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auf. Eine Gestalt erschien in dem Rechteck des Schotts und trat vor.

      Geschmeidig glitt der Riese hinter den Spanier, hielt ihm mit der Linken den Mund zu und hämmerte ihm mit der Rechten einen knallharten Hieb an die Schläfe. Der Don seufzte nicht einmal, er sackte in sich zusammen, Ferris Tucker schob die Tür mit dem Fuß zu und trug den Spanier lässig unter dem linken Arm zu den vier anderen.

      „Nummer fünf“, sagte er und grinste den Seewolf an. „Der hat bestimmt jetzt schlechte Träume.“

      „Wie die anderen“, sagte Hasard. „Gut gemacht, Ferris.“

      „Aye, aye, Sir“, sagte der Riese und lächelte glücklich. Er war bestimmt zehn Jahre älter als Hasard, aber er freute sich über das Lob, als sei er zehn Jahre jünger als der Mann aus Cornwall.

      „Ben, probier mal, ob dir der Wams von dem Don paßt. Die Hosen laß ihm. Aber die rote Zipfelmütze müßte dir gut stehen. Vergeßt nicht, ihn nach Waffen zu durchsuchen. Ich sehe da schon einen Dolch in seinem Gürtel. Die Dons scheinen alle wild aufs Pieken zu sein.“

      Sie zogen dem Spanier den Wams aus, stülpten seine Taschen um, fanden ein Bündel Takelgarn und ein winziges Messer in einer Lederscheide und fesselten ihn. Dann folgte der Knebel, und der Don wurde neben seine Compadres gelegt. Sie lagen sauber ausgerichtet einer neben dem anderen auf der Backbordseite des Unterdecks. Und alle fünf schliefen sehr sehr tief.

      Ben Brighton kostümierte sich indessen. Als er sich die rote Zipfelmütze über die dunkelblonden Haare stülpte, begannen die Männer zu kollern und zu glucksen.

      Ben Brighton, ein ruhiger und ausgeglichener Mann, blickte sich wütend um.

      „Was grinst ihr denn so dämlich, ihr Affenärsche. Habt ihr noch nie ’n Don gesehen?“

      Smoky, der breite ruppige Kerl, brachte einen Kratzfuß zustande, vollführte eine weitausholende Armbewegung und sagte geziert: „Habe die Ehre, Don Brighton, Euer Gnaden sehen entzückend aus, direkt zum Anknabbern.“

      „Idiot“, sagte Ben Bringhton.

      Worauf die Männer noch mehr glucksten.

      Und der Bootsmann sah ziemlich beleidigt aus. Er blickte Hasard hilfesuchend an.

      Hasard lächelte nur und sagte: „Ben, denk daran, was Dan O’Flynn unten im Frachtraum verkündet hat: Was kümmert den Adler das Gekrächze der Krähen. Paß mal auf, wie ich aussehe, wenn ich den sechsten Don spiele. In den nächsten zehn Minuten müßte er eigentlich aufkreuzen, wenn meine Rechnung stimmt.“

      Er kreuzte auf, lärmend und mit einer ziemlichen Ladung Wut im Bauch. Kein Wunder, wer abgelöst werden soll, schachert mit jeder Minute, die ihm vom ersehnten Schlaf abgezwackt wird. Der Don verhielt sich nicht anders als alle Seeleute und Wachgänger dieser Welt. Und wer in den Stunden der Nacht Wache gegangen war, eine Wache, in der der Schlafteufel mit konstanter Bosheit das Wachsein untergraben hatte, der war doppelt erpicht auf das süße Vergessen.

      Der Don näherte sich mit der Geschwindigkeit und dem Getöse einer Rakete. Er schoß durch das Schott, ohne daß Ferris Tucker die Chance erhielt, ihn an die breite Brust zu drücken.

      Dafür landete er genau vor dem Seewolf, der breitbeinig vor ihm aufragte.

      Es war der Knebelbart!

      Hasard holte die Faust von tief unten rechts hoch.

      „Du Scheißkerl!“ sagte er und rammte dem Don einen Amboß unter das Kinn, in dem mehr als nur die Wucht von drei Fußtritten saß.

      Der Knebelbart stieg senkrecht hoch, knallte mit dem Kopf ans Oberdeck, das ihn zurückstieß, und erhielt von Hasard im Zusammensacken noch zusätzlich einen Hammer auf die Schädelplatte.

      Sang- und klanglos kippte er nach vorn aufs Gesicht und rührte sich nicht mehr.

      Hasard beugte sich über ihn, zerrte ihm das Cape von den Schultern und setzte die Zipfelmütze auf, die auch dieser Spanier getragen hatte. Das Cape schwang er sich über die Schultern.

      „Na?“ sagte er.

      „Don Killigrew“, sagte das Bürschchen, „der König von Spanien.“ Dann erschrak Donegal Daniel O’Flynn. „Du hast keinen Knebelhart, Hasard. Verdammt, wo kriegen wir einen Knebelbart her?“

      „Geht auch ohne“, sagte der Seewolf. „Ich mag sowieso keine Fusseln im Gesicht.“ Er blickte auf den Spanier hinunter. „Verschnürt ihn besonders gut, und mit dem Knebel braucht ihr auch nicht zu sparen. Dieser Don hat sich nicht wie ein Kavalier benommen. Und bitte – nicht vergessen, ihn zu durchsuchen. Ben, bist du bereit?“

      „Aye, aye, Sir.“

      „Ferris, jetzt übernimmst du hier das Kommando. Dan, du folgst uns bis zu dem Schott, das auf die Kuhl führt. Dort bleibst du stehen und paßt auf, wie bei uns die Sache läuft. Wenn etwas schiefgeht, alarmierst du Ferris, klar?“

      „Klar“, erwiderte das Bürschchen.

      Hasard blickte seine Männer an. „Wie sagte der Kapitän, wenn die ‚Marygold‘ ins Gefecht ging? Er sagte: ‚Tut eure Pflicht. Gott möge euch behüten.‘ Das gilt immer noch.“

      Der Kutscher reckte die schmale Brust heraus.

      „Wir werden unsere Pflicht tun, Sir.“

      Hasard schaute ihn fast verdutzt an. Das wuchs sich ja zu einem richtigen Theater aus, einem Heldengesang. Fast bestürzt wurde er sich bewußt, daß er dieses Theater heraufbeschworen hatte, mit den Worten Kapitän Drakes. Und die Männer hatten eherne Gesichter. Nur ihre Augen verrieten, daß sie jetzt sogar bereit waren, die Hölle mit einem Kochlöffel kurz und klein zu schlagen.

      Nur ein paar Worte, dachte Hasard, und schon sind sie bereit, dir zu folgen und sich auf etwas zu stürzen, das Tod bedeuten kann.

      Er drehte sich jäh um, ein fast wütender Mann, der plötzlich erkannt hatte, daß er Macht besaß, Macht über Männer, die ihm blindlings folgten.

      Im Umdrehen streifte sein Blick das Gesicht Donegal Daniel O’Flynns, der ihn hingerissen anstarrte.

      „Daß du dich unterstehst, uns aufs Achterdeck zu folgen“, fuhr er ihn an, „du – du Läuseknacker!“

      „Aye, aye, Sir.“

      Warum sagten diese Idioten plötzlich alle „Sir“?

      5.

      Der Wechsel zwischen Nacht und Morgen kündigte sich an, aber noch war die Kimm unsichtbar, versteckt in der Dunkelheit. Das Deck glitzerte feucht, ein kühler Wind wehte beständig, ohne Böen, von Südsüdwest heran und trieb die „Santa Barbara“ stetig in nordöstliche Richtung.

      Die beiden Männer atmeten tief durch und füllten ihre Lungen mit der frischen, salzigen Luft. Ein paar Nebelschwaden schwebten verloren leewärts.

      Die Blicke der beiden Männer glitten zum Achterdeck. Drei Männer standen dort, undeutlich erkennbar. Eine Stimme, laut und scharf, fast gereizt, sagte etwas.

      „Der Capitan“, flüsterte Ben Grighton. „Er will wissen, wo die neue Wache bleibt.“

      Hasard zeigte seine Zähne und sagte ebenso leise: „Die kommt jetzt. Los, Ben, fang an zu palavern.“

      Er setzte sich in Marsch quer über die Kuhl. Der Bootsmann folgte ihm und schnatterte auf spanisch weiß Gott was. Es klang durchaus musikalisch und schien den Capitan auf dem Achterdeck zu beruhigen. Jedenfalls drehte er sich um, die Hände auf dem Rücken, und marschierte zur Backbordseite. Typisch, dachte Hasard, alle Kapitäne wandern auf ihren Achterdecks von Steuerbord nach Backbord und wieder zurück, haben die Hände auf dem Rücken, kontrollieren unablässig den Stand der Segel, den Kurs, die See und scheinen mit tausend Gedanken beschäftigt.

      Ob der Capitan allerdings bei seinen tausend Gedanken auch daran dachte, wie schnell ihm das Kommando über die „Santa Barbara“ wieder abgenommen

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