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Seewölfe Paket 14. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe Paket 14
Год выпуска 0
isbn 9783954397723
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Die Seewölfe aber und mit ihnen alle englischen Seefahrer, ja, selbst die Spanier und Portugiesen hielten Uluch Ali für tot, und in den europäischen Hafenstädten des Mittelmeergebietes kursierte allenfalls die Legende, daß der Kerl immer noch irgendwo in Nordafrika säße und böse Pläne aushecke. Dies aber wurde vom Großteil der Seeleute selbstverständlich für dickstes Seemannsgarn gehalten.
Aus diesem Grund war Old O’Flynn auch völlig verblüfft, als er Uluch Ali plötzlich vor sich sah – und seine Überraschung wiederum wurde ihm zum Verhängnis.
Gerade hatte der Alte den Palast erreicht, war stehengeblieben und ließ seinen Blick über die weiße Fassade, die Zwiebeltürmchen und die Balkone wandern, da öffnete sich auch schon das Tor, und es erschienen acht bewaffnete Araber, von denen vier eine Sänfte trugen und die vier anderen die Aufgabe hatten, den Insassen dieser Sänfte nach bestem Vermögen zu beschützen. Wenn nicht, würden alsbald ihre Köpfe über die Pflaster von Benghasi rollen, ein Anblick, der lustig und schaurig zugleich war.
Der große Beylerbey hatte jetzt, da Muley Salah mit den drei Feluken ausgelaufen war, beschlossen, einen Abstecher zum Basar zu unternehmen. Dieser Ausflug sollte ihn von seiner schwelenden Wut auf die Engländer ablenken. Außerdem hegte er schon seit einiger Zeit den Wunsch, mal wieder eines jener hübschen kleinen Berbermädchen zu erstehen, die dort als Sklavinnen feilgeboten wurden.
Die Sänfte wurde von den Dienern genau an Old Donegal Daniel O’Flynn vorbeigetragen, und wie das Verhängnis es wollte, steckte Uluch Ali auch ausgerechnet in diesem Moment seinen knochigen Kopf mit der großen Nase zum Fenster heraus. Sofort erblickte er den alten Mann mit dem verwitterten Gesicht und dem Holzbein, und auch Old O’Flynn musterte ihn entgeistert.
So erkannte der eine den anderen wieder, und beiden Männern sackte sogleich der Unterkiefer herunter.
„Heiliger Patrick“, sagte Old O’Flynn irritiert. „Das ist ja Uluch Ali, der alte Oberschnapphahn und Galgenstrick.“
„Einer der Engländer!“ stieß Uluch Ali keuchend hervor. „Ein räudiger Bastard, der es wagt, in mein Reich einzudringen! Packt ihn!“
Die Wachen glaubten, nicht richtig gehört zu haben. Was sollte denn dieser arme Teufel mit dem Holzbein und den Krücken schon angerichtet haben? Sollte man ihm nicht lieber ein Almosen geben, statt ihn festzunehmen?
Aber da brüllte Uluch Ali auch schon, daß es bis zum Markt hin zu vernehmen war: „Ergreift diesen Christenhund, oder ich lasse euch eure Köpfe abhacken, noch bevor die Sonne im Meer versinkt!“
Das wirkte. Die Wächter, auf ihr Leben und ihre Gesundheit bedacht, sprangen auf Old O’Flynn zu und packten ihn, ehe er sich richtig zur Wehr setzen konnte. Er war ja auch viel zu betroffen über das plötzliche Auftauchen des alten Feindes, und genau das besiegelte sein Schicksal.
Sie zerrten ihn fort und traten ihm in die Seite, als er jetzt doch versuchte, sich loszureißen. Sie nahmen ihm seine Krücken weg und entledigten ihn seiner Waffen, und als er einem seiner Bezwinger den Ellenbogen in den Leib rammte, fielen die anderen über ihn her und schlugen ihn nieder.
Uluch Ali war aufgestanden und lehnte sich weit aus dem Fenster seiner Sänfte, so weit, daß es schon aussah, als müsse er jeden Moment auf die Straße fallen.
„Genug!“ schrie er. „Tötet ihn nicht. Ich will ihn lebend, verstanden?“
„Ja, o Herr“, brummten die Wächter, dann schleppten sie Old O’Flynn durch das Tor in den Palast. Uluch Ali gab seinen Trägern ein Handzeichen, und so kehrten sie um und beförderten ihn zurück in sein Allerheiligstes, wo er sich eingehend mit seinem Fang beschäftigen würde. Vergessen waren die niedlichen Berbermädchen, Uluch Ali dachte nur noch an Philip Hasard Killigrew und dessen Bande von Ungläubigen, denen er jetzt endlich, nach so vielen Jahren, wieder ans Leder konnte.
Sam zeigte dem Kerl mit dem Schnauzbart und dem Glatzkopf sein Messer von allen Seiten, doch auch das schien sie keineswegs zu beeindrucken. Vielmehr griffen sie ebenfalls an die Gürtel und förderten zwei blitzende Dolche zutage.
„So, so“, sagte Sam, und plötzlich grinste er hart. „Na, dann weiß ich ja wenigstens, von wo der Wind weht.“
Das häßliche Mädchen sagte etwas, das wie ein Fluch klang, dann versuchte sie, sich von hinten an ihn heranzupirschen und ihn zu packen. Hier täuschte sie sich aber gründlich in Sam Roskill, denn der war auf der Hut und schien auch in seinem Hinterkopf Augen zu haben. Plötzlich fuhr er zu ihr herum, stieß sie von sich fort und wandte sich wieder ihren Beschützern zu.
Sie stürzte und begann zu jammern, und das wirkte auf den Schnauzbärtigen und den Glatzkopf wie ein auslösendes Signal. Gemeinsam stürzten sie sich auf Sam und hackten mit ihren Messern auf ihn ein. Es wäre sein Untergang gewesen, wenn er nicht sehr schnell reagiert hätte.
Er ließ sich zu Boden sinken und rollte sich ab, brachte einem seiner Gegner rasch noch eine Wunde am Bein bei und sprang wieder auf. Sie prallten mit den Schultern gegeneinander, und der eine, vom Messer getroffene Kerl stieß einen Wehlaut aus. Es war der Glatzkopf.
Sam warf sich auf den Schnauzbärtigen und rammte ihm das Heft des Messers gegen das Kinn. Er hätte ihn niederstechen können, doch so wild war er noch nicht.
Der Kerl ging in die Knie, wollte aber noch nicht ohnmächtig werden. Sam schlug deshalb noch einmal zu, und dieses Mal brach der Gegner wirklich zusammen. Rasch fuhr Sam wieder zu dem Glatzkopf herum, der sich gerade anschickte, den Dolch nach ihm zu schleudern.
Sam duckte sich, der Dolch flog über seinen Rücken und bohrte sich in die schmutzige Wand des Hinterzimmers. Sam stürzte sich auf den Kerl, unterlief dessen zupackende Hände und knallte ihm die Faust so hart unters Kinn, daß auch er vorläufig außer Gefecht gesetzt war.
Das häßliche Mädchen hatte sich wieder erhoben und griff nach einem Gegenstand, der wie ein Krug oder eine Vase aussah. Sam lachte, sprang mit einem Satz zur Tür und verschwand in dem Moment, in dem sie das Ding nach ihm schleuderte. Es zersprang klirrend am Türpfosten, dann sank die schaurige Lady in die Knie und schlug die Hände vors Gesicht. Sam hörte ihr Schluchzen noch, als er die Toreinfahrt schon erreicht hatte.
Irgendwie konnte er sie verstehen, aber Mitleid hatte er trotzdem nicht mit ihr. Schließlich mußte sich jeder Mensch mit seinem Los abfinden, und es war einfach keine Art, Männer auf diese Weise hereinzulegen und ihnen dann auch noch mit Messern zu drohen.
Sam war vorerst von seinem Verlangen nach Frauen kuriert. Er kehrte zum Basar zurück und hielt nach Old O’Flynn Ausschau. Doch der zeigte sich nicht und war auch durch Rufen nicht herbeizulocken. War er etwa zur Sambuke zurückgegangen, um Ben zu benachrichtigen? Sicherlich bereitete auch er sich Sorgen, was aus ihm, Sam, geworden war.
Sam wollte schon seine Schritte in Richtung Hafen lenken, da bemerkte er, daß ihm ein etwa zwölf Jahre alter Junge folgte. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? War das noch eine Falle? Hatte die Häßliche den Bengel hinter ihm hergeschickt?
Sich darüber Gewißheit zu verschaffen, war kein Problem. Sam bog in eine Seitengasse ab, versteckte sich in einem Hauseingang – und kurze Zeit darauf schnappte er sich den kleinen Kerl, der ihn aus weit aufgerissenen Augen anblickte.
Richtige Angst schien der Junge aber doch nicht zu haben, das ließ sich aus seinem ganzen Verhalten schließen.
„Was willst du von mir?“ fragte Sam, zuerst auf englisch, dann auf spanisch. Er wollte es schon mit ein paar arabischen Brocken versuchen, da hellte sich die Miene des Jungen plötzlich auf, und er antwortete:
„Nichts Böses, Senor – Hassan nur helfen will.“
Spanisch war das, kein besonders gutes zwar, aber immerhin doch zu verstehen.
„Helfen? Warum denn?“ fragte er ihn.
„Hassan ist guter Junge, Senor.“
„Ja, in Ordnung, das glaube ich dir ja. Sag mal, wo hast du denn Spanisch gelernt?“
„In