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Petersburg. Andrei Bely
Читать онлайн.Название Petersburg
Год выпуска 0
isbn 4064066116255
Автор произведения Andrei Bely
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Seltsame, sehr seltsame, höchst seltsame Eigenschaften.
Unsere Rolle
Die Petersburger Straßen haben eine unleugbare Eigenschaft: sie verwandeln die Passanten in Schatten; Schatten aber verwandeln sie in Menschen. Wir sahen es an dem Beispiel mit dem geheimnisvollen Unbekannten.
Als der Gedanke im Senatorhirn entstanden, wurde er auf dem Newskij-Prospekt zu etwas Festem und folgt nun dem Senator durch unsere ganze bescheidene Erzählung.
Wir haben den Weg von der Straßenkreuzung bis zur Millionenstraße beschrieben, den der Unbekannte gegangen war; wir beschrieben auch, wie er in dem kleinen Restaurant saß, bis zu dem vielsagenden »Plötzlich«, bei dem alles abbrach; mit dem Unbekannten geschah etwas plötzlich; eine unangenehme Empfindung überkam ihn.
Untersuchen wir jetzt seine Seele; doch erst untersuchen wir das kleine Restaurant; dafür haben wir Gründe; wenn wir, der Autor, mit pedantischer Genauigkeit den Weg eines ersten besten Unbekannten beschreiben, so glaube uns der Leser: die Zukunft wird unser Verhalten rechtfertigen.
Als der Unbekannte hinter der Tür des kleinen Restaurants verschwunden war und wir den Drang verspürten, ihm zu folgen, wandten wir uns um und bemerkten zwei Silhouetten, die langsam den Nebel durchquerten; eine der Silhouetten war behäbig und groß, doch ihr Gesicht konnten wir nicht unterscheiden (Silhouetten besitzen eben kein Gesicht); wir bemerkten jedoch: einen neuen aufgespannten seidenen Regenschirm, blendend glänzende Gummischuhe und eine Pelzmütze mit Ohrenklappen.
Der Hauptbestand der zweiten Silhouette war die ausgemergelte Gestalt eines kleinen Männchens; das Gesicht zeichnete sich deutlich genug, doch wir sahen es nicht, gefesselt von der riesigen Warze.
Wir taten, als betrachteten wir die Wolken und ließen das dunkle Paar an uns vorbeigehen; vor der Tür des Restaurants blieb besagtes Paar stehen und wechselte einige Worte:
»Hm?«
»Hier . . .«
»So dacht’ ich’s mir: Vorkehrungen sind getroffen; für den Fall, daß Sie mir ihn an der Brücke nicht zeigten.«
»Und welche sind die Vorkehrungen?«
»Ich ließ jemand ins Restaurant sich hineinsetzen.«
»Ach, wozu Sie nur Vorkehrungen treffen! Ich habe Ihnen gesagt: hundertmal hab’ ich’s Ihnen gesagt . . .«
»Verzeihung, ich tat es aus Eifer . . .«
»Erst hätten Sie sich mit mir beraten sollen . . . Ihre Vorkehrungen sind gut . . .«
»Nun sagen Sie es selbst . . .«
»Ja, aber Ihre guten Vorkehrungen . . .«
»Hm . . .«
»Wie? . . . Ihre guten Vorkehrungen werden alles verwirren . . .«
Das Paar machte fünf Schritte, blieb stehen. Und wieder wechselte es einige Worte:
»Hm! . . . Ich muß nun . . . Hm! . . . Ihnen Erfolg wünschen . . .«
»Wie können da Zweifel bestehen: das Unternehmen ist im Zug wie ein Uhrmechanismus. Wenn ich selbst nicht dahinterstünde — ich sagte Ihnen aus Freundschaft: die Sache ist sicher.«
»Hm?«
»Was meinten Sie?«
»Verfluchter Schnupfen.«
»Ich spreche von der Sache . . .«
»Hm . . .«
»Die Seelen sind wie Instrumente gestimmt: und bilden ein Konzert — was meinen Sie? — Dem Dirigenten hinter den Kulissen bleibt nur, das Stäbchen zu schwingen. Senator Ableuchow wird ein Zirkular verfassen, der Unbekannte aber . . .«
»Verfluchter Schnupfen . . .«
»Nikolai Apollonowitsch wird . . . Kurz: ein Konzerttrio, und Rußland ist der Zuschauerraum; Sie verstehen mich? Verstehen? Warum schweigen Sie immer?«
»Hören Sie: Sie sollten Ihr Gehalt beziehen . . .«
»Nein, Sie können mich nicht verstehen!«
»Ich kann’s schon; hm — hm — hm — wo soll einer nur so viel Taschentücher hernehmen?«
»Was ist los?«
»Na, der Schnupfen! . . . Und wird das Tier — hm — hm — hm — nicht inzwischen Reißaus nehmen . . .«
»Aber wo . . .«
»Sonst nehmen Sie lieber Ihr Gehalt . . .«
»Gehalt! Mir handelt es sich nicht um das Gehalt; ich bin Artist, verstehen Sie, Artist!«
»In seiner Art . . .«
»Wie?«
»Nichts: ich kuriere mich mit Talglicht.«
Die Figur zog ein ganz durchnäßtes Taschentuch hervor und begann sich wieder zu räuspern.
»Ich spreche ja von der Sache. Sie können es so ausrichten: Nikolai Apollonowitsch hat das Versprechen gegeben . . .«
»Talglicht ist ein sehr gutes Mittel gegen Schnupfen . . .«
»Richten Sie bitte alles aus, was ich Ihnen sagte: die Sache ist organisiert . . .«
»Du reibst abends die Nase ein — und am Morgen ist der Schnupfen verschwunden . . .«
»Ich sage nochmals, die Sache ist organisiert wie ein Uhrwerk . . .«
»Die Nase ist dann frei, du kannst wieder atmen . . .«
»Wie ein Uhrmechanismus! . . .«
»Ha?«
»Wie ein Uhr—mecha—nismus, zum Teufel.«
»Meine Ohren sind belegt, kann kaum hören.«
»Uhr—en—mech . . .«
»Apschi! . . .«
Das Taschentüchlein spazierte wieder unter die Warze: zwei Schatten verloren sich wieder in naßkaltem Grau. Bald tauchte der Schatten mit der Ohrenklappenmütze aus dem Nebel auf, blickte zerstreut auf die Spitze der Petropawlowschen Festung hinüber.
Und trat ins Restaurant ein.
Und dabei glänzte fettig sein Gesicht
Leser!
Du kennst das »Plötzlich«. Warum versteckst du dann wie der Vogel Strauß den Kopf in die Federn, wenn du das verhängnisreiche, unabwendbare »Plötzlich« nahen siehst?
Höre also . . . Dein »Plötzlich« schleicht hinter deinem Rücken; du fühlst dich sehr beunruhigt: im Rücken entsteht eine unangenehme Empfindung, als wälzte sich gegen ihn wie gegen eine offene Tür eine Schar Unsichtbarer; du wendest dich und bittest die Wirtin:
»Gnädige Frau, gestatten Sie, daß ich die Tür schließe; ich ertrag’s nicht, mit dem Rücken gegen eine offene Tür zu sitzen.«
Dein »Plötzlich« nährt sich vom Spiel deines Hirns; gern frißt es wie ein Hund die Gemeinheit deiner Gedanken; es schwillt an, du aber schmilzt dann wie ein Licht; sind deine Gedanken gemein und erfaßt dich ein Zittern, dann beginnt das »Plötzlich«, vollgefressen an allerhand Gemeinheit, wie ein gemästeter, unsichtbarer Köter