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konnten.

      Die sechzehn Männer auf der „Santa Barbara“ fuhren für den Habenichts England und für ihre königliche Lissy. Und falls ihnen jemand mit dem päpstlichen Bannstrahl gedroht hätte, wäre eins gewiß gewesen: sie hätten sich halb totgelacht. Vielleicht hätten sie auch darauf hingewiesen, daß die See frei sei, daß dort andere Gesetze gälten als im Vatikan – nämlich Gesetze, die von Wind und Wasser und Wetter diktiert wurden, von Gewalten, die mächtiger waren als papierene Erlasse.

      Mit ihnen hatten sie sich herumzuschlagen, wenn sie die Beutegaleone nach England bringen wollten.

      Vor zwei Tagen hatten sich sich von der „Marygold“ des großen Francis Drake getrennt, mit dem sie den Spanier aufgebracht hatten. Seine Order hatte gelautet: Segelt die „Santa Barbara“ nach Plymouth und übergebt sie dort Kapitän John Thomas.

      Und genau das würden sie tun, und kein Don würde sie daran hindern – oder sie waren es nicht wert, zur Mannschaft Francis Drakes zu gehören.

      Wer das verbürgte, war der schwarzhaarige, blauäugige Philip Hasard Killigrew, der Mann aus Cornwall, den sie den Seewolf nannten und der dem Teufel bereits mehr als ein Ohr abgesegelt hatte.

      Im Oktober, nach einer Sturmnacht, hatte die „Marygold“ Plymouth verlassen – da war Philip Hasard Killigrew, jüngster Sohn von Sir John Killigrew auf Arwenack, noch schlichter Decksmann an Bord der „Marygold“ gewesen. Was dieser junge Riese aber für ein Kaliber hatte, das war den Leuten auf der „Marygold“ bis hinauf zum Kapitän recht schnell klargeworden.

      Und dann hatte ihm Francis Drake die Prise „Santa Barbara“ anvertraut und ihm fünfzehn Männer unterstellt, die sich der Seewolf aus der Besatzung der „Marygold“ hatte aussuchen können.

      Einer war noch nicht ganz ein Mann, aber er hatte bereits gezeigt, daß er kämpfen konnte: Donegal Daniel O’Flynn, genannt Dan, hieß das Bürschchen, und es stammte wie der Seewolf aus Falmouth in Cornwall und war mit allen Wassern gewaschen. Dan hatte neben anderen Vorzügen die schärfsten Augen, außerdem eine anscheinend unstillbare Freßsucht und dazu eine Schnauze, die selbst die abgebrühtesten Männer zur Weißglut brachte – mit Ausnahme Hasards, der nur sanft lächelte, wenn das Bürschchen mit seinem Stimmbruch loslegte.

      Um bei Dans Freßsucht zu bleiben. Als Kombüsenchef hatte der Seewolf den Kutscher eingesetzt. Wie er richtig hieß, wußte keiner, und er sagte es auch nicht. Er war eben der „Kutscher“, denn als solcher hatte er sich vorgestellt, nachdem ihn die Preßgang der „Marygold“ an Bord geschafft hatte. Von der Seefahrt verstand er soviel wie die Kuh vom Spinettspielen, war bereits einmal von der Rah gerutscht und hatte ein Bad im Atlantik genommen. Hasard hatte ihn herausgefischt. Wie gesagt, sie alle wußten nur, daß der Kutscher bei Sir Anthony Abraham Freemont in Plymouth gewesen war, bevor ihn das Preßkommando eingesackt hatte.

      Vielleicht hatte er bei Sir Freemont in der Küche einiges abgeguckt, vom Kochen verstand er jedenfalls mehr als vom Herumturnen in den Wanten. Seekrank war er auch nicht mehr, und allmählich schien er auch zu vergessen, daß er einmal die Absicht gehabt hatte, von Bord zu „türmen“.

      Das war alles soweit in Ordnung, die See schliff sie alle zurecht – bis auf die Weichen und die Memmen, denn die wurden zerbrochen.

      Nur mit dem Bürschchen lebte der Kutscher in erbitterter Fehde, und das hing mit dessen Freßsucht zusammen.

      Empört hatte der Kutscher dem Seewolf gemeldet: „Der Bengel klaut wie ein Rabe.“

      „Was klaut er denn?“

      „Alles Freßbare.“

      Hasard hatte gelächelt. „Er wächst noch, da hat man immer besonderen Appetit.“

      Aber dann hatte er sich das Bürschchen vorgeknöpft und ihm die Leviten gelesen. Donegal Daniel O’Flynn mochte es gar nicht, daß der von ihm angehimmelte Hasard sauer war. Er schwor Besserung – bis zum nächstenmal.

      Gegen Abend des zweiten Tages schlief der Wind ein, und die Dünung wurde bleiern. Die „Santa Barbara“ lag torkelnd in der See, die Takelage knarrte, ächzte und stöhnte, die Segel an den drei Masten schlugen hin und her und sahen aus wie zerknautschte Bettlaken.

      Nicht ein Hauch von Wind, verdammt.

      Hasard stand auf dem Achterdeck, schnupperte über die See, suchte die Kimm ab, blickte zu den Segeln hoch und spürte, daß da irgend etwas im Anzug war. Noch bevor es dämmerte, ließ er sämtliche Segel bergen – bis auf das dreieckige Lateinersegel am Besanmast und die Fock am Vormast.

      Überhaupt der Vormast! Ferris Tucker, der rothaarige, riesige Schiffszimmermann, hatte ihn zwar neu gelascht und aufgeriggt, nachdem er bei dem kurzen Gefecht aufs Deck gekracht war, aber Hasard hielt ihn für den wunden Punkt der „Santa Barbara“. Und auch Ferris Tucker kaute auf dem Problem herum.

      Zusammen mit Ben Brighton, dem Bootsmann, umstanden sie ihr Sorgenkind und starrten an ihm hoch.

      Ben Brighton, untersetzt und breitschultrig, warf dem rothaarigen Riesen einen schiefen Blick zu.

      „Sieht aus wie ’ne schwangere Bohnenstange, wie?“

      „Blöder Witz“, sagte Ferris Tucker. „Hast du schon mal ’ne schwangere Bohnenstange gesehen?“

      Ben Brighton grinste. „Ja – nämlich diesen mistigen Fockmast.“

      „Fock und Vormarssegel hat er jedenfalls die letzten zwei Tage ausgehalten, du Büffel“, sagte Ferris Tucker.

      „Gut, das hat er, Ferris“, sagte Hasard, „aber jetzt frag ich mich, was passiert, wenn’s ganz dick kommt? Da braut sich nämlich was zusammen, das spür ich in allen Knochen.“

      „Ich auch“, sagte Ben Brighton.

      Ferris Tucker kratzte sich am rechten Ohr.

      „Mann, ihr macht mich vielleicht schwach. Ich hab das Ding geflickt, so gut es ging. Ob’s einen handfesten Sturm verträgt, kann ich erst sagen, wenn wir ihn überstanden haben. Ich laß mich überraschen.“

      „Ha, ha“, sagte Ben Brighton zu Hasard, „er läßt sich überraschen, dieser Gemütsmensch.“ Zu Ferris Tucker sagte er: „Und was ist, wenn der Fockmast während des Sturms baden geht, he?“

      „Feierabend“, sagte Ferris Tucker und grinste. „Wenn’s dich beruhigt, kann ich ihm ja noch ein paar Laschings verpassen. In der Segelkammer hab ich übrigens noch eine kleine Fock entdeckt. Schätze, daß die Dons sie als Sturmsegel gefahren haben. Vielleicht sollten wir die statt dieses großen Lappens hier setzen, wie?“

      „In Ordnung“, sagte Hasard. „Ben, laß die große Fock bergen und setz die kleinere Fock. Außerdem möchte ich, daß alles seefest gezurrt wird. Und dann laß achtern unter dem Kastell die dicksten Trossen, die hier an Bord zu finden sind, klarlegen.“

      Ben Brighton riß die Augen auf. Er war bestimmt zehn Jahre älter als der Seewolf und mit Salzwasser mehr als durchtränkt, aber was die dicksten Trossen achtern unter dem Kastell sollten, das kapierte er nicht. Er verbiß sich eine Frage, als er in die eisblauen Augen blickte und sagte nur: „Aye, aye.“

      Hasard sagte: „Du weißt, wozu?“

      Ben Brighton schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung.“

      „Die Trossen werden unter Deck um den Besanmast herum gelegt und durch das Koldergatt achtern im Heck ausgebracht. Wir schleppen sie hinter uns her. Es ist dies eine Möglichkeit, vor dem Sturm herzulaufen und nicht querzuschlagen. Die Trossen wirken als Bremsen, halten das Heck gegen die See und verhindern sogar, daß sich hinter uns eine zu wüste und hohe Dünung aufbaut.“

      „Mann“, sagte Ben Brighton verblüfft, „aus welcher Seekiste hast du denn diesen Trick herausgefischt?“

      Hasard grinste. „Reiner Zufall. Bei einem Sturm oben in der Irischen See rauschte meinem Alten – ich war an Bord – eine Trosse achtern aus. Wir schleppten sie hinter uns her, wollten sie zuerst einholen, was wir nicht schafften, und merkten plötzlich, daß das

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