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Männer manchmal bis zum Bauch im Wasser standen.

      „Mist verdammter“, stieß Hasard heraus. „Wo kommt das Wasser her?“

      „Wahrscheinlich von den Plankengängen oberhalb der Wasserlinie. Der Kasten krängt zu weit nach Backbord über. Das Holz oberhalb der Wasserlinie ist zu trocken.“

      Als Hasard den Befehl geben wollte, wieder abzufallen, erfolgte ein peitschenartiger Knall, der sie im Tosen der Elemente wie ein Stich durchfuhr.

      „Der verdammte Fockmast“, sagte Ferris Tucker erbittert.

      Jetzt drückte der Sturm nur noch auf das Lateinersegel am Besan, und die „Santa Barbara“ versuchte anzuluven, aber über die Backbordseite vorn hing der Vormast samt Fock und Takelage und verhinderte, daß die Galeone in den Wind schoß.

      Ferris Tucker stöhnte vor Wut, und Hasard brüllte ihn an, den ganzen „Mist“ zu kappen und außenbords gehen zu lassen. Aber dann hielt er ihn zurück. Im grellen Licht der Blitze hatte er gesehen, daß bereits der Bootsmann und drei Männer auf dem Deck des Vorkastells arbeiteten. Sie schwangen Äxte und hieben wie die Irren auf das Durcheinander der Wanten, Fallen und Spieren ein.

      „Fahr die Trossen achtern aus, Ferris!“ schrie er dem Schiffszimmermann zu. „Paß aber auf, daß sie gut um den Besanmast gelegt sind und nicht ausrauschen. Bring sie so aus, daß die Trossen im Wasser eine riesige Schlinge bilden. Hast du kapiert?“

      „Aye, aye.“ Ferris Tucker verschwand mit zwei Männern unter dem Achterkastell.

      „Blacky, Smoky, Dan!“ schrie Hasard. „Seht zu, daß ihr den Lateiner herunterkriegt! Weg mit dem Tuch! Ich muß jetzt das Heck in den Wind bringen! Rudergänger! Abfallen nach Backbord! Seht zu, daß ihr den verdammten Kahn vor den Wind legt!“

      „Aye, aye“, tönte es zurück.

      Gefährliche Sekunden und Minuten verstrichen. Die „Santa Barbara“ drehte ab und wurde von einem donnernden Brecher an der Steuerbordbreitseite erwischt. Es war ein Schlag wie mit einem riesigen Amboß. Für Sekunden stand eine schäumende Wasserwand über der Kuhl, raste quer über das Deck und fegte über das Schanzkleid auf der Backbordseite. Die Galeone krängte weit nach Lee und brauchte einen Alptraum von Zeit, um sich wieder aufzurichten.

      Ein Mann hing an seinem Sicherungstampen zappelnd über dem Schanzkleid der Backbordseite und wurde von zwei anderen mühsam an Deck gehievt.

      Das Lateinersegel mit der riesigen Gaffelrah krachte an Deck. Blacky, Smoky und Dan hatten das Fall kurz entschlossen losgeworfen und sich nicht damit aufgehalten, die Gaffel langsam wegzufieren. Sie stürzten sich auf das wildflatternde Segeltuch und bargen es.

      Alles das geschah in wenigen Augenblicken, während die „Santa Barbara“ mit schwerer Backbordschlagseite vor den Wind drehte. Der Sturm heulte und pfiff und orgelte, Regenschwaden peitschten über das Deck, Blitze zuckten durch die Dunkelheit, phosphoreszierende Gischtflächen kochten rings um das Schiff.

      Die Männer keuchten und spuckten und zitterten. Sie waren fast taub von dem Höllenlärm, und als ein Ruck durch das Schiff lief, glaubten sie, es breche auseinander.

      Aber dann merkten sie es.

      Die „Santa Barbara“ hatte ihren Sturmlauf gebremst, achteraus hingen die schweren Trossen im brodelnden Kielwasser und hielten das aufragende, breite Heck mit dem Achterkastell vor dem Wind. Fast augenblicklich wurden die Bewegungen der Galeone ruhiger und gedämpfter.

      Hasard atmete auf. Wenigstens das war geschafft. Die Trossen wirkten wie ein mächtiger Treibanker. Er spähte achteraus und sah im Lichtschein der Blitze die riesigen Wellenberge, die von Südosten drohend heranrollten, aber ihre Bedrohlichkeit verloren, sobald sie die Zone der Trossen erreichten. Sie glitten kochend und brodelnd unter dem Schiffsleib entlang, rüttelten zwar an ihm, aber ihre brutale, alles zerschlagende Wildheit war gezähmt.

      Ferris Tucker erschien auf dem Achterdeck und grinste über das ganze Gesicht.

      „Feine Sache!“ schrie er dem Seewolf zu.

      Hasard lächelte und schrie zurück: „Kümmere dich um die Pumpe, Ferris! Ich glaube, der Kasten hat sich ganz schön vollgesoffen.“

      „Aye, aye.“

      Der Sturm wütete die ganze Nacht und die Hälfte des nächsten Tages. Keiner der Männer kam zum Schlafen. Sie pumpten und beseitigten auf dem Vorschiff die Schäden, die der weggesplitterte Fockmast angerichtet hatte.

      Sie überstanden den Sturm, aber dann brach ein anderer los – am frühen Nachmittag.

      2.

      Philip Hasard Killigrew hörte den Lärm, als er gerade im Unterdeck achtern die Trossen überprüfte, die sie noch nachschleppten. Noch ein, zwei Stunden – überlegte er –, dann war das Schlimmste vorüber, und sie konnten eingeholt werden.

      Er hatte noch nicht zu Ende gedacht, als Donegal Daniel O’Flynn wie eine Rakete ins Unterdeck schoß, mit wutverzerrtem Gesicht.

      „Spanier!“ brüllte er mit überschnappender Stimme. „Sie sind aus dem Vorkastell gestürmt!“

      „Was? Spanier? Bist du noch bei Trost?“ Hasard zog das Bürschchen zu sich heran. „Du hast heute wohl deinen witzigen Tag, he?“

      Aber dann hörte er den Krach an Deck, fluchende Männerstimmen, das Trampeln von Schritten, Gerangel, spanische Laute und den dröhnenden Baß von Ferris Tucker.

      Wie der Blitz raste der Seewolf den Niedergang hoch aufs Achterdeck. Da sah er die Bescherung.

      Auf der Kuhl unter ihm wälzten sich seine Männer in die Spanier verkrallt über die Planken. Ben Brighton brach gerade in die Knie, von einer Spake am Kopf getroffen. Zwei Dons rissen den riesigen Ferris Tucker von den Füßen. Sie hingen an seinen Beinen und zerrten sie unter ihm weg. Er krachte wie ein gefällter Baum aufs Deck. Der Kutscher hieb mit einer Bratpfanne um sich, Smoky stand Fuß an Fuß im Schlagabtausch mit einem Don. Sie hämmerten sich die Fäuste in die Mägen, Messer blitzten, Blut lief über das Deck.

      Hasard sah rot und sprang vom Achterdeck hinunter mitten zwischen die Kämpfenden. Hinter sich hörte er den krähenden Kampfschrei Donegal Daniel O’Flynns, der sein „Arwenack!“ heraustrompetete und ihm folgte. Und dann schlügen seine Fäuste zu.

      Ein Spanier flog mit zerschmetterter Kinnlade wie von einem Katapult abgeschossen gegen das Kombüsenschott und prallte an Deck, ein zweiter empfing einen Hieb, der ihm fast den Kopf abriß. Er taumelte mit einknickenden Knien über die Kuhl, ruderte mit den Armen, erreichte die Backbordwanten des Großmastes und klammerte sich wie ein Ertrinkender an ihnen fest. Dabei grinste er blöd und wackelte mit dem Kopf.

      Mehr schaffte Hasard nicht.

      Der Don mit der Spake erwischte ihn von hinten und zog ihm das schwere Holz über den Schädel. Noch im Sturz riß der Seewolf zwei Spanier mit. Dann empfing ihn die Dunkelheit.

      Er sah nicht mehr, wie das Bürschchen dem Spakenmann ins Ohr biß und ihm gleichzeitig ein Büschel Haare ausriß, dann aber von einem anderen Spanier einen Belegnagel an die Schläfe kriegte und bewußtlos an dem Spakenmann herunterrutschte, dem er im Genick gesessen hatte.

      Die Spanier kämpften mit dem Mut der Angst und der Verzweiflung – Angst, weil sie in dem geheimen Raum im Vorschiff fast abgesoffen wären, als der Sturm tobte, und Verzweiflung, weil sie ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen wollten. Außerdem waren sie halb verhungert und verdurstet, und damit wurden sie gefährlich.

      Die Männer der „Santa Barbara“ waren von der Sturmnacht her übermüdet und erschöpft. Als die Spanier aus dem Vorkastell hervorgebrochen waren, hatten sie das Überraschungsmoment für sich gehabt. Auf Anhieb hatten sie gleich sechs Männer von Hasard mit Knüppeln oder Spaken besinnungslos geschlagen.

      Der Rest ging kämpfend unter.

      Ferris Tucker gelang es, noch einmal auf die Beine zu kommen, dann säbelte

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