Скачать книгу

       Inhaltsverzeichnis

      Apollon Apollonowitsch Ableuchow im grauen Mantel und hohen schwarzen Zylinder mit steinernem, an einen Briefbeschwerer mahnendem Gesicht, sprang rasch aus dem Wagen und lief über die Stufen des Entresols, im Gehen den schwarzen Wildlederhandschuh herunterstreifend.

      Rasch trat er ins Vorzimmer. Der Zylinder wurde mit Vorsicht dem Lakai überreicht. Mit derselben Vorsicht wurden Mantel, Portefeuille und Cachenez übergeben.

      Apollon Apollonowitsch stand vor dem Lakai in Nachdenken versunken; plötzlich wandte er sich an ihn mit der Frage:

      »Haben Sie die Freundlichkeit, mir zu sagen: kommt öfters hierher ein junger Mann — ja: ein junger Mann?«

      »Ein junger Mann?«

      Verlegenes Schweigen: Apollon Apollonowitsch fand keine andere Formulierung seines Gedankens. Der Lakai aber war nicht imstande, zu erraten, von welchem jungen Mann der gnädige Herr sprach.

      »Junge Leute, Exzellenz, kommen hierher selten . . .«

      »Na, und . . . junge Leute mit Schnurrbärtchen?«

      »Mit Schnurrbärtchen?«

      »Mit schwarzen . . .«

      »Mit schwarzen?«

      »Na ja, und . . . in einem Mantel . . .«

      »Alle kommen in Mänteln . . .«

      »Ja, aber mit aufgeschlagenem Kragen . . .«

      Etwas erleuchtete den Diener.

      »Ah, Sie sprechen von dem, der . . .«

      »Na ja, von dem . . .«

      »Einmal war so einer hier . . . er kam zum jungen Herrn: aber es ist schon lange her; ja, jawohl . . . der kommt schon hie und da . . .«

      »Wie denn?«

      »Jawohl, ja!«

      »Mit Schnurrbärtchen?«

      »Ganz richtig!«

      »Mit schwarzem?«

      »Mit schwarzem Schnurrbärtchen!«

      »Und einem Mantel mit aufgeschlagenem Kragen?«

      »Ganz richtig . . .«

      Apollon Apollonowitsch stand einen Augenblick wie angewurzelt da, dann plötzlich ging Apollon Apollonowitsch weiter.

      Die Treppe war mit grauem Plüschteppich bedeckt; die Treppe war — naturgemäß — von schweren Wänden begrenzt; diese Wände waren mit grauen Plüschteppichen bespannt. An den Wänden blinkten die Ornamente altertümlicher Waffen, unter einem rostgrünen Schild glänzte das Gold einer litauischen Mütze; es funkelte der kreuzförmige Griff eines Ritterschwertes; hier rosteten Schwerter; dort neigten sich, schwer übereinander, Hellebarden; bunt in seinem Matt zeichnete sich der vielringelige Panzer; und mit dem Sechserlauf nach unten hing da eine alte Pistole.

      Oben über der Treppe befand sich eine Balustrade; eine weiße Niobe hob hier auf einem Sockel aus mattweißem Alabaster ihre alabasternen Augen gen Himmel.

      Sich mit der knochigen Hand auf den geschliffenen Kristallgriff stützend, öffnete Apollon Apollonowitsch mit Nachdruck die Tür; kalt klangen in dem riesigen, übermäßig in die Länge gezogenen Saal seine Schritte.

       Inhaltsverzeichnis

      Über den leeren Petersburger Straßen schwebten arm beschienene Undeutlichkeiten; jagend überholten einander abgerissene Wolkenflocken.

      Ein phosphoreszierender Fleck flog matt und tot am Himmel; in phosphoreszierendem Glanz lag neblig des Firmamentes Tiefe, und davon durchglänzt war das Eisen der Dächer und Rauchfänge. Da floß das grüne Wasser des Moikakanals, und an einem seiner Ufer erhob sich das dreistöckige Haus mit seinen fünf weißen Säulen. Dort auf dem lichten Fond des lichten Gebäudes schritt langsam ein Kürassier Ihrer Majestät: ein goldener, glitzernder Helm saß auf seinem Kopfe.

      Und die silberne Taube über dem Helm breitete weit ihre Flügel aus.

      Nikolai Apollonowitsch, parfümiert und rasiert, ging, gehüllt in Pelz, über die Moika; sein Kopf war in den Mantel gesunken, und seltsam leuchteten die Augen; in der Seele erhoben sich Schauer — die keinen Namen besaßen; in ihr sang etwas Banges, Süßes.

      Er dachte: dies da — ist dies auch Liebe? Er erinnerte sich: es war eine neblige Nacht, er rannte aus jenem Vestibül dort heraus und lief über die eiserne Petersburger Brücke, um dort auf der Brücke . . .

      Er erbebte.

      Eine Lichtgarbe flog an ihm vorüber: ein schwarzer Hofwagen raste vorbei; an den leuchtenden Fenstervertiefungen jenes Hauses glitten seine roten, wie blutunterlaufenen Laternen vorbei; in die schwarze, strömende Mainacht gossen diese Laternen für kurze Augenblicke Spiel hinein und Glanz; der gespensterhafte Abriß vom Dreimaster des Lakais und der Abriß von flatterndem Uniformkragen huschten zugleich mit dem Licht aus dem Nebel, um sich im Nebel zu verlieren . . .

      Nikolai Apollonowitsch stand kurze Zeit nachdenklich vor dem Haus; wild schlug das Herz in seiner Brust — plötzlich verschwand er im wohlbekannten Vestibül.

      In früherer Zeit trat er jeden Abend hier ein; jetzt hat er über zweieinhalb Monate diese Schwelle nicht betreten; und nun überschritt er sie wie ein Dieb.

      Die Entreetür öffnete sich vor ihm, und als sie zufiel, schlug ihn der Laut von diesem Zuschlagen in den Rücken; Finsternis umfing ihn, als wäre hinter ihm alles in einen Abgrund versunken (so ist’s wohl im ersten Augenblick nach dem Tode, wenn von der Seele der Tempel des Körpers in den Abgrund des Verwesens hinabsinkt); doch an den Tod dachte jetzt Nikolai Apollonowitsch nicht — fern war der Tod; auf die kalten Stufen setzte er sich hin, vor die Tür einer Wohnung, das Gesicht vergraben in den Pelz, und horchte auf das Klopfen seines Herzens; schwarze Leere lag hinter seinem Rücken; schwarze Leere breitete sich vor ihm.

      So saß Nikolai Apollonowitsch im Dunkel.

      Ein weiblicher Schatten, das Gesicht im kleinen Muff vergraben, lief über die Moika und näherte sich ebendemselben Haus, wo auf der kalten Stufe hinter der Tür Nikolai Apollonowitsch saß. Die Tür ging auf und schlug hinter ihr zu; Finsternis umfing sie, als wäre alles hinter ihr in einen Abgrund versunken; die kleine schwarze Dame dachte an so einfache, irdische Dinge, nun wird sie gleich die Teemaschine auftragen lassen; sie führte schon die Hand an die Glocke, und da — sah sie: eine Gestalt, wie es schien, eine Maske erhob sich vor ihr von den Stufen.

      Als die Wohnungstür aufging und in das Dunkel des Stiegenhauses sich für einen Augenblick eine Lichtwelle ergoß, bestätigte der Schrei des Stubenmädchens die Wunderlichkeit der Erscheinung. In der hellen Beleuchtung erschien ein Bild von unbeschreiblicher Seltsamkeit, und die schwarze Gestalt der kleinen Dame rannte durch die geöffnete Tür.

      Hinter ihrem Rücken aber erhob sich im Dunkel seidenrauschend ein dunkelflammenroter Bajazzo mit bärtigem, zappelndem Lärvchen.

      Lautlos und langsam glitt von den Schultern über den rauschenden Atlas der Pelzmantel hinunter, zwei rote Arme streckten sich sehnsüchtig gegen die Tür. Aber die Lichtgarbe zerschneidend, schloß sich die Tür und stieß das Stiegenhaus zurück in die Leere, ins Dunkel.

      Eine Sekunde später lief Nikolai Apollonowitsch auf die Straße hinaus; aus den Falten seines Mantels quoll ein Stück roter Seide hervor; die Nase in den Studentenmantel vergraben, galoppiert Nikolai Apollonowitsch Ableuchow in die Richtung der Brücke.

      Ende des ersten Kapitels.

Скачать книгу