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Norden nach Süden verlaufende Westküste von Barka auf.“

      Dagegen wurden keine Einwände erhoben, denn die Männer sahen natürlich ein, daß Ben recht hatte. Das Risiko, dem Sturm zu trotzen, war größer als die Gefahr, sich erneut in die Nähe der nordafrikanischen Küste zu begeben, denn tatsächlich war die leichte Sambuke im Verhältnis zu einer Galeone ausgesprochen „sturmempfindlich“. Aber dafür war sie ja auch schneller, wie sich seit ihrem Aufbruch aus Alexandria erwiesen hatte.

      Ein Platz, der ihnen die erforderliche Sicherheit bot, wurde jetzt dringend notwendig, denn der Wind nahm zu, und die schwarze Wand aus Osten rückte drohend näher. So zerschnitt der Bug der Sambuke mit rauschender Welle die See, und die Männer holten aus ihr heraus, was sie zu leisten imstande war. Wie zum Bersten prall spannten sich die Lateinersegel, der Wind fauchte hinein und stieß das kleine Schiff vor sich her, als wolle er sich seiner so schnell wie möglich entledigen.

      Mit geradezu unglaublichem Tempo lief die Sambuke südwärts in die riesige Bucht der Großen Syrte. Pete Ballie, als Rudergänger bewährt wie immer, hatte die Pinne übernommen und steuerte den Zweimaster immer dichter auf die Küste zu.

      Die ersten Böen fielen ein und legten die Sambuke nach Lee, in diesem Fall zur Steuerbordseite. Eine Gigantenfaust schien plötzlich auf das Fahrzeug einzuschlagen, es erbebte bis in seine letzten Verbände.

      „Verdammt!“ schrie Ben Brighton im Heulen des Windes. „Geh so dicht unter Land wie möglich, Pete!“

      „Aye, Sir! Ich tue, was ich kann!“

      Pete drückte die lange Pinne noch weiter herum, und seine Kameraden braßten die Segel noch ein Stück mehr an. Mit einem jähen Schub segelte die Sambuke auf das nun sichtbare Land zu, das jetzt bei den heranfauchenden Drückern aus Osten zur Leeküste wurde.

      Ben ließ weiter anluven und kreuzte auf die Küste zu, während der Sturm wie im Galopp auf sie zuraste und sie zu überrollen trachtete. Bob Grey, der sich ganz vorn am Bug befand, riß jedoch plötzlich einen Arm hoch und schrie: „Segler Backbord voraus! Er kreuzt ganz dicht unter Land!“

      Ben arbeitete sich in dem Gischt, der von den Kronen der heranrollenden Wogen über Deck sprühte, bis zu Bob vor, dann hielt er Ausschau nach dem fremden Schiff.

      „Das ist eine Dhau!“ rief er dann.

      „Hölle, will die uns etwa angreifen?“ schrie Bob erbost.

      „Nicht bei diesem Wetter! Siehst du nicht, daß sie in den nächsten Hafen verholen will?“

      „Ich sehe keinen Hafen, zum Teufel!“

      „Dann warte mal ab!“ schrie Ben ihm zu. „Wir müssen nämlich gleich Benghasi sichten!“

      Tatsächlich brauchten sie jetzt nur noch zwei Kreuzschläge zu fahren, dann breitete sich die Ansicht der Hafenstadt Benghasi vor ihnen aus, undeutlich zwar in der zunehmenden Dunkelheit und dem Dunst der Wogen, aber doch gut genug erkennbar als das ersehnte Ziel, das ihnen die Rettung vor dem herantobenden Wetter verhieß.

      Schutzsuchend segelte vor ihnen nicht nur die Dhau auf den Hafen zu, es gab noch drei, vier andere kleine Schiffe, die den Wettlauf mit dem Verhängnis aufgenommen hatten.

      Ben Brighton und seine Männer schlossen sich diesen Fahrzeugen an. Wenig später – buchstäblich im letzten Moment – erreichten sie den geschützten Hafen, bevor der Sturm mit voller Stärke losbrach.

      Es war Spätnachmittag, doch es schien bereits Nacht zu sein. Tintenschwarz spannte sich der Himmel über Benghasi, das Jaulen und Heulen des Windes schwoll immer mehr an.

      An einer kaum belegten Pier vertäuten die Seewölfe ihre Sambuke. Hier leisteten ihnen lediglich ein paar Frachtsegler Gesellschaft, zwei davon gehörten zu den Schiffen, die kurz vor ihnen Schutz vor dem Sturm gesucht hatten.

      An anderen Piers sahen Ben, Old O’Flynn, Pete, Al, Smoky, Sam, Bob und Will nun auch Feluken, ein paar kleinere Karavellen, Galeassen und sogar eine Galeone mit drei Masten. Nirgends aber waren menschliche Gestalten zu erblicken, alles hatte sich bereits vor dem Sturm verkrochen.

      „Gut so“, sagte Old O’Flynn, als Ben ihn darauf hinwies. „Dann kümmert sich wenigstens keiner um uns. Unsere Ankunft scheint überhaupt nicht bemerkt worden zu sein.“

      „Sollen wir an Land gehen?“ fragte Will Thorne.

      Ben schüttelte den Kopf. „Nein. Wir verziehen uns unter das Achterdeck, da kann uns keiner behelligen, nicht der Sturm und auch nicht die Muselmanen, die sich unseren Kahn vielleicht mal ein wenig genauer anschauen wollen.“

      Sie grinsten sich verwegen an. Dann, als die ersten Regenböen über den Hafen und die Stadt peitschten, suchten sie eilends ihren Unterschlupf auf und richteten es sich hier so gemütlich wie möglich ein. Ben entkorkte eine kleine Flasche Rum, die noch aus den alten Beständen der „Isabella VIII.“ stammte, ließ sie kreisen und lächelte seinen Männern aufmunternd zu.

      „Ich glaube, so läßt es sich aushalten“, sagte er.

      Seine Worte gingen aber schon in dem Getöse unter, mit dem sich der Sturm über Benghasi entlud. Die Sambuke begann so heftig auf dem Wasser zu tanzen, daß die Männer sich festhalten mußten. Aber was bedeutete das schon im Gegensatz zu dem, was sie bei diesem Wetter draußen auf See erwartet hätte!

      5.

      Muley Salah traf am Morgen des achten Juni in Benghasi ein. Allah mochte gnädig sein, aber mit ihm meinte er es nicht mehr sehr gut, denn keine Strapaze war Muley erspart geblieben, und so fühlte er sich selbst mehr tot als lebendig. Halb zusammengesunken hing er im Sattel seines Meharis, und seine Augen und Nasenlöcher, Ohren und auch der Mund waren fast zugeklebt vom Salz und vom Sand, die der Wind ihm ins Gesicht geblasen hatte.

      Noch immer tobten wilde Sturmböen über die Große Syrte hinweg, und Muley Salah verfluchte alle Mächte der Natur in den gemurmelten Worten, die nur brüchig über seine Lippen drangen.

      Er ritt am Hafen vorbei, ohne ihm seine Aufmerksamkeit zu schenken. Hätte er sich umgesehen – wer weiß, vielleicht hätte er die Sambuke gar entdeckt? Ausgeschlossen wäre das nicht gewesen, obgleich sie ziemlich gut versteckt weit außerhalb an einer der letzten Piers lag. Aber Allahs Güte strahlte nicht mehr über Muley Salah, vorläufig jedenfalls nicht, er war vom Pech verfolgt. Kein Wink des Schicksals half ihm aus seiner ganz persönlichen Misere hinaus.

      So suchte er den erhabenen Uluch Ali auf, der einen Prunkbau in der unmittelbaren Nähe des Hafens bewohnte, eine seiner Residenzen an der nordafrikanischen Küste. Dieser Bau mutete wie ein Wirklichkeit gewordenes Märchen aus Tausendundeiner Nacht an und zeichnete sich durch seine Vielfalt von Zwiebeltürmchen, Balkonen, vergitterten Fenstern und Arabesken aus. In seinem Inneren wurde man vom ganzen Zauber des Orients gefangengenommen, der sich in Teppichen, Gobelins, Gemälden, schweren Kronlüstern, reich verzierten Möbeln, prächtig kostümierten, bewaffneten Wächtern und süßlichen Düften offenbarte, denen man gleich beim Eintreten begegnete.

      Die Wachen wollten Muley Salah zunächst nicht vorlassen, doch als sie seinen Namen vernahmen, zögerten sie nicht, ihn direkt bis in Uluch Alis prächtigstes Gemach zu führen.

      Da hockte er nun auf einem Berg farbenfroher Kissen, der „alte Piratenknochen“, wie Muley ihn bei sich einmal respektlos genannt hatte. Zu seinem Entsetzen mußte er jedoch feststellen, daß Ali nicht nur ungehalten war, schlimmer noch – er hatte das, was man gewöhnlich eine „Stinklaune“ zu nennen pflegte.

      Die Posten zogen sich zurück und ließen Muley Salah mit Uluch Ali allein. Muley wagte nicht zu sprechen, er betrachtete nur seinen Herrn und spürte, wie ihm die Knie weich wurden, ein bißchen nur, aber doch deutlich zu fühlen.

      Uluch Ali war ein großer Mann, der sich durch eine kräftige, fleischige Nase auszeichnete. Seine Augen waren dunkel, hart und grausam, sein Gesicht knochig und vernarbt, worüber auch der Kinn- und Oberlippenbart nicht hinwegtäuschen konnten, die an seinen Mundwinkeln ineinander übergingen.

      Nach

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