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sprossen aus der Kopfhaut und wurden im Abstand weniger Wochen von einem Rasierer in eine streichholzkurze Disziplin gezwungen. Die Frau ohne Taille bewegte sich mit einem überraschend federnden Schritt auf austrainierten Beinen. Graue Augen, die unter der breiten Stirn zu eng zusammenstanden, um sympathisch zu wirken, sprangen von einem Punkt zum anderen, verharrten für Augenblicke, als müssten sie der erfassten Situation die Absolution erteilen und wanderten weiter.

      Es waren Reptilienaugen, berechnend und lauernd. Wenn sie eine Unregelmäßigkeit entdeckt hatten, verbündeten sie sich mit dem bulligen Hals, der ansatzlos nach vorne ruckte und auf die Missetäterin wies. Einige der Frauen hätten geschworen, dass in solchen Augenblicken die Zunge aus dem dünnen Mund fuhr und in einer morbiden Vorfreude über die Lippen wischte. Nicht zu leugnen war, dass sich der Körper der Aufseherin zur Konfrontation bereit machte, sich straffte wie eine Sehne und sich mit dem grollenden Unterton der Verbalattacke als Vorhut in Bewegung setzte. Dieser Ablauf, den jede der Insassinnen zur Genüge kannte, hatten der Aufseherin den Beinamen ‚Bulldogge‘ eingebracht. Niemand in der Anstalt gebrauchte ihren bürgerlichen Namen und selbst die Direktorin hatte es sich nicht nehmen lassen, sich bei der letzten Weihnachtsfeier unter dem Gejohle der Inhaftierten bei ihrer leistungsfähigsten Kraft unter augenzwinkernder Verwendung ihres Spitznamens für ihre Verdienste um die Aufrechterhaltung der Disziplin in der Anstalt zu bedanken.

      Die Bulldogge hatte noch eine weitere Angewohnheit, die für die Betroffenen noch unangenehmere Auswirkungen hatte. In wenigen Ausnahmefällen nämlich verschenkte sie ihr Herz an eine ihrer Schutzbefohlenen. An jenem Bastelnachmittag hatte sie ihr Herz an Janina verschenkt.

      Die Daumen in den Gürtel gehakt, hatte sie sich an einen Pfeiler gelehnt. Der Flur glänzte und roch nach Schmierseife. Es war die Stunde vor dem Einschluss, die Stunde der Tauschgeschäfte und der Gerüchte. Die flammend roten Haare standen borstig von dem Schädel der Frau ab. Das Haargel hinterließ in allen Winkeln einen penetranten Geruch nach Kokos. Die Frauen senkten ihre Stimmen noch weiter herab. Heute Abend würde es noch eine Zellendurchsuchung geben. Die Begründungen waren immer die gleichen. Die Gefängnisleitung suchte nach Drogen und Waffen, Handys und allen anderen verbotenen Substanzen, die man in Körperöffnungen transportieren konnte. Vorboten der Durchsuchungen waren die lauernd zusammengekniffenen Augen der Bulldogge, die aus dem dicht gedrängten Schwarm der Frauen diejenigen aussonderte, die eine verräterische Körpersprache und eine Ausdünstung von Panik aufwiesen. Ohne ein Wort würde sie sie mit kalten Augen sezieren und das Versteck wittern, noch bevor sie die Matratze in der Zelle umgedreht und die Deckenlampe untersucht hatte.

      Bei der Sache mit Janina wählte sie die zweite Form der Annäherung. Sie löste sich von dem Pfeiler und umkreiste die Herde in immer engeren Ovalen wie ein nächtlicher Jäger. Sie wippte mit dem Unterleib und sog den Atem hörbar ein, sodass sich ihre Nasenflügel blähten. Der Blick glitt über die fast stummen Frauen, die ihre Zwistigkeiten vergaßen und so eng zusammenrückten, dass ihr loser Halbkreis zu einem Klumpen schrumpfte. Es war längst klar, wem die besondere Aufmerksamkeit der Bulldogge galt. Die schlanke Frau mit den roten Händen hatte bis zuletzt blaue Bänder an Strohhälse geknüpft und stand unvermittelt auf, um den Kreis zu verlassen. Alle Augen folgten ihr, als sie gemessenen Schrittes mit der Haltung einer geborenen Aristokratin zu ihrer Zelle ging. In einigem Abstand folgte die Rothaarige, als ob sie eine wertvolle Investition zu sichern habe.

      Das allgemeine Stimmengemurmel mündete in vereinzeltes hysterisches Gelächter, einige raue Zwischenrufe und dichten Zigarettenrauch. Die Erleichterung reichte bis zur Zelle der großen Frau und prallte von der breitbeinig dastehenden Aufseherin ab. Zu der Rothaarigen hatte sich eine mausgraue Existenz in Uniform gesellt, die eilfertig die Augen ihrer Vorgesetzten nach Befehlen absuchte und bei dem Wort: „Zellenkontrolle“, sogleich missbilligend und mit der Zunge schnalzend den Kopf schüttelte, als käme die Routinemaßnahme einer sofortigen Verurteilung gleich. Die Mausgraue entfernte auf einen Fingerzeig hin ein Poster eines männlichen Filmstars von der Wand. Ein Stapel Briefe fiel zu Boden. Die karge Möblierung wurde in die Zellenmitte gerückt und die Aufseherinnen betasteten Nähte, strichen prüfend über Kanten und überprüften die Toilette.

      Das Zungenschnalzen der Mausgrauen nahm an Lautstärke zu, als sich in einem Teebeutel eine Substanz fand, die kein Tee zu sein schien. Die große Frau blieb mit gesenktem Kopf stehen und äußerte sich nicht zu dem Beweisstück, das vor ihren Augen baumelte. Es war ein vielfach verwendeter Taschenspielertrick, der immer dann zum Einsatz kam, wenn eine Durchsuchung nur magere Ergebnisse erbrachte. Alles würde in dem Protokoll stehen, das man ihr vorlegte. Alles würde Teil ihrer Akte werden, die dem Bewährungsausschuss mit einer negativen Stellungnahme der Anstaltsleitung zur Verfügung stand. Alles das konnte geschehen oder etwas völlig anderes, denn man würde ihr einen Vorschlag machen, wie sie das selbst verschuldete Unheil von sich abwenden könnte. Man würde testen, ob sich mit ihr vernünftig reden ließe und ob sie zu Gefälligkeiten bereit sei, wenn man ihr entgegen komme.

      Das Gesicht der Mausgrauen sprach Bände. Die schwere Hand der Rothaarigen war anerkennend auf ihre magere Schulter gefallen und komplimentierte sie aus der Zelle. Die Zunge der Bulldogge leckte über ihre Lippen. Es war Zeit, den ersten Teil der Gefallen einzufordern.

      Aus einem Gebräu von Andeutungen und aufgeregt vorgetragenen Zweideutigkeiten glaubte der Todesengel zu wissen, was auf ihn zukam. Die Insassin wog die Optionen ab und versuchte die Rationalität am Abgrund ihres Verstandes in ihrem Kopf zu verankern, der ein unkontrolliertes Gewitter unterschiedlichster Empfindungen in ihr auslöste und den Körper mit Herzklopfen, schweißnassen Gliedmaßen und einem Krampfen in der Magengegend traktierte, das ihr die Luft abschnürte und sie in Panik versetzte. Nur mühsam entsann sie sich der bewährten Atemtechniken und zwang sich, die schweren Schritte der Aufseherin zu ignorieren, die beständig um sie herum führten.

      Die Frau hielt die Augen geschlossen und atmete. Sie war nicht überrascht, als ein kalter Gegenstand ihr Kinn berührte und es anhob. Die unverwechselbar raue Stimme forderte sie auf, die Augen zu öffnen. Stoff raschelte. Das grelle Deckenlicht bohrte sich nicht mehr in ihre Lider. Zwei flache Brüste schoben sich in ihr Gesichtsfeld. Sie schienen nur eine lose Beziehung zu dem breiten Brustkorb zu bilden, der sich im Rhythmus der schnellen Atemzüge hob und senkte. Das maliziöse Lächeln der Rothaarigen verscheuchte die Gedanken aus dem Gesicht der gebeugt sitzenden Frau und übernahm die Vorherrschaft. Die Frau folgte dem Druck unter ihrem Kinn. Eine Hand tastete nach ihren Händen. Sie ließ es geschehen. Die Ärmel der Uniformbluse baumelten wie machtlose Fetische von der Deckenleuchte und verloren sich im Halbdunkel.

      Die Rothaarige besaß Routine. Sie ignorierte den Widerwillen in der Haltung ihrer Partnerin und korrigierte deren Ungeschicklichkeiten mit lenkenden Eingriffen. Ihre Hände und Knie zwangen Gliedmaßen in die richtige Position und ihr massiger Körper befriedete erobertes Terrain. Den meisten Nutzen verschaffte ihr allerdings ihre Stimme, die in einem eindringlichen Flüstern die Gedankenarbeit für beide übernahm, denn sie waren ein Team, das niemand auseinanderbringen sollte. Die Stimme versicherte, dass die Behandlung die Frau zu etwas Besonderem machen würde.

      „Ab jetzt gehörst du mir“, sagte die Stimme mit einem Keuchen. Sie sagte es, als ob die Frau in das Eigentum der anderen übergehen würde. Die Augen der Liegenden öffneten sich weit und sahen die Umrisse der Wand hinter den stacheligen Spitzen der roten Haare. Der Gestank nach süßlichem Kokosaroma war überwältigend. Der Mund der anderen strich über ihren Hals. Die Lider über den inquisitorischen Augen hatten sich geschlossen. Weiches Fleisch berührte die Wangen der Frau. Ein Entkommen war unmöglich. Die undeutlichen Worte aus dem schmalen Mund dirigierten sie, erzählten mit einem hämischen Unterton von den Gepflogenheiten in den früheren Weiberzuchthäusern mit ihren verlausten Schlafkatakomben und dem kniehohen Brackwasser in den Zellen, um gleich darauf ungeahnte Vergünstigungen in Aussicht zu stellen.

      Die Schenkel der Frau hatten sich geteilt, um einem Knie Platz zu machen, das mit übermütigen Stößen um Zugang ersuchte. Die Beine der Rothaarigen waren verspielt wie junge Fohlen. Ihre Stimme wurde tiefer und verlor die Rauheit. Samtene Versprechen strichen über die Hüften der halb entkleideten Frau. Kräftige Finger hoben ihr Becken an. Arme wie Schraubstöcke wanden ihre Hände unter ihrem Körper hervor, wo sie sich versteckt hielten und zeigten ihnen mit Nachdruck, was zu tun war. Eine beschäftigte Zunge hielt in ihren Bemühungen

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