag ihm der Kapitän erteilt hatte, und was das bedeutete. Er war nicht mehr der Mann im Vordeck, er hatte sich das Achterdeck erobert und würde ein Schiff als Kapitän führen.

      „Na?“ sagte der Kapitän und jenes versteckte Lächeln erschien in seinen Augen.

      „Danke, Sir“, sagte Hasard etwas lahm.

      „Jetzt bleibt Ihnen wohl die Spucke weg, wie?“

      „Jawohl, Sir, absolut.“

      „Endlich mal hab ich das letzte Wort“, sagte der Kapitän, und jetzt lächelten sich die beiden Männer an.

      „Haben Sie besondere Wünsche, wen Sie mit an Bord nehmen wollen, Hasard? Ich werde Ihnen fünfzehn Männer unterstellen. Reicht Ihnen das?“

      „Das reicht, Sir. Ja, wenn ich Wünsche äußern darf — ich möchte Ferris Tukker und Ben Brighton, den Bootsmann mitnehmen. Außerdem Donegal Daniel O’Flynn, Blacky, Smoky und den Kutscher.“

      Der Kapitän wiegte den Kopf.

      „Tucker und Brighton gebe ich Ihnen ungern. Aber vielleicht haben Sie recht, wenn Sie zwei erfahrene, zuverlässige Männer wünschen. Gut. Ich bin einverstanden. Suchen Sie auch die anderen Männer nach Ihrer Wahl aus. Sobald die ‚Santa Barbara‘ wieder seeklar ist, trennen wir uns. Melden Sie sich in Plymouth bei Kapitän John Thomas, der alles Weitere regeln wird. Dann sollten wir uns wohl noch eine Seekarte ansehen, damit Sie wissen, wo wir jetzt stehen. Hat Sir John Sie auch in der Navigation unterwiesen?“

      „Jawohl, Sir. Seine Ausbildung war perfekt.“

      „Erstaunlich“, murmelte der Kapitän.

      Hasard folgte ihm in die Kapitänskammer.

      Am Spätabend segelte die „Santa Barbara“ unter Führung Philip Hasard Killigrews, des Seewolfes, nordwärts. Das große Abenteuer begann ...

      ENDE

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      1.

      Sie waren harte Männer, diese sechzehn Kerle, die Anfang November des Jahres 1576 das spanische Beuteschiff, die Galeone „Santa Barbara“, nordwärts steuerten.

      Noch standen sie südlich der Azoren. Um sie herum dehnte sich die unermeßliche Weite des Atlantik, von dem sie wußten, daß er weit, weit im Westen an eine neue Welt grenzte, die Geheimnisse – und Schätze barg. Schätze für die spanische Krone, nicht für die englische, es sei denn, man schnappte sie weg, bevor sie Spanien erreichten.

      Schnapphähne zur See? Freibeuter? Korsaren? Vielleicht waren sie das. Aber was besagte das schon? Wer meinte, alle Schätze dieser Welt für sich beanspruchen zu können, der mußte sich schon gefallen lassen, daß man ihm da und dort etwas abzwackte.

      War jener Mann, der sich als Stellvertreter Christi bezeichnete und in selbstherrlicher Machtvollkommenheit über neu entdecktes Land verfügte, nicht ein viel größerer Schnapphahn? Er hieß Rodrigo Borgia, der als Papst Alexander VI. mit dem Lineal jenen unseligen Strich auf der Landkarte zog und damit kundtat, daß alles Land westlich des Striches den Spaniern und alles östlich davon gelegene den Portugiesen gehören solle. Dieser Strich verlief hundert Seemeilen westlich der Azoren vom Nordpol bis zum Südpol durch den Atlantik.

      Er war sehr gerissen, dieser Papst. Bei Strafe der Exkommunizierung verbot er allen Nichtspaniern und Nichtportugiesen, zu den neuentdeckten Inseln und Ländern zu fahren und dort gar „Handel“ zu treiben.

      Was Wunder, daß diese päpstliche Bulle die Habenichtse auf den Plan rief. Sie pfiffen auf

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