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unmöglich, die Sambuke zu entdecken, die in der Bucht zwei Meilen nördlich von Benghasi ankerte. Ihre Umrisse wurden von der Nacht verschluckt, und selbstverständlich vermied es Ben Brighton, auch nur das kleinste Talglicht zu entfachen.

      Bangen Herzens warteten die Seewölfe auf die Rückkehr ihrer Kameraden. Würden Sam Roskill und Al Conroy es schaffen, Old O’Flynn aus der Gefangenschaft zu befreien?

      Old Donegal Daniel O’Flynn lag gefesselt in einem Kellerraum des Palastes und wartete darauf, daß man ihn abholte, um ihn dem Folterknecht vorzuführen. Doch vorläufig blieb ihm dies – aus welchem Grund auch immer – erspart. Er hatte seine Ruhe und konnte überlegen, wie er es am besten anstellte, sich aus dieser unbequemen Lage in eine andere, etwas günstigere, zu bringen.

      Der Folterknecht muß wohl erst das Feuer anheizen und die Zangen wärmen, dachte er grimmig. Mal sehen, ob sich das ausnutzen läßt.

      So konzentrierte er sich auf sein Holzbein. Denn da steckte der Trumpf, den er jetzt zum Vorschein holen mußte, nicht etwa in seinem Ärmel: Er hatte noch eine Waffe, die keiner der Leibwächter Uluch Alis bei ihm entdeckt hatte, obgleich sie ihn sehr genau durchsucht hatten. Jawohl, er wir im Besitz eines Stiletts, eines haarscharf geschliffenen Dinges, und damit gedachte er sich jetzt selbst zu helfen, da er mit Unterstützung von außen wohl kaum rechnen durfte. Vielleicht wußten Ben und die anderen noch nicht einmal, wo sie ihn suchen sollten.

      In mühseliger, geheimer Kleinarbeit hatte er seinerzeit, als sie noch mit der „Isabella VIII.“ über die Weltmeere gesegelt waren, sein Holzbein von oben ausgehöhlt und so eine Art Röhre geschaffen, in der er das Stilett verborgen hatte.

      Findig muß der Seemann sein, hatte er damals gedacht, vielleicht rettet dir dieses Stilett eines Tages das Leben, denn das müssen schon wirklich ganz üble Hunde sein, die dein Holzbein abschnallen und auf Waffen untersuchen.

      Gewiß, Uluch Ali war ein solch übler Hund, aber er hatte Old O’Flynn das Holzbein gelassen. Daß das Ding zu einem Teil hohl sein könnte – wer verfiel schon auf eine derart absonderliche Idee! Nicht einmal Uluch Alis Phantasie ging so weit, obwohl er sich für einen außerordentlich gescheiten Menschen hielt.

      Nach einigem Herumwälzen und Rucken an den Fesseln gelang es Donegal, seine Hände wenigstens soweit freizukriegen, daß er mit den Fingern an das Holzbein heranreichte und es abschnallen konnte. Rasch hatte er auch die Aushöhlung ertastet und zog das Stilett daraus hervor.

      Dann begann er damit, seine Fesseln säuberlich durchzutrennen. Zuerst legte er seine Arme frei, dann machte er bei den Beinen weiter und schnitt zuletzt die Stricke durch, die seine Füße zusammenschnürten. Er massierte seine Gelenke, bis der Blutkreislauf wieder einwandfrei funktionierte. Danach wartete er ab, was weiter geschehen würde. Aus dem Raum konnte er so nicht heraus, die Tür war von außen fest verriegelt, ein Fenster gab es nicht.

      Am Abend endlich – seine Geduld wurde auf eine recht harte Probe gestellt – näherten sich Schritte der Tür. Lautlos erhob er sich und nahm neben der Tür Aufstellung. Draußen wurde mit Schlüsseln hantiert, die leise klirrten, dann schob sich ein Schlüssel in das Schloß, und quietschend öffnete sich die Verriegelung.

      Die Tür bestand aus massivem Holz und hatte nicht einmal ein Guckloch. Folglich konnte der Besucher – wer immer es war – von außen nicht sehen, was sich in dem engen Raum abspielte. Ohne etwas zu ahnen, öffnete er die Tür.

      Gut so, dachte Old O’Flynn, das vereinfacht die Sache.

      Der Besucher sollte sich wenig später als der Schwarze entpuppen, der ihn auf dem Platz vor dem Palast an dem Strick festgehalten und munter auf ihn eingedroschen hatte. Er war erschienen, um nach dem Gefangenen zu sehen und ihm schon mal auf die Beine zu helfen, damit er für den Gang in die Folterkammer bereit war – nicht etwa, um ihm etwas zu essen und zu trinken zu bringen.

      Old O’Flynn wartete ab, bis die Tür ihn völlig verdeckte und er die scharrenden Schritte des Kerls dicht neben sich vernahm, dann handelte er. Er versetzte der Tür einen heftigen Stoß, und diese schlug dem Schwarzen genau vor die Stirn, so daß dieser einen ächzenden Laut des Schmerzes und des Entsetzens von sich gab und auf der Stelle zusammenbrach.

      Der Alte schob sich hinter der Tür hervor, warf einen Blick auf den Kerl und erkannte erst jetzt, mit wem er es zu tun hatte. Er grinste, schlug noch einmal hart mit der rechten Faust zu, um ganz sicher zu gehen, und packte den Bewußtlosen dann unter den Armen. Er schleifte ihn in sein Gefängnis und fesselte ihn mit den längsten Stücken, die von seinen Stricken noch übriggeblieben waren. Anschließend knebelte er ihn.

      Den Kaftan und die Waffen hatte er ihm vorher abgenommen. Jetzt schlüpfte er in das Kleidungsstück und steckte sich den erbeuteten Dolch und den Cutlass des Kerls ein, trat auf den Flur vor dem Raum hinaus und blickte sich aufmerksam um.

      Niemand schien in der Nähe zu sein, niemand konnte ihn behelligen. Er zog die Tür hinter sich zu, riegelte ab, steckte den Schlüssel weg und begab sich auf den Weg dorthin, wo er den Treppenaufgang vermutete.

      Er hatte den Flur zur Hälfte hinter sich gebracht, als er plötzlich Stimmen vernahm, die sich ihm im Dunkeln näherten. Es war zu spät zum Umkehren, niemals hätte er es geschafft, wieder in seine Zelle zurückzulaufen und sich dort vor den Kerlen zu verbergen, die ohne Zweifel genau auf ihn zusteuerten. Eine andere Versteckmöglichkeit schien es nicht zu geben. So war Old O’Flynn gezwungen, sich mit dem Rücken gegen die Wand zu lehnen und verhaltenen Atems die weitere Entwicklung abzuwarten.

      10.

      Sam Roskill und Al Conroy hatten ihren Unterschlupf verlassen und umrundeten die Residenz von Uluch Ali. Sie waren auf der Suche nach einer Einstiegsmöglichkeit. Gab es denn kein Fenster, durch das man klettern, keinen Balkon, den man ohne großen Aufwand erklimmen konnte?

      Leider waren die Balkone und die Fenster alle vergittert, wie sie erst jetzt feststellten. Uluch Alis Palast war eine gut abgesicherte und offenbar uneinnehmbare Festung, der Kerl schien an alles gedacht zu haben, um sich ungebetene und unliebsame Gäste vom Hals zu halten.

      Sam fluchte bereits leise vor sich hin. Al knirschte hörbar mit den Zähnen. Damit hatten sie nun wirklich nicht gerechnet. Was jetzt? Sie waren ausgeschlossen, fanden keine Stelle, an der sie in das Anwesen eindringen konnten, und so schien es, als müßten sie Old O’Flynn seinem gewiß nicht rosigen Schicksal überlassen.

      „Mann“, flüsterte Sam wütend. „Wir müssen was unternehmen, Al. Hätten wir bloß eine Höllenflasche dabei, dann könnten wir ein Loch in die Mauer sprengen.“

      „Um den ganzen Palast aufzuwekken und die halbe Stadt noch dazu?“ „Das wäre mir egal.“

      „Aber Uluch Ali wäre gewarnt, ehe wir Donegal herauspauken könnten.“ „Stimmt auch“, sagte Sam. „Außerdem haben wir ja keine Flaschenbombe. Also, was schlägst du vor? Was sollen wir tun?“

      „Wir müssen Verstärkung holen.“

      „Von der Sambuke? Das dauert viel zu lange, bis wir dort sind, und wir haben sowieso schon zuviel Zeit vergeudet.“

      „Verfluchter Mist“, wetterte Al und sah sich nach allen Seiten um. Wonach er suchte, wußte er selbst nicht genau. Doch plötzlich sah er eine kleine Gestalt aus der Öffnung einer winzigen Seitengasse hervortreten.

      Al griff nach Sams Unterarm und stieß einen zischenden Warnlaut aus. Sofort fuhr Sam herum und erblickte die Gestalt ebenfalls, doch er schien nicht zusammenzufahren, sondern tat sogar zwei Schritte auf den Unbekannten zu. Plötzlich grinste er.

      „Das ist mein Freund Hassan“, raunte er. „Mal sehen, vielleicht kann der uns weiterhelfen.“

      Hassan näherte sich auf leisen Sohlen, blieb dicht vor ihnen stehen und wisperte in seinem grauenvollen Spanisch: „Ssämm, verzeih mir. Soll ich nicht wiederkommen, is’ zu gefährlich, hast du mich gesagt – aber Hassan dir doch guten Rat geben können, nicht?“

      „Ja“, flüsterte Sam. „Schon gut, Junge, ich bin dir ja dankbar. Sag mal, hast du

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