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Plötzlich wandte sich der Unbekannte rasch um: es schien ihm, als kröche ein widerwärtig-schleimiges Etwas ihm hinter den Kragen und über das Rückgrat hinweg. Hinter seinem Rücken war aber nichts; düster gähnte die Türöffnung des Einganges, und durch die Tür wälzte sich das Unsichtbare.

      Da wurde es ihm klar: die von ihm erwartete Person schritt jetzt die Treppe herauf; gleich, sofort wird sie eintreten; aber sie ist noch nicht eingetreten; in der Tür hat sich noch niemand gezeigt.

      Doch während mein Unbekannter sich von der Tür abwandte, trat auch schon der unangenehme Dicke herein; während er sich dem Unbekannten näherte, knarrte der Fußboden unter seinen Füßen; sein gelbliches, rasiertes, leicht zur Seite geneigtes Gesicht schwamm gemächlich in dem eigenen Doppelkinn, und dabei glänzte fettig sein Gesicht.

      Da wandte sich mein Unbekannter um; die Person winkte ihm freundlich mit der Ohrenklappenmütze:

      »Alexander Iwanowitsch . . .«

      »Lipantschenko!«

      »Ich bin’s . . .«

      »Sie ließen auf sich warten.«

      An dem Tische des Unbekannten Platz nehmend, rief die Person selbstzufrieden aus:

      »Kaffee . . . Und — hören Sie — einen Kognak: meine Flasche haben Sie dort mit meinem Namen vermerkt.«

      Und um sie herum hörte man:

      »Hast du mitgetrunken?«

      »Jawohl . . .«

      »Mitgegessen?«

      »Jawohl . . .«

      »Was bist du dann, mit Verlaub, für ein Schwein . . .«

      »Vorsichtig!« rief mein Unbekannter: der Dicke, den der Unbekannte mit Lipantschenko ansprach, wollte seinen Arm auf den Zeitungsfetzen legen, der über dem Paket lag.

      »Was denn?« Da hob Lipantschenko den Zeitungsfetzen, sah das nasse Paketchen, und seine Lippen erbebten.

      »Das . . . das . . . ist es?«

      »Ja, das — ist es . . .«

      Lipantschenkos Lippen bebten noch immer.

      »Wie sind Sie doch unvorsichtig, Alexander Iwanowitsch.«

      Lipantschenko streckte seine hölzernen Finger aus; die falschen Steine seiner Ringe funkelten auf diesen geschwollenen Fingern mit den abgebissenen Nägeln (auf den Nägeln sah man Spuren derselben braunen Farbe, die seine Haare zeigten; ein aufmerksamer Beobachter würde daraus schließen: die Haare der Person waren gefärbt).

      »Eine Bewegung nur (hätte ich den Ellbogen darauf gelegt), dann wäre es zu . . . einer Katastrophe gekommen . . .«

      Und mit außerordentlicher Vorsicht legte die Person das Paket auf den Stuhl.

      »Ha, wir wären dann, beide«, witzelte unangenehm der Unbekannte. — »Wir würden beide . . .«

      Er schien sich zu weiden an der Verlegenheit der Person, die er — wie wir von uns hinzufügen — haßte.

      »Nicht meinetwegen, natürlich, sondern . . .«

      »Gewiß, Ihretwegen nicht, sondern . . .«

      Und um sie herum hörte man:

      »Mit ‚Schwein‘ haben Sie mich nicht zu beschimpfen . . .«

      »Aber ich schimpfte ja doch gar nicht.«

      »Freilich schimpften Sie: Sie warfen es mir vor, daß Sie gezahlt haben . . . Was ist dabei? Neulich haben Sie gezahlt, heute zahl’ ich . . .«

      »Laß dich küssen, Freund, für diese Tat . . .«

      »Essen Sie nur, essen Sie, das wird schon richtiger sein.«

      »Na, das ‚Schwein‘ nicht übelnehmen und essen — essen tu’ ich auch so schon . . .«

      »Wissen Sie, Alexander Iwanowitsch, wissen Sie, mein Lieber, nehmen Sie dieses Paketchen,« — Lipantschenko schielte hinüber — »und tragen Sie’s gleich zu Nikolai Apollonowitsch.«

      »Ableuchow?«

      »Eben: zu ihm; zur Aufbewahrung.«

      »Aber gestatten Sie, aufbewahrt kann das Paket auch bei mir werden.«

      »Das ist ungeschickt: Sie kann man abfassen; dort aber ist es sicher. Immerhin: das Haus des Senators Ableuchow . . . Übrigens, haben Sie schon von dem letzten Wort des ehrenvollen Alterchens gehört?«

      Da neigte sich der Dicke zum Unbekannten und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

      »Sch—sch—sch . . .«

      »Ableuchow?«

      »Sch . . .«

      »Ableuchow?«

      »Sch—sch—sch . . .«

      »Mit Ableuchow?«

      »Jawohl, nicht mit dem Senator, sondern mit des Senators Sohn: wenn Sie ihn besuchen, übergeben Sie ihm gefälligst zugleich mit dem Paket auch dieses Briefchen: da ist’s . . .«

      Lipantschenkos schmalstirniger Kopf wälzte sich wie eine Last gegen das Gesicht des Unbekannten; in ihren Höhlen lauerten prüfend zwei bohrende Äuglein; die Lippe bebte leicht und sog an der Luft. Der Unbekannte mit dem Schnurrbärtchen horchte aufmerksam und suchte im Lärm der Stimmen den Inhalt des Geflüsterten genau zu erfassen. Kaum hörbar flüsterten die widerwärtigen Lippen, und es schien, als läge darin ein furchtbarer Inhalt, als flüsterten sie von Welten und Planeten; bei genauem Zuhören aber erwies sich der Inhalt von einfachster Alltäglichkeit.

      »Sie übergeben ihm das Briefchen . . .«

      »Wie, steht denn Nikolai Apollonowitsch selbst in Beziehungen?«

      Die Person zwinkerte mit den Äuglein und schnalzte mit der Zunge.

      »Ich dachte, nur durch mich wird der Verkehr mit ihm vermittelt . . .«

      »Sie sehen nun — das stimmt nicht . . .«

      Um sie herum hörte man:

      »Iß, Freund, iß . . .«

      »Hau’ mir ein Stück vom Aspikfleisch herunter.«

      »Im Essen liegt die Wahrheit . . .«

      »Was ist die Wahrheit?«

      »Wahrheit ist das Eßbare . . .«

      »Das weiß ich auch . . .«

      »Wenn du’s weißt — dann ist’s gut. Gib den Teller her und iß . . .«

      Der dunkelgelbe Anzug Lipantschenkos erinnerte den Unbekannten an die dunkelgelbe Tapete seines Zimmers auf der Wassiljewskiinsel — an jene Farbe, die sich für ihn mit der Schlaflosigkeit der weißen Frühlings- und der düsteren Herbstnächte verband; und diese böse Schlaflosigkeit war es wohl, die jetzt vor ihm ein unheilvolles Gesicht mit schmalen, mongolischen Augen, das ihn so oft von jener gelben Tapete angesehen hatte, hervorrief.

      »Verzeihung, Lipantschenko, sind Sie Mongole?«

      »Warum diese sonderbare Frage?« . . .

      »So, mir schien’s . . .«

      »In jedem Russen kreist ja mongolisches Blut . . .«

       Inhaltsverzeichnis

      Die Appartements Nikolai Apollonowitschs bestanden aus Schlaf-, Arbeits- und Empfangszimmer.

      Das Schlafzimmer: ein riesiges Bett, darauf eine

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