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konnte sich nur mit Mühe bezwingen, nicht doch die Pistole zu ziehen und Uluch Ali was auf den Pelz zu brennen. Hölle, dachte er, vielleicht kriegen wir die Gelegenheit dazu nie wieder. Er sah aber auch ein, daß er durch sein unüberlegtes Handeln Old O’Flynns Lage nur noch verschlechterte, auf keinen Fall aber verbesserte.

      „Den Strick lockern!“ schrie Uluch Ali jetzt. „Sonst stirbt der Hund uns noch unter den Händen weg!“

      Der Schwarze beeilte sich, die Schlinge um Donegals Hals zu lösen, und so konnte der Alte keuchend wieder frischen Atem schöpfen. Es war ihm schon fast schwarz vor Augen geworden, und die Sinne drohten ihm zu schwinden. Jetzt aber nahmen Uluch Alis Gesicht und Gestalt vor seinen Augen wieder klare Formen an.

      „Wir schreiten zum Verhör“, sagte Ali. „Wo sind die anderen, Giaur, wo halten sich deine Kumpane versteckt? Heraus mit der Sprache!“

      Der Dolmetscher übertrug dies sofort ins Englische.

      Old O’Flynn versuchte, sich aufzurappeln, doch es wollte ihm nicht gelingen. Ziemlich verkrümmt lag er am Boden, fixierte Uluch Ali und sann angestrengt nach, was er wohl am besten erwidern konnte.

      Schließlich antwortete er: „Kreuzdonnerwetterundschockschwerenot, fahr doch zur Hölle, du triefäugige Seegurke.“

      Der Dolmetscher geriet ins Schwitzen, denn er kam erstens nicht so recht mit, und zweitens wußte er auch beim besten Willen nicht, wie er die „triefäugige Seegurke“ ins Arabische übersetzen sollte.

      Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, dann sagte er zu Uluch Ali gewandt: „Er will nicht mit der Sprache heraus, o Herr. Er beschimpft dich nur und vergleicht dich mit einem Meerestier.“

      „Mit einem was?“

      „Mit einem Fisch, nehme ich an.“

      „Beim Scheitan, das wird ja immer schöner!“ schrie Uluch Ali. „Das Fluchen und Lästern wird ihm schon noch vergehen! Drohe ihm! Sage ihm, was ich mit ihm tun werde, wenn er sich nicht gefügig zeigt, dann kriegt er es mit der Angst zu tun!“

      Eigentlich hätte Old O’Flynn ja längst Angst haben müssen, aber er dachte nicht daran, sich diesen Kerlen gegenüber auch nur die geringste Blöße zu geben. Aufs Kreuz gelegt hast du mich zwar, Ali, du verlauster Hurensohn, dachte er, aber ein O’Flynn gibt nie auf, da kann geschehen, was will.

      Der Dolmetscher sprach jetzt eindringlich auf ihn ein, hütete sich aber, ihm zu nahe zu treten, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dieses alte Rauhbein mit dem zerknitterten Gesicht sei zu allem fähig, auch dazu, ihm plötzlich in die Wade zu beißen.

      Old O’Flynn hörte aufmerksam zu und gelangte zu der Überzeugung, daß sich die Foltermethoden des Orients von denen des Abendlandes nicht wesentlich unterschieden. Da gab es das Streckbrett und die Daumenschrauben, da war von glühenden Zangen, von Fässern voller giftiger Schlangen und von allerlei anderen Gerätschaften die Rede. Der Dolmetscher ging sämtliche Abstufungen des peinlichen Verhörs durch, dann verstummte er und beobachtete den Giaur interessiert.

      Der hatte für kurze Zeit die Augen geschlossen, um in aller Ruhe nachdenken zu können. Der Dolmetscher hingegen wertete dies als Furcht und sagte: „Jetzt scheint er wirklich eingeschüchtert zu sein, ehrenwerter Uluch Ali.“

      „So?“ Auch Ali sah Old O’Flynn an, doch so recht überzeugt war er noch nicht. „Dann wiederhole die Fragen, die ich eben gestellt habe. Wird’s bald?“

      „Wo halten sich deine Freunde versteckt?“ fuhr der Dolmetscher den Gefangenen an.

      Old O’Flynn schlug die Augen auf, dann verdrehte er sie ein bißchen. Er hatte sich jetzt eine Taktik zurechtgelegt und nahm sich vor, sie hartnäckig und kompromißlos anzuwenden.

      „Freunde?“ murmelte er. „Na, die liegen wohl alle auf dem Grund der See. Die haben längst die Haie gefressen.“

      Alis Übersetzer teilte dies seinem Herrn mit, doch der wurde sofort wieder wütend und schrie: „Lüge, alles Lüge! Gleich lasse ich aus diesem Hund herauspeitschen, wie die Wahrheit lautet!“

      Old O’Flynn quittierte das Geschrei mit einem grunzenden Laut.

      „Ich bin ein Fahrensmann. Auf der ‚Empreß of Sea‘ hab’ ich meine Zeit abgerissen, aber dann hatte ich die Nase voll, denn der Kahn ist ein verdammter Seelenverkäufer.“

      Das war eine gleichsam heroische Lüge, denn die „Empreß of Sea“ war ja alles andere gewesen als ein Jammerkahn – doch für diese Schwindelei mußte sie jetzt herhalten, denn etwas Besseres fiel dem Alten im Moment nicht ein. Und falls ihn die ganze Story vor einem grausamen Ende bewahrte, dann hatte ihm die „Empreß“ sogar noch einen guten Dienst erwiesen.

      Der Dolmetscher und Uluch Ali sahen sich verblüfft an, und auch die Leibwächter des großen Beylerbeys tauschten verdutzte Blicke miteinander. Was war denn das für eine Geschichte, und überhaupt, was hatte sie mit der Sache als solcher zu tun?

      „Außenbords gejumpt bin ich“, fuhr Old O’Flynn fort. „Und wollt ihr wissen, warum? Na, ich will es euch verraten, Leute. Der Kapitän der ‚Empreß‘ ist ein Schweinehund, ein Leuteschinder, eine verfluchte Kanalratte, ein Himmelhund und Rübenschwein. Natürlich bin ich an Land geschwommen, ist doch klar. Mich haben die Haie nicht gepackt, an mir haben sie kein Interesse, Hölle, ich bin viel zu alt und viel zu zäh und völlig ungenießbar.“

      Er wollte weitersprechen, aber der Dolmetscher mußte seinen Redefluß erst einmal stoppen, um das Gehörte ins Arabische übertragen zu können. Uluch Ali und seine Gefolgschaft gelangten aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was war denn jetzt in den Alten gefahren? Erst hatte er nichts sagen wollen, und nun plapperte er derart bereitwillig, ja, fast vergnügt darauf los, daß man ihn bremsen mußte.

      „Ja“, sagte Old O’Flynn, als er in seinem seltsamen Bericht fortfahren durfte. „So war das auf der ‚Empreß‘. Na, ich nehme fest an, daß sie inzwischen abgesoffen ist. Wie ich sie kenne, hat sie keine zehn Meilen mehr geschafft, nachdem ich abgemustert hatte. War ja schon ganz morsch. Und von Würmern und Ratten verseucht. Ein Teufelskahn, sage ich euch. Wo meine Kameraden sind? Habe ich das nicht schon mal gesagt? Entweder liegen sie auf dem Meeresgrund, oder aber sie befinden sich stückchenweise in den Bäuchen der Haie. O Lord, letzteres ist wohl wahrscheinlicher. Was meint ihr?“

      Uluch Ali lauschte aufmerksam den Worten seines Dolmetschers, dann entgegnete er unwillkürlich: „Ja, das ist wahrscheinlicher. Ich glaube es auch. Vor der Küste wimmelt es von Haien.“ Plötzlich verzog sich sein Gesicht wieder zu einer Fratze des Zorns, denn jemand aus der vor dem Palast versammelten Menge hatte gelacht.

      „Natürlich bin ich an Land geschwommen, was denn sonst?“ sagte Old O’Flynn noch einmal, und wieder verdrehte er die Augen. Im Spinnen war er ja schon immer gut gewesen – und jetzt spann er, daß dem Dolmetscher bald die Haare zu Berge standen.

      Sam und Al, die jedes seiner Worte deutlich verstehen konnten, standen auch mit offenen Mündern da. Was Donegal da auspackte, war ja kaum zu fassen!

      „Das geht auf keine Walhaut“, murmelte Sam Roskill.

      „Das haut dem Faß den Boden aus“, flüsterte Al Conroy.

      Uluch Ali gewann mehr und mehr den Eindruck, es mit einem Verrückten zu tun zu haben.

      9.

      Old O’Flynn setzte jetzt ein dünnes Grinsen auf.

      „Ja, ja, die gute alte ‚Empreß‘, diese Satanslady“, sagte er. „Das war vielleicht ein Scheißkahn. Na, was soll ich noch erzählen? Ich schwamm da im Teich herum, und plötzlich, ganz urplötzlich, hörte ich so eine Stimme, die mich rief. ‚Donegal‘, sagte sie, ‚he, alter Junge, paddel mal schnell hierher.“

      „Wer – wer war denn das?“ stammelte der Dolmetscher entsetzt.

      „Das hab ich mich auch gefragt“, entgegnete Donegal, und sein Grinsen verstärkte

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