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– beim Reichskanzler mit: »Wir legten alles vertrauensvoll in seine Hand. Der Herr Reichskanzler war mit diesen Ausführungen offenbar einverstanden und erklärte, dass er die Unabhängigkeit der Richter aufrechterhalten werde, wenn auch gewisse Maßnahmen notwendig seien. Wir dürfen also damit rechnen, dass die im Gesetz über das Berufsbeamtentum niedergelegten Bestimmungen sobald als möglich wieder in Wegfall kommen.«109

      Diese devoten Worte waren schon das Äußerste an Kritik, die sich der Richterbund an der Entlassung seiner zahlreichen jüdischen Mitglieder – allein in Preußen waren es 643 – erlaubte. Über die Entlassung der sozialdemokratischen Richter war man eher erfreut, und das Verbot des Republikanischen Richterbundes wurde in der Richterschaft mit großer Genugtuung aufgenommen. Ohnehin war es in den 14 republikanischen Jahren nur sehr wenigen Sozialdemokraten gelungen, in der Justiz Fuß zu fassen oder gar Karriere zu machen. Von den 122 Richtern beim Reichsgericht war ein einziger – Reichsgerichtsrat Dr. Herrmann Grossmann – Sozialdemokrat, und er war auch das einzige Mitglied dieses Gerichts, das wegen politischer Unzuverlässigkeit im April 1933 entlassen wurde.110

      Während das Präsidium des Deutschen Richterbundes noch taktierend versuchte, durch Annäherung an die neuen Machthaber die Eigenständigkeit des Verbandes zu bewahren, forderte sein weitaus größter Landesverband, der Verein Preußischer Richter und Staatsanwälte, bereits am 21. April 1933 seine Mitglieder auf, »sich in die gemeinsame Kampffront Adolf Hitlers einzugliedern und sich dem Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen anzuschließen, denn nur unbedingte Geschlossenheit ist die Vorbedingung für ein Obsiegen in unserem Kampf«.111 Das Präsidium zögerte zwar noch, aber immer mehr Landesverbände folgten dem preußischen Beispiel. Der Oldenburgische Richterverein löste sich am 29. April selbst auf, der Vorstand des Richtervereins beim Reichsgericht trat am 10. Mai »zum Zwecke der Gleichschaltung« zurück, und am 21. Mai stellte sich der Verein Sächsischer Richter und Staatsanwälte in Chemnitz »freudig und pflichtgetreu unter die Führung des Volkskanzlers Adolf Hitler«.112 Da erklärte schließlich auch der Vorstand des Richterbundes am 23. Mai in einem Telegramm an den »Reichsjuristenführer« Hans Frank »für sich und die ihm angeschlossenen Landesvereine seinen korporativen Eintritt in den Nationalsozialistischen Juristenbund und unterstellt[e] sich der Führung des Herrn Reichskanzlers Adolf Hitler«.113

      Dass dieses Patronat auch für die Arbeit am Recht nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfe, beteuerte der Richterbund bereits zwei Wochen später in einer Entschließung seiner Vertreterversammlung: »Der Deutsche Richterbund sieht seine Hauptaufgabe ... in der Mitwirkung des gesamten Richtertums an der Neugestaltung des deutschen Rechts ... Frei von Fesseln, entsprechend dem germanischen Richterideal, muss der Richter jeder Vergewerkschaftung und Verfachschaftung entzogen bleiben.«114 Solange die Zeitschrift des Richterbundes, die Deutsche Richterzeitung, noch existierte – sie wurde später in die regierungsamtliche Deutsche Justiz überführt –, war sie nun Forum für Vorschläge der Richterschaft zur Neugestaltung der Rechtsordnung. Reichsgerichtsrat Erich Schultze zum Beispiel plädierte hier bereits 1933 für die scharfe Bestrafung von »Rasseverrat ..., d. i. kurz gesagt die Vermischung eines Deutschen mit Angehörigen bestimmter gesetzlich bezeichneter Rassen«.115 Als deutliches Zeichen der vollendeten Gleichschaltung schworen schließlich im Oktober 1933 anlässlich des ersten Juristentages nach Hitlers Machtergreifung auf einer imposanten Massenkundgebung vor dem Reichsgericht in Leipzig über 10.000 Juristen mit erhobenem rechten Arm, »bei der Seele des deutschen Volkes, dass [sie] unserem Führer auf seinem Wege als deutsche Juristen folgen wollen bis an das Ende unserer Tage«.116

      Zwar hatten zu den »alten Kämpfern« der nationalsozialistischen Bewegung auch einige Juristen gezählt – unter den am 9. November 1923 beim Marsch auf die Feldherrnhalle gefallenen »Blutzeugen der Bewegung« war sogar ein Rat am Bayerischen Obersten Landesgericht, und ein anderer Rat dieses Gerichts gehörte in dem nachfolgenden Prozess zu Hitlers Mitangeklagten –, aber insgesamt war dieser Berufsstand in der NS-Bewegung eher unterrepräsentiert.

      Auch unter den Karrierejuristen des Dritten Reiches findet man nur eine Handvoll »alter« Nationalsozialisten: den Gerichtsassessor Dr. Werner Best, Verfasser der »Boxheimer Dokumente«, ab 1933 Justitiar der Gestapo und im Kriege Reichsbevollmächtigter in Dänemark; Hans Frank, Rechtsanwalt, »Reichsrechtsführer«, 1934 Reichsminister ohne Geschäftsbereich, Präsident der Akademie für Deutsches Recht und ab 1939 Generalgouverneur in Polen; Roland Freisler, Rechtsanwalt, 1933 Staatssekretär im preußischen Justizministerium, 1934 im Reichsjustizministerium und ab 1942 Präsident des Volksgerichtshofes; Hans Kerrl, 1933/34 preußischer Justizminister und danach bis zu seinem Tode 1941 Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten; und Otto Thierack, Staatsanwalt, 1933 Justizminister in Sachsen, dann Vizepräsident des Reichsgerichts, 1936 Präsident des Volksgerichtshofes und von 1942 an Reichsjustizminister.

      Die Justiz blieb auch im Dritten Reich eine Domäne der (früheren) Deutschnationalen. Freisler und Thierack waren die einzigen hochkarätigen Nazis, die eine Spitzenstellung in der Justiz erreichten. Alle anderen hohen Justizfunktionäre, der 1941 verstorbene Reichsjustizminister Gürtner, sein Staatssekretär Schlegelberger, Reichsgerichtspräsident Bumke und der oberste Ankläger, Oberreichsanwalt Werner, kamen aus der Deutsch­nationalen Volkspartei oder waren ihr mindestens nahegestanden. Sie hatten auch sämtlich ihre hohen Ämter schon in republikanischen Zeiten erreicht. Das Dritte Reich hat sie nur übernommen, und sie verkörperten ein Stück Justizkontinuität vom Kaiserreich über die Weimarer Republik hinweg bis in den Führerstaat. Mag ihr Verhalten in jenen 12 Jahren auch vielfach opportunistisch motiviert gewesen sein, so scheidet doch Karrierestreben als Motiv für ihre Handlungen aus, ihre Karrieren hatten sie ja, wie gesagt, schon vorher gemacht.

       Der höchste Richter

      Erwin Konrad Eduard Bumke wurde als Sohn vermögender Eltern – sein Vater war Arzt – am 7. Juli 1874 im pommerschen Stolp geboren. Nach Abitur, Studium, Doktorprüfung, Referendar- und Assessorenzeit bekam er 1905 eine Stelle als Landrichter in Essen.

      Da er intelligent, strebsam, finanziell unabhängig und zudem streng konservativ in seinen politischen Einstellungen war, machte Bumke schnell Karriere. Bereits 1907 wurde er kommissarischer Hilfsarbeiter beim Reichsjustizamt – wie das Reichsjustizministerium damals hieß –, und schon 1909 ernannte man ihn dort zum Geheimen Regierungsrat. Nach der Teilnahme am Weltkrieg – letzter Dienstgrad: Hauptmann der Landwehr – wurde er 1920 zum Ministerialdirektor und Abteilungsleiter im nunmehr demokratisch geführten Reichsjustizministerium befördert. In dieser Funktion formulierte er mehrere Notverordnungen, die tief in die deutsche Rechtsordnung eingriffen und, wie Kritiker meinten, zumindest das Strafprozessrecht in voraufklärerische Zeiten zurückwarfen. Nachdem der Reichsgerichtspräsident Simons 1929 vorzeitig aus dem Amt geschieden war, berief man Bumke zu seinem Nachfolger. Gleichzeitig wurde er Präsident des 3. Strafsenats dieses Gerichts, Präsident der Vereinigten Senate und Vorsitzender des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich.117 Durch die schleppende Behandlung der Klage der sozialdemokratischen Regierung des Landes Preußen gegen ihre Absetzung durch den Reichskanzler von Papen am 20. Juli 1932, den sogenannten Preußenschlag, und mit dem skandalösen Urteil, in dem er diesen Staatsstreich im Großen und Ganzen für rechtens erklärte, schuf der Staatsgerichtshof unter Bumkes Vorsitz eine günstige Voraussetzung für die nationalsozialistische Machtergreifung: Als Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde und Hermann Göring zum kommissarischen preußischen Innenminister machte, war die preußische Polizei, jener so wichtige Machtfaktor der Weimarer Republik, wie erwähnt schon weitgehend von demokratischen Elementen »gesäubert« und auf die kommenden innenpolitischen Auseinandersetzungen vorbereitet.

      Im Dezember 1932 avancierte der Reichsgerichtspräsident sogar zum Stellvertreter des Reichspräsidenten und damit – zumindest nach dem Protokoll – zum zweiten Mann im Staate. Als dann nach der Machtergreifung der Nazi-Terror zur Ausschaltung der politischen Opposition immer brutaler wurde, soll Bumke »aufs schwerste bedrückt« gewesen sein und insgeheim auch an Rücktritt gedacht haben.118 Zu einer öffentlichen Distanzierung hat sein Unwille jedoch nicht gereicht. Dabei war er keineswegs der Mann, der jede Maßnahme ohne Protest hinnahm. In einem Brief an die Reichskanzlei hatte er sogar einmal

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