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Floskeln kannst du dir ersparen.“

      „Verzeihung, mein Pascha, vergib mir, daß ich in deinen Palast eingedrungen bin, ohne mich anzumelden“, fuhr Muley Salah dennoch fort. „Aber ich habe dir eine wichtige Nachricht zu überbringen.“

      Plötzlich richtete sich Uluch Ali kerzengerade auf und schrie: „Ich weiß schon, was für Nachrichten du bringst, du stinkender Schakal!“

      Muley wich unwillkürlich zwei Schritte zurück. „Wie das, Erhabener?“ „Ich habe eben meine Informanten!“ Ali dachte nicht daran, seine Stimme zu senken. „Unbekannte Christenhunde haben die ‚San Marco‘ ausgeplündert, nicht wahr? Und euer Zangengriff von See und von Land her wurde von diesen Hunden mit Bravour abgeschlagen! Stimmt das?“

      Muley Salah hütete sich, auch nur etwas davon zu leugnen oder den Versuch zu unternehmen, gewisse Kleinigkeiten beschönigend darzustellen. Durch Rechtfertigungen wäre alles nur noch schlimmer geworden. Er zog es vor, den Kopf zu senken und zu antworten: „Ja, es stimmt alles, o Herr.“

      „Wer sind diese ungläubigen Halunken?“

      „Ich weiß es nicht, Uluch Ali, mein Gebieter.“

      Uluch Ali ließ sich in seine Kissen zurücksinken, seine Stimme nahm jetzt einen fast sanften Klang an.

      „So, du weißt es also nicht“, sagte er. „Das wird ja immer schöner. Du läßt dir von den Bastarden nicht nur den Schatz wegnehmen und mehr als die Hälfte deiner Männer töten, du hast nicht einmal die geringste Ahnung, mit wem du es zu tun gehabt hast.“

      „Vielleicht waren es Überlebende der ‚San Marco‘.“

      „So? Das mag sein. Es spielt aber keine Rolle mehr. Du bist eine erbärmliche Ratte, Muley Salah, eine unglückselige Kreatur, die nicht das Recht hat, Allahs Land mit ihrer häßlichen und übelriechenden Anwesenheit zu beleidigen. Du gehörst verbannt, Mann, und du wirst für deine Dummheiten und Fehler bezahlen.“

      Muley Salah fragte hoffnungsvoll: „Du schickst mich fort, o Erhabener?“

      Uluch Ali lachte leise. „Das könnte dir so passen. Nein, so leicht mache ich es dir nicht. Für dein Versagen wirst du zunächst ausgepeitscht und dann gefoltert.“

      „Das habe ich verdient, wirklich, ich bin mir meiner Schuld bewußt“, sagte Muley, der schon froh darüber war, daß sein Kopf nicht rollen sollte.

      Doch Uluch Ali war noch nicht am Ende angelangt. „Anschließend wirst du geköpft. Dein Schädel wird auf einen Holzpflock vor dem Stadttor gerammt, damit ihn jeder anspucken kann, der daran vorbeigeht. Deinen Leichnam lasse ich vierteilen, und zwar in aller Öffentlichkeit, und man wird Beifall klatschen, weil du nicht in Allahs Reich kommst, sondern zum Scheitan in die Hölle.“

      Muley Salah stand wie gelähmt da und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. War es nicht doch ein Fehler gewesen, Uluch Ali aufzusuchen? Hätte er nicht auf dem Seeweg fliehen können?

      Aber nein, er wollte in diesem Land leben, nicht woanders, und irgendwie mußte er sich rehabilitieren. Darum suchte er geradezu verzweifelt nach einem Ausweg.

      Sollte er sein Messer zücken und den Kerl dort, den er in diesem Augenblick haßte und verachtete, einfach niederstechen? Konnte er nicht die Macht an sich reißen und neuer Herrscher in diesem Palast werden? Nein, unmöglich. Das war nur ein Wunschtraum, völlig illusorisch und bar jeden vernunftsmäßigen Denkens.

      Eine andere Möglichkeit war, jetzt auf die Knie zu fallen und um Gnade zu flehen. Doch wie Muley Salah Uluch Ali kannte, würde der sich nicht erweichen lassen. Mehr noch: jedes unterwürfige Gebaren würde seine Wut nur steigern.

      So blieb ihm, Muley, nur eine Chance: Er mußte es mit der Flucht nach vorn versuchen.

      Er verschränkte die Arme vor der Brust, hob den Kopf etwas an und erklärte todesmutig: „Ich habe dein Urteil vernommen, Uluch Ali, aber ich erhebe Einspruch. Ich ...“

      „Du hast gar nichts zu erheben!“ fiel Uluch Ali ihm ins Wort.

      „Es ist mein gutes Recht“, fuhr Muley Salah unbeirrt fort. „Mir selbst steht es zu, Rache an den Christenhunden zu üben, und das möchte ich tun. Ich ersuche dich, mir das nicht zu verwehren.“

      Ali schwieg und fuhr sich mit der einen Hand übers Kinn. Es imponierte ihm, daß Muley nicht zu jammern und zu betteln anfing, sondern Würde zeigte. Sollte er ihm doch noch eine Chance geben?

      Muley sah, daß Ali wankelmütig geworden war, und sofort nutzte er dies aus.

      „Noch etwas ist mir inzwischen eingefallen“, sagte er. „Ich habe eben behauptet, die verfluchten Giaurs, die das Wrack ausplünderten, seien wohl Christenhunde gewesen, aber das möchte ich berichtigen.“

      Uluch Ali legte den Kopf etwas schief und hob die Augenbrauen. „Was soll daran so wichtig sein? Christenhunde bleiben nun mal Christenhunde.“

      Muley Salah räusperte sich. „Nicht ganz. Ich habe nicht verstanden, was sie sich zuriefen, doch ich nehme an, daß sie sich der englischen Sprache bedienten.“

      Ali wurde plötzlich hellhörig. „Engländer also?“

      „So wird es wohl sein. Auf jeden Fall sind sie ganz verteufelte Kerle, die hart und kompromißlos kämpfen. Ich will mich nicht verteidigen, es liegt mir wirklich fern, großer Uluch Ali, doch diese Burschen verstehen vom Kampf mehr als die lausigen, räudigen Gondelfahrer der ‚San Marco‘.“ Er begann nun, von dem zweiten Überfall auf die Giaurs zu berichten, bei dem er und seine Kumpane heftige Hiebe bezogen hatten.

      Uluch Ali rutschte jetzt unruhig auf seinen Kissen herum. Schließlich sprang er auf und hob die Faust. Muley Salah verstummte sogleich, denn er nahm an, der Zorn des großen Beylerbey richte sich wieder gegen ihn. Doch in diesem Fall hatte er sich getäuscht.

      „Engländer!“ wiederholte Ali. „Die schlimmsten Bastarde aller Hurensöhne!“

      Der alte Haß hatte ihn wieder gepackt, und mit einem Schlag war die Erinnerung an den Engländer Killigrew wach, der ihn mit seinen Kerlen deklassiert hatte, wie es bis dahin noch nie und wie es auch später keinem Gegner gelungen war.

      „Sie kämpften wie die Löwen“, sagte Muley Salah, der jetzt erst richtig begriff, daß seine Schilderung der Vorfälle Ali ganz erheblich abzulenken vermochte. „Und am wildesten gebärdete sich dieser alte Kerl mit dem zerfurchten Gesicht, ein Derwisch, ein Dämon in Menschengestalt. Wenn mich nicht alles täuscht, hatte er ein Holzbein.“

      „Holzbein?“ Uluch Ali schritt langsam auf Muley Salah zu und senkte den Kopf. „Habe ich richtig gehört?“

      Muley sann verzweifelt nach. Hatte er jetzt etwas Falsches gesagt? Warum erregte ausgerechnet dieses Holzbein Uluch Alis Aufmerksamkeit?

      Er holte tief Luft, dann erwiderte er mit aller Entschlossenheit: „Ja, ein Holzbein. Und eine Krücke hatte er auch, wenn ich mich recht erinnere. Vielleicht auch zwei. So einen Scheitan von Giaur habe ich in meinem Leben noch nie gesehen.“

      „Ich schon“, sagte Uluch Ali, und seine Stimme senkte sich jetzt zu einem kaum noch verständlichen Zischen. „Ich weiß, wer das ist. Einer der Korsaren des Killigrew. Ja, so muß es sein. War Killigrew dabei?“

      „O mein Fürst und Gebieter“, sagte Muley eindringlich. „Wie soll ich dir diese Frage beantworten können, wenn du mir nicht verrätst, wie dieser Kielie-gru aussieht?“

      „Er ist schwarzhaarig und hat blaue Augen!“ stieß Uluch Ali voll glühendem Haß hervor. Was Muley ihm berichtet hatte, rüttelte und zerrte derart an ihm, daß er fast jede Selbstbeherrschung verlor. „Ein Riese an Gestalt, ein Höllenungeheuer, ein Galgenstrick und Mörder ist er!“ Ihm fielen immer mehr Einzelheiten zur Beschreibung des Seewolfs ein, und er gab sie mit verzerrtem Gesicht an Muley weiter.

      Muley Salah schüttelte jedoch den Kopf. „Einen solchen Hundesohn habe ich an Bord der Sambuke nicht gesehen, o Effendim. Ich will mich jedoch bemühen, ihn zu finden, wenn

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