ТОП просматриваемых книг сайта:
Petersburg. Andrei Bely
Читать онлайн.Название Petersburg
Год выпуска 0
isbn 4064066116255
Автор произведения Andrei Bely
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Nikolai Apollonowitsch lehnte über die Treppenbalustrade und warf auf alle Seiten irisierenden Glanz, der ganz im Gegensatz zu der Säule stand und zum Alabaster, von dem aus die Niobe ihre Alabasteraugen gen Himmel hob.
Über das Geländer gebeugt, rief Nikolai Apollonowitsch etwas hinunter, doch auf seinen Ruf erwiderte erst nur die Stille; dann aber antwortete mit übertriebener Deutlichkeit eine Fistelstimme:
»Sie hatten mich sicher für jemand anders gehalten . . . Ich bin es — ich . . .«
Unten stand der Unbekannte mit dem schwarzen Schnurrbärtchen, im Mantel mit aufgeschlagenem Kragen.
Nikolai Apollonowitsch verzog darauf das Gesicht in ein unangenehmes Lächeln:
»Sie sind es, Alexander Iwanowitsch? . . . Höchst angenehm!«
Dann fügte er heuchlerisch hinzu:
»Ich erkannte Sie ohne Brille nicht . . .«
Das unangenehme Empfinden überwindend, das in ihm die Anwesenheit des Unbekannten im lackierten Haus hervorrief, fuhr Nikolai Apollonowitsch fort, mit dem Kopfe nach unten zu winken:
»Ich bin eigentlich gerade aus dem Bette gekommen, deshalb auch noch im Schlafrock.« (Dies wie nebenbei erwähnend, wollte Nikolai Apollonowitsch dem Besucher zu verstehen geben, daß er zur ungeeigneten Zeit gekommen sei; wir fügen von uns hinzu: Nikolai Apollonowitsch hatte all die letzten Nächte außer dem Hause verbracht.)
Auf dem reichen Fond des Ornaments aus altertümlichen Waffen machte der Unbekannte mit dem schwarzen Schnurrbärtchen eine recht klägliche Figur, doch nahm er sich zusammen und begann eifrig Nikolai Apollonowitsch zu beruhigen:
»Das macht gar nichts, Nikolai Apollonowitsch, daß Sie gerade aus dem Bette sind . . . Ich versichere Sie, es hat gar nichts zu bedeuten. Sie sind ja keine Dame, und auch ich bin’s nicht . . . Ich selbst bin nämlich auch erst jetzt aufgestanden . . .«
Vor der Eichentür zum Arbeitszimmer drehte sich Nikolai Apollonowitsch plötzlich zu dem Unbekannten; über beide Gesichter flog ein Lächeln: beide sahen einander erwartungsvoll an.
»Also bitte, . . . Alexander Iwanowitsch!«
»Nur ja keine Umstände . . .«
Der Salon Nikolai Apollonowitschs war der vollständige Gegensatz zu der Strenge seines Arbeitszimmers: er war bunt. Wie . . . der bucharische Schlafrock. Der Schlafrock Nikolai Apollonowitschs setzte sich gewissermaßen in allen Gegenständen des Zimmers fort; so im niederen Sofa, das einem orientalischen Ruhebett aus bunten Geweben glich; der bucharische Schlafrock setzte sich weiter fort im Taburett von verschiedenen Tönen; das Dunkelbraun inkrustiert mit Streifchen aus Elfenbein und Perlmutter; der Schlafrock fand seine Fortsetzung auch in einem Negerschild aus der dicken Haut eines einst erlegten Nashorns, dann im sudanischen, verrosteten Pfeil mit massivem Griff, der — weiß Gott warum — hierher gehängt wurde; endlich setzte sich der Schlafrock in dem gestreiften Pelz eines Leoparden fort, der mit aufgesperrtem Rachen auf den Boden geworfen ward; eine dunkelblaue, türkische Wasserpfeife stand auf dem Taburett und dabei ein dreibeiniges, goldenes Rauchzeug, gebildet aus einer durchlöcherten Kugel, über der ein Halbmond schwebte; das Wunderlichste aber war ein bunter Käfig, in dem von Zeit zu Zeit kleine, grüne Papageien mit den Flügeln zu schlagen begannen.
Nikolai Apollonowitsch reichte dem Besucher das bunte Taburett: der Unbekannte mit dem Schnurrbärtchen setzte sich auf den Rand und zog ein billiges Zigarettenetui aus der Tasche.
»Sie gestatten?«
»Bitte.«
»Sie rauchen nicht?«
»Nein, ich habe diese Gewohnheit nicht.« Und verlegen setzte er sofort hinzu:
»Übrigens, wenn andere rauchen . . .«
»Machen Sie das Fenster auf?«
Verteidigen Sie den Tabak nicht, Nikolai Apollonowitsch. Ich sage es Ihnen aus eigener Erfahrung . . . Der Rauch durchsetzt den grauen Hirnstoff. Die Hemisphären des Hirns werden verstopft: eine allgemeine Mattigkeit ergießt sich in den Organismus . . .
Der Unbekannte zwinkerte Nikolai Apollonowitsch familiär zu.
»Sehen Sie mein Gesicht?«
Ohne die Brille gefunden zu haben, näherte Nikolai Apollonowitsch seine Augen dem Gesicht des Unbekannten.
»Sehen Sie das Gesicht?«
»Ja, das Gesicht . . .«
»Das Gesicht ist blaß . . .«
»Ja, es ist etwas blaß —« Ableuchows Wangen wurden von Höflichkeitswellen in verschiedenen Nuancen überströmt.
»Ein ganz grünes, verändertes Gesicht«, unterbrach ihn der Unbekannte, »Das Gesicht eines Rauchers.«
Nikolai Apollonowitsch spürte schon längst eine beunruhigende Schwere, als füllte das Zimmer sich nicht mit Rauch, sondern eher mit Blei; Nikolai Apollonowitsch fühlte, wie sich die Hemisphären seines Hirns verstopften und eine allgemeine Mattigkeit seinen Körper durchzog; er dachte aber nicht an die Wirkungen des Tabakrauches — er dachte vielmehr daran, wie er sich mit Würde aus der peinlichen Lage zurückziehen könnte; er dachte, was er wohl im bedenklichen Fall tun sollte, wenn der Unbekannte . . . wenn . . .
Diese bleierne Schwere kam nicht von der billigen Zigarette; sie kam vielmehr von der gedrückten Stimmung des Wirtes. Er erwartete von Sekunde zu Sekunde, daß sein unruhiger Besucher nun das Geschwätz abbräche, dessen eigenster Zweck zu sein schien — ihn durch Erwartung zu quälen; ja: daß er es abbrechen würde, um ihn daran zu erinnern, daß er, Nikolai Apollonowitsch, seinerzeit durch ihn, den sonderbaren Unbekannten — wie es nur deutlicher aussprechen? . . .
Kurz, daß er seinerzeit die für ihn furchtbare Verpflichtung übernommen hatte, der gerecht zu werden, ihm nicht bloß die Ehre gebot; dieses furchtbare Versprechen aber hatte Nikolai Apollonowitsch damals nur aus Verzweiflung gegeben; ein Mißerfolg hatte ihn dazu bewogen; die Spuren dieses Mißerfolges verwischten sich nun allmählich. Das furchtbare Versprechen müßte, schien es ihm, von selbst weggefallen sein; doch es blieb bestehen; es blieb schon deswegen bestehen, weil es nicht zurückgenommen ward; aufrichtig gestanden hatte es Nikolai Apollonowitsch einfach gründlich vergessen; und so blieb dieses Versprechen bestehen und lebte im Kollektivbewußtsein einer gewissen Partei fort, während in ihm selbst die Empfindung von der Bitternis des Seins entschwunden war; und er sein Versprechen gern als ein scherzhaftes betrachtet hätte.
Das Erscheinen des Individuums mit dem Schnurrbärtchen erfüllte Nikolai Apollonowitsch mit Angst.
Warum denn aber — warum hatte er sein Versprechen gegeben? — Und das wäre nicht das Wichtigste: warum hatte er aber sein furchtbares Versprechen einer leichtfertigen Partei gegeben?
Die Antwort wäre einfach: Nikolai Apollonowitsch, beschäftigt mit der Methodik der sozialen Erscheinungen, hatte die Welt dem Feuer und Schwert preisgegeben.
»Wissen Sie, Nikolai Apollonowitsch,« (Nikolai Apollonowitsch fuhr erschreckt auf) »ich kam eigentlich nicht zu Ihnen wegen des Tabaks . . . das heißt das mit dem Tabak war ganz zufällig . . .«
»Ich verstehe schon.«
»Der Tabak ist eine Sache für sich; ich kam aber nicht wegen des Tabaks, sondern einer Sache wegen . . .«
»Sehr angenehm . . .«
»Eigentlich ist es auch gar keine Sache; es handelt sich nur um eine Gefälligkeit — und diese Gefälligkeit werden Sie mir sicher erweisen . . .«
»Gewiß doch, sehr angenehm . . .«
Nikolai Apollonowitsch wurde blau; er saß und bemühte sich, einen Knopf vom Sofa zu lösen.
»Mir ist es höchst peinlich, aber eingedenk