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verbunden sein soll, die seinen Niedergang bedeutet.« Bumkes Auflehnung richtete sich aber nicht gegen die Entlassung der jüdischen Richterkollegen, die Gleichschaltung der Justiz oder die Ermordung der Regimegegner; der Brief wurde auch nicht 1933 geschrieben, sondern bereits im Januar 1932 – als Protest gegen Pläne, den Reichsrichtern im Rahmen der Brüning‘schen Sparmaßnahmen die extrem hohen Pensionen auf maximal 12.000 Mark zu kürzen. Für Bumke war es damals »fast eine Unmöglichkeit, der obers­te Richter eines Staatswesens zu bleiben, das sich vom Rechtsgedanken so weit entfernt, wie dies mit der Annahme des Pensionskürzungsgesetzes geschehen würde«.119

      Nachdem im Dritten Reich »Ruhe und Ordnung« eingekehrt waren, in der Phase der Konsolidierung nationalsozialistischer Herrschaft, trat das ehemalige Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei 1937 der NSDAP bei. Bereits ein Jahr später wurde ihm das goldene Parteiabzeichen verliehen. Bumke genoss in so hohem Maße das Vertrauen Hitlers, dass er nicht nur zusätzlich Vorsitzender des Besonderen Senats (des »Führers Gerichtshof«, wie dieser sich stolz nannte), der über die im Namen des Diktators erhobenen »außerordentlichen Einsprüche« gegen alle Strafurteile zu entscheiden hatte, fungieren durfte; aufgrund eines Führererlasses vom 4. Juli 1939 wurde er mit der Vollendung seines 65. Lebensjahres auch nicht pensioniert, sondern zunächst für drei Jahre. und selbst nach Ablauf dieser Frist weiterhin im Amt belassen. Dieses Vertrauens erwies sich der Reichsgerichtspräsident – wie noch zu zeigen sein wird – in jeder Hinsicht würdig: bei der extremen Auslegung des sogenannten Blutschutzgesetzes wie bei der »Korrektur« rechtskräftiger Urteile und in der Sitzung der Spitzen der deutschen Justiz zur Besprechung der Modalitäten der Massenmorde an Behinderten. Am 20. April 1945, beim Einmarsch der amerikanischen Armee in Leipzig, schied Reichsgerichtspräsident Dr. Dr. h. c. Erwin Bumke freiwillig aus dem Leben.

       Der Staatsdenker

      Carl Schmitt wurde am 11. Juli 1888 im sauerländischen Plettenberg als Sohn eines Kaufmanns geboren. Nachdem er in Berlin, München und Straßburg Rechts- und Staatswissenschaften unter anderem bei Max Weber studiert hatte, promovierte er 1910 an der Universität Straßburg mit einem strafrechtlichen Thema, habilitierte sich 1916 – ebenfalls in Straßburg – und wurde 1921 ordentlicher Professor für Öffentliches Recht zunächst an der Universität Greifswald, 1922 in Bonn und 1926 an der Handelshochschule Berlin. Seine Berufung an die Universität Köln Anfang 1933 war ganz wesentlich von seinem jüdischen Kollegen und Antipoden im staatstheoretischen Denken, Hans Kelsen, gefördert worden, bei dessen Vertreibung aus dem Lehramt Schmitt wenig später die Führerschaft übernahm.120 Nach dem schon oben angeführten Staatsstreich des Reichskanzlers von Papen gegen die sozialdemokratische Regierung Preußens im Juli 1932, gegen den die preußische Regierung vor dem Staatsgerichtshof des Deutschen Reichs klagte, wurde er von der Reichsregierung mit der Prozessführung beauftragt, und für Papens Nachfolger, General von Schleicher, war Schmitt sogar ein enger politischer Freund und Berater. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten holte ihn der in Preußen allmächtige Göring an die Universität Berlin und ernannte ihn zum preußischen Staatsrat. Schmitt kehrte seinen konservativen Freunden und Förderern den Rü­cken, trat am 1. Mai 1933, gerade noch rechtzeitig vor der mehrjährigen Aufnahmesperre, der NSDAP bei und avancierte rasch zum führenden Staatsdenker des Nazi-Reichs. In einem treffenden Psychogramm des Professors kommentierte der Schriftsteller Ernst Niekisch diesen Schritt: »Kaum hatte es Hitler geschafft, war auch Schmitt soweit: so rechtzeitig schlüpfte er noch durch die Tore des Dritten Reiches, dass er nicht übersehen werden konnte, als dieses einen Kronjuristen brauchte. In einer erstaunlichen Weise war Schmitt der politischen Realität immer gerade um eine Nasenlänge voraus. Infolgedessen war er der geistige Quartiermacher, der sich durch seine Vorsorge und Umsicht die Dankbarkeit jedes einzelnen Stadiums der großen bürgerlichen Restaurationsbewegung erwarb und der sich dabei selbst jedesmal vorteilhaft plazieren konnte.«121

      Als Leiter der »Reichsfachgruppe Hochschullehrer« des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes, Herausgeber verschiedener Fachzeitschriften und juristischer Schriftenreihen, vor allem aber als Lehrer der bedeutenden nationalsozialistischen Staatsrechtsprofessoren Ernst Forsthoff, Ernst Rudolf Huber und Theodor Maunz war er der Vordenker der »neuen« Staatsrechtslehre.

      Freilich konnte Schmitt seine Vergangenheit nicht ganz abschütteln. Dass er in republikanischen Zeiten mit jüdischen Gelehrten engen Kontakt gehabt hatte – nicht nur unter seinen Förderern, auch unter seinen Schülern waren Juden gewesen –, haben ihm radikale Parteikreise nie verziehen. Wegen seiner katholischen und »reaktionären« Vergangenheit als Berater der Reichskanzler Brüning und von Schleicher war der wendige Professor vor allem der SS und ihrer Zeitung Das Schwarze Korps immer unheimlich gewesen. Die gleichgeschaltete Ausgabe des Großen Brockhaus von 1942 rügte an dem Staatsrat, seine Schriften seien »nicht immer frei von Widersprüchen; auch fällt ein häufiger Wechsel des Standortes auf, so dass der Vorwurf ›Situationsjurisprudenz‹ erhoben wurde«. Immerhin anerkennt diese offiziöse Stellungnahme »das Verdienst Schmitts, mit den Mitteln seiner Darstellung zur Auflösung und Zerstörung überalterter, nicht brauchbarer Systeme beigetragen zu haben«.

      Das konnte ihm niemand streitig machen. Carl Schmitt war schon immer der antidemokratische, konservative Staatsrechtler par excellence gewesen, was seine wissenschaftliche Karriere vor und während sowie seinen starken Einfluss auch nach der Zeit des Dritten Reichs erklärt.

      Seine hemmungslose Anpassungssucht riss den von Gegnern und Bewunderern stets als »geistreich« Gerühmten allerdings während der Nazi-Zeit zu einer Fülle niveauloser Peinlichkeiten hin. Als moralischer Tiefpunkt deutscher Rechtswissenschaft wird bisweilen seine unter dem Titel Der Führer schützt das Recht122 verfasste juristische und moralische Rechtfertigung der Mordaktion vom 30. Juni bis 2. Juli 1934 nach dem sogenannten »Röhm-Putsch« angesehen. Die Würdelosigkeit dieser Anbiederung an die Mörder wog um so schwerer, als sich unter den Ermordeten sein einstiger Freund und Gönner Kurt von Schleicher und dessen Ehefrau befanden.

      Die Ausbürgerung einer Vielzahl Intellektueller und die Verbrennung ihrer Bücher kommentierte Schmitt mit den Worten: »Auf jene deutschen Intellektuellen aber wollen wir verzichten ... Aus Deutschland sind sie ausgespien für alle Zeiten.«123

      Fast noch peinlicher waren seine zahlreichen antisemitischen Ausfälle. Bereits 1933 schrieb Schmitt in Staat, Bewegung, Volk, seiner Verbeugungsschrift vor dem Nationalsozialismus: »Ein Artfremder mag sich noch so kritisch gebärden und noch so scharfsinnig bemühen, mag Bücher lesen und Bücher schreiben, er denkt und versteht anders, weil er anders geartet ist, und bleibt in jedem entscheidenden Gedanken in den existentiellen Bedingungen seiner Art.«124 Auf dem 1936 von ihm organisierten Fachkongress »Das Judentum in Rechts- und Wirtschaftswissenschaft« präzisierte er dann: »Der Jude hat zu unserer geistigen Arbeit eine parasitäre, eine taktische und händlerische Beziehung ... Mit großer Findigkeit und schneller Witterung weiß er das Rechte zu treffen. Das ist sein Instinkt als Parasit und echter Händler.«125 Auf den Einwand aus der Zuhörerschaft, der jüdische Rechtslehrer Friedrich Julius Stahl, einer der Führer der preußischen Hochkonservativen und der maßgebliche antidemokratische Staatsdenker des 19. Jahrhunderts, geistiger Ahnherr der Schmitt‘schen Lehren, habe doch seine Verdienste um die deutsche Rechtswissenschaft, entgegnete Schmitt: »Wenn immer wieder betont wird, dieser Mann sei subjektiv ehrlich gewesen, so mag das sein, doch muss ich hinzufügen, dass ich nicht in die Seele dieses Juden schauen kann und dass wir überhaupt zu dem innersten Wesen der Juden keinen Zugang haben. Wir kennen nur ihr Missverhältnis zu unserer Art. Wer diese Wahrheit einmal begriffen hat, weiß auch, was Rasse ist.«126 Der »Staatsrechtler des neuen Reiches«, wie Schmitt sich gern nennen ließ,127 hatte die Zusammenhänge zwischen Geist und Rasse wie kaum ein zweiter erfasst. In der Eröffnungsrede zu dem erwähnten Kongress verwahrte er sich entschieden dagegen, »dass jüdische Emigranten den großartigen Kampf des Gauleiters Julius Streicher als etwas Ungeistiges« abqualifizierten.128 Als Schmitt 1936 in milde Ungnade gefallen war und seine Spitzenfunktion im NS-Rechtswahrerbund verloren hatte, wandte er sich – auch in wissenschaftlicher Thematik opportunistisch – vom Staatsrecht, dem rechtlichen Pendant der Innenpolitik, ab und dem Völkerrecht, dem Recht der Außenpolitik, zu. Bis 1945

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