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Petersburg. Andrei Bely
Читать онлайн.Название Petersburg
Год выпуска 0
isbn 4064066116255
Автор произведения Andrei Bely
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Tagesschau
Es ist — eine Sage aus der Wirklichkeit . . . hier die Zeitungsausschnitte von jener Zeit (der Autor wird schweigen): zugleich mit Mitteilungen über Diebstähle, Vergewaltigungen, über das Verschwinden eines Schriftstellers haben wir eine Reihe interessanter Notizen: eine durchgehende Phantastik oder so was, vor der jeden Leser des Conan Doyle schwindeln müßte: kurz — hier die Zeitungsausschnitte.
»Tagesschau.«
»Erster Oktober. Wir geben einen höchst geheimnisvollen Vorfall wieder, der uns von der Kursistin N. N. mitgeteilt wurde. Am ersten Oktober ging die Kursistin N. N. in der Abendstunde an der Tschernyschow-Brücke vorbei. Dorten beobachtete sie ein sehr sonderbares Schauspiel: am Ufer des Kanals neben dem Brückengeländer tanzte in der nächtlichen Dunkelheit ein roter Atlasdomino, über dem Gesicht trug derselbe eine schwarze Spitzenmaske.«
»Zweiter Oktober. Nach Wiedergabe der Volkslehrerin M. M. teilen wir dem geehrten Publikum einen geheimnisvollen Vorfall mit, der sich neben einer der Vorstadtschulen zutrug. Die Volkslehrerin M. M. war gerade mit dem Vormittagsunterricht in der O.-Volksschule beschäftigt; die Fenster der Schule gehen auf die Straße; plötzlich begann sich auf der Straße vor den Fenstern ein mächtiger Staubwirbel zu drehen; natürlich stürzte die Lehrerin und mit ihr, die lustige Kinderschar zum Fenster; man denke sich aber die Bestürzung der Kinder und ihrer Klassenlehrerin, als der rote Domino, der sich im Zentrum des von ihm aufgewirbelten Staubes befand, sich dem Fenster näherte und seine schwarze Spitzenmaske gegen die Scheibe drückte. Der Unterricht in der O.-Volksschule wurde eingestellt . . .«
»Dritter Oktober. Während der spiritistischen Sitzung im Hause der ehrenwerten Baronin R. R. hatten die Anwesenden gerade eine spiritistische Kette gebildet, als ein roter Domino sich in die Kette mischte und im Tanzen mit der Falte seines Überwurfs die Nasenspitze des Geheimen Rates S. berührte. Der Arzt der G.-Klinik konstatierte eine starke Verbrennung: wie es heißt, wird die Nasenspitze lilafarbene Flecke bekommen. Kurz, überall — der rote Domino.«
Endlich: »Vierter Oktober. Die Bevölkerung des Vorortes I. ergriff einmütig vor dem roten Domino die Flucht; es wurden eine Reihe von Protestkundgebungen veranstaltet: in den Vorort N. ist eine Kosakenabteilung abgegangen.«
Der Domino, der Domino — was hatte es damit für eine Bewandtnis?
Ein würdiger Mitarbeiter einer sicher würdigen Zeitung, der fünf Kopeken für die Zeile bekam, hatte beschlossen, eine Geschichte als Stoff zu benutzen, die er in einem bekannten Hause gehört hatte; die Wirtin dieses Hauses aber war eine Dame. Es handelt sich also um einen würdigen Zeitungsreporter, der per Zeile honoriert war; und es handelte sich um eine Dame.
Von ihr wollen wir nun beginnen.
Eine Dame: hm! und eine hübsche . . . Was ist eine Dame?
Die Eigenschaften einer Dame hat noch nicht einmal der Chiromant zu entdecken vermocht; wie soll sich nun ein Psychologe — pfui! — ein Schriftsteller an dieses Geheimnis wagen? Das Geheimnis wird tiefer, wenn die Dame jung ist und wenn man von ihr sagt, sie sei hübsch.
Also: es war eine Dame; sie besuchte aus Langerweile Kurse; und wieder aus Langerweile vertrat sie zuweilen die Lehrerin der O.-Volksschule, wenn sie nicht am Abend vorher im Spiritistenzirkel gewesen war. Im Hause dieser Dame verbrachte der Zeitungsreporter seine Abende.
Diese Dame erzählte ihm lachend, sie habe soeben im dunklen Stiegenhaus einen roten Domino gesehen. Dieses harmlose Geständnis einer hübschen Dame, in die Rubrik »Tagesschau« gekommen, wuchs zu einer Serie ruhebedrohender, nie gewesener Vorfälle heran.
Sofja Petrowna Lichutina
Jene Dame . . . Aber jene Dame war Sofja Petrowna; ihr müssen wir sogleich viele Worte widmen.
Sofja Petrowna zeichnete sich durch einen mehr als üppigen Haarwuchs aus, und sie war außerordentlich schlank; würde sie ihre schwarzen Haare auflösen — diese schwarzen Haare würden ihre ganze Gestalt einhüllen, bis über die Knie; und sie waren so schwarz, daß es keinen schwärzeren Gegenstand gab. Sei’s die Fülle ihrer Haare oder deren Schwärze, aber Sofja Petrownas Oberlippe zeigte einen Flaum, der ihr für später mit einem regelrechten Schnurrbärtchen drohte. Sofja Petrowna besaß einen ungewöhnlichen Teint, ihre Gesichtsfarbe war einfach die Farbe der Perle, vom Weiß der Apfelblüten, doch mit zartem Rosa dazu.
Die Äuglein Sofja Petrownas waren keine Äuglein, sondern — wenn ich nicht fürchtete, prosaisch zu werden, ich sagte: — Riesenaugen, von dunkler, blauer — von dunkelblauer Farbe. Diese Augen waren bald funkelnd, bald matt, bald schienen sie stupid, wie abgefärbt — und sie schielten. Ihre hellroten Lippen waren groß, viel zu groß, aber . . . die Zähnchen (ach, die Zähnchen!): wie Perlen waren die Zähnchen! Und dazu — ein kindliches Lachen . . . Dieses Lachen gab den vorstehenden Lippen einen besonderen Reiz; und ein besonderer Reiz lag in der schlanken, wieder allzu schlanken Gestalt: ihre Bewegungen, auch die ihres nervösen Rückens, waren bald rasch, bald träge — bis zur Häßlichkeit plump.
Sofja Petrowna trug ein schwarzes Wollkleid, das im Rücken geknöpft war.
Ach, Sofja Petrowna.
Sofja Petrowna Lichutina bewohnte eine kleine Wohnung in der Moikastraße; grelle, lärmende Farben fielen dort wie Kaskaden von den Wänden nieder: feuerrote, himmelblaue; japanische Fächer, Spitzen, Anhängsel, Schleifen; an den Lampen Atlasschirme und Atlasflügel, die tropischen Schmetterlingen glichen; es war, als schwebte ein Schwarm dieser Schmetterlinge, die Wände verlassend, um Sofja Petrowna Lichutina.
Sofja Petrowna behängte die Wände mit japanischen Landschaften; was diesen Landschaften gänzlich fehlte, war die Perspektive. Aber auch in den Zimmern, vollgestopft mit Sofas, Puffs, Fächern und lebenden japanischen Chrysanthemen — fehlte die Perspektive; die Perspektive ergab nur der Atlasalkoven, aus dem Sofja Petrowna hervorschwebte, das flüsternde Schilf über der Tür, durch die sie gleitend hereinschritt; der Berg Fusi-Jama — der farbige Hintergrund für ihre prächtigen Haare; es muß gesagt sein: wenn Sofja Petrowna Lichutina in ihrem rosa Kimono des Morgens von der Tür zum Alkoven schwebte, war sie eine echte kleine Japanerin. Perspektive aber gab es hier keine.
Es waren winzige Zimmerchen; und jedes füllte ein riesengroßer Gegenstand aus. Das Bett war dieser riesige Gegenstand im winzig kleinen Schlafzimmer; die Wanne war es im winzigen Badezimmer; im Salon war es — der hellblaue Alkoven; Tisch und Kredenz waren es im Speiseraum; dieser Gegenstand im Dienstbotenraum war das Dienstmädchen; dieser Gegenstand im Herrenzimmer war selbstredend der Gatte.
Woher also sollte hier Perspektive kommen?
Alle sechs Zimmerchen wurden durch Dampfheizung erwärmt, und in der Wohnung erstickte man deshalb fast vor feuchter Treibhauswärme; die Fensterscheiben schwitzten; und die Besucher Sofja Petrownas schwitzten; ewig schwitzten die Dienstboten und der Gatte; Sofja Petrowna selbst war mit leichter Dunstwolke bedeckt, wie die japanischen Chrysanthemen mit Tau.
Wie konnte nun in diesem Treibhaus eine Perspektive entstehen?
Und es gab auch keine.
Die Besucher Sofja Petrownas
Sofja Petrowna unterhielt nicht ihre Besucher: war dieser ein junger Mann aus der Gesellschaft, der das Vergnügen liebte, dann hielt sie es für nötig, zu all seinen witzigen, nicht ganz witzigen sowie