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      „Aye, aye.“ Ferris Tucker schnaufte, und Hasard hörte, wie der Schiffszimmermann mit den Fingernägeln am Holz herumkratzte und leise mit den Knöcheln die Planken abklopfte.

      „Huuuuh!“ schrie plötzlich Gary Andrews. „Die – die Wassermänner wollen ...“

      Ersticktes Gurgeln.

      „Ich halt ihm die Schnauze zu“, sagte der Kutscher entschuldigend.

      „Dan, hilf ihm“, sagte Hasard scharf. „Gary darf jetzt keinen Krach schlagen.“

      Er hörte, wie das Bürschchen in den Quergang tappte und sich über den zappelnden Gary warf.

      Merkwürdig. Die Schandschnauze Donegal Daniel O’Flynn sagte mit ganz sanfter, ruhiger Stimme: „Wassermänner gibt’s nicht, Gary. Denk lieber an die Wasserweiber mit den kugeligen Brüsten – na, Junge? Ist das was? Still dir mal vor: so richtig prall und fest, daß du darauf Läuse knacken kannst, oder Flöhe, oder Kakerlaken ...“

      Gary Andrews brabbelte etwas Unverständliches, aber es klang keineswegs wild, eher so, als erwäge er, mit einem solchen von Dan beschriebenen Wasserweib ein bißchen herumzuturnen.

      „Du hast vielleicht ’ne schmutzige Phantasie“, sagte der Kutscher empört.

      „Gary scheint’s aber zu gefallen“, sagte das Bürschchen.

      „Mit dir nimmt das kein gutes Ende.“ Der Kutscher schien ziemlich fassungslos zu sein. „Als ich so jung war wie du, wußte ich noch nicht mal, was ’n Busen ist.“

      „Kann ich mir denken.“ Das Bürschchen triumphierte so richtig. „Du bist eben zurückgeblieben. Und blöd bist du auch noch.“

      „Du kriegst gleich eine geschmiert“, sagte der Kutscher giftig.

      Hasard mußte einschreiten. Die beiden brachten es glatt fertig, sich gegenseitig an die Gurgel zu fahren.

      „Würdet ihr beiden da wohl so freundlich sein, euren Disput auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen? Ich will, daß Ferris sich auf die Untersuchung des Decks über uns konzentrieren kann. Bei eurem Palaver ist das unmöglich. Seht zu, daß Gary ruhig bleibt.“

      Er vernahm, wie einige Männer kicherten. Die Kerle hätten wahrscheinlich zu gern weiter mit angehört, was Dan dem Kutscher noch zu bieten hatte. Und daß er was zu bieten hatte, bewies sein Vorschlag, auf einem bestimmten weiblichen Körperteil Läuse zu knacken. Der Gedanke daran erheiterte Hasard, und genauso erging es seinen Männern. Manchmal war so ein Junge mit einem Maulwerk, wie es Donegal Daniel O’Flynn hatte, Gold wert.

      Hasard gab sich keinen Illusionen hin. Es würde verdammt schwierig sein, aus dem Frachtraum auszubrechen und den Spieß wieder umzudrehen. Seine Männer waren in Ordnung. Sie klagten nicht, sondern gaben sich gelassen und vertrauten ihm. Gerade darum mußte er ihnen zeigen, daß er mit jeder Situation fertig wurde. Und er hatte die Pflicht, das Beuteschiff sicher und unbeschädigt nach Plymouth zu bringen. Das war weiß Gott keine Lustreise.

      Er lauschte. Ferris Tucker befand sich jetzt links voraus von ihm und schien den vorderen Teil des Frachtraums erreicht zu haben.

      „Ferris?“

      „Ja?“

      „Wie schaut’s aus?“

      „Scheiße“, sagte der Schiffszimmermann, „alles stabil und sauber verarbeitet.“

      Hasard biß sich auf die Lippen. Wenn sie es nicht schafften, zum Unterdeck durchzustoßen, mußten sie versuchen, die Spanier hier unten im Frachtraum zu überwältigen. Das bedeutete, kämpfen zu müssen – nackte Fäuste gegen stählerne Waffen.

      Er mußte eine List finden, ohne daß das Leben seiner Männer dabei aufs Spiel gesetzt wurde. Der Seewolf zerbrach sich den Kopf und gelangte doch immer wieder zu dem Schluß, daß ein Kampf unausweichlich war.

      „Hallo!“ sagte Ferris Tucker ziemlich erregt. „Hier ist was! Ich komm aber nicht richtig ran. Die Stelle ist direkt über dem Mittelgang – ’ne Planke, ziemlich verrottet. Ich kann mit dem Finger drin rumpulen. Alles morsch und weich. Mann, ist das ein Ding ...“

      Hasard hatte sich bereits durch den Mittelgang nach vorn getastet und stand jetzt unmittelbar unter dem Schiffszimmermann, der sich oben auf den Säcken weit nach rechts verrenkte, um das Holz zu untersuchen.

      „Du brichst dir gleich das Genick, Ferris“, sagte er. „Warte einen Moment. Wir schieben ein paar Säcke von der Steuerbordseite hierher zum Mittelgang. Packt mal mit an, Männer.“

      Sie lösten die Säcke und Ballen aus ihren Laschungen, mit denen sie festgezurrt waren, und schoben sie zum Mittelgang. Hasard stieg hoch – mit eingezogenem Kopf, um nicht an das Deck zu stoßen – und tastete sich zu Ferris Tucker vor. Der Schiffszimmermann nahm seine Linke und führte sie zu der Planke hoch.

      „Hier ist die Stelle“, sagte er befriedigt.

      Hasard bohrte seine Finger in das Holz und drückte mit der Faust dagegen. Tatsächlich, das Holz war herrlich verrottet. Mit dem Zeigefinger tastete er nach rechts und spürte die Längsfuge zur nächsten Planke. Dann fuhr er mit dem Finger nach links, bis er die andere Längsfuge spürte. Die morsche Bohle maß etwa vier Handbreit, vielleicht etwas mehr. In der verdammten Dunkelheit war das nicht so ohne weiteres festzustellen.

      Und jetzt?

      Als habe Ferris Tucker seine Gedanken erraten, sagte er: „Wir könnten uns mit den Schultern unter die Planke stemmen und sie hochdrücken. Viel hält die nicht mehr aus.“

      „Das ist richtig“, erwiderte Hasard, „nur schätze ich, daß im Unterdeck hier über uns ein paar Dons sind, die zur Zeit keine Wache gehen.“

      „Die pennen doch.“

      „Hoffentlich. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn sie recht tief schlafen. Wo liegt die Planke auf dem Decksbalken auf?“

      „Hier, weiter voraus“, erwiderte Ferris Tucker. „Meinst du, wir sollten dort zuerst hebeln?“

      „Genau.“

      „Das kann ich allein“, sagte der Schiffszimmermann und schien in die Hände zu spucken. „Sobald es sich etwas anhebt, müßtest du von hier aus dann mitdrücken. Hoffentlich kracht uns der Krempel nicht mit Getöse weg.“

      „Nicht, wenn du ganz vorsichtig und ohne zuviel Krafteinsatz drückst. Also los. Bist du klar?“

      „Bin ich – jetzt, Hasard!“

      Die Männer hielten den Atem an. Es knackte und knarrte, Holz splitterte und brach. Es waren keine allzu lauten Geräusche, aber sie hatten den Eindruck, das Schiffe breche auseinander. Natürlich täuschte das, denn jedes Schiff auf See knackte und knarrte je nach der Beanspruchung, nach Windstärke und Seegang.

      „Ah“, flüsterte Ferris Tucker.

      Dort, von wo seine Stimme ertönte, erschienen in der Dunkelheit zwei Lichtspalten, rechtwinklig verbunden mit einem dritten, kleineren Lichtspalt, der genau der Breite der Planke entsprach. Das Licht war nicht hell, keineswegs. Nur ihre Augen empfanden es so, die zu lange in die Dunkelheit gestarrt hatten.

      Und jetzt verkündeten die drei Lichtspalten, daß dieser verteufelte Seewolf und der Schiffszimmermann kräftig dabei waren, entweder ein neues Tor zur Hölle oder aber in die Freiheit aufzustoßen.

      „Halt das Scheißding fest, Ferris!“ zischte Hasard. „Noch ein Mann hier herauf, aber fix, und mit abstützen, sonst kracht uns die Planke weg.“

      Einer klomm wie eine Katze in Sekundenschnelle auf die Säcke und unterfing neben Hasard die Planke.

      „Gut so“, flüsterte Hasard. „Ferris, bitte jetzt die Planke ankanten. Drück sie aber erst noch ein bißchen höher.“

      „In Ordnung“, flüsterte Ferris Tucker zurück.

      Die Lichtspalten wurden größer und breiter. Sie sahen, wie der Schiffszimmermann

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