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Didaktik geraten Lernaufgaben als Träger von schülerorientierten Lerngelegenheiten in den Fokus (Reusser 2016, S. 46; Diesbergen 2012, S. 46). ‘Gute’ Lernaufgaben, so gemäss einer Reihe von empirischen Untersuchungen, weisen Qualitätsmerkmale aus, die sich an die Grundideen der konstruktivistische Lern-Lehrtheorien anlehnen (Diesbergen 2012, S. 57). Solche Merkmale sind zum Beispiel die Ermöglichung einer hohen Eigenaktivität, individueller Lernzugänge, Gelegenheiten der Reflexion oder der sozialen Interaktion. Dieses letztere Qualitätsmerkmal verdeutlicht, dass im Zusammenhang mit Lernaufgaben der sozial-konstruktivistische Ansatz besonders passend erscheint1.

      Ausgehend der Vorstellung, dass alles Wissen konstruiert wird und Lernen als aktiver Prozess der Ko-Konstruktion in einem sozialen Austausch verstanden wird, können Lehrpersonen das Lernen nicht erzeugen, sondern nur initiieren (Terhart 2009, S. 20). Auch wenn Lehrpersonen ihren Schüler*innen die geistigen Konstruktionsprozesse nicht abnehmen können, spielen sie trotzdem Schlüsselfiguren in der Begleitung der Lernprozesse. Denn angesichts ihres Wissensvorsprungs initiieren und modellieren sie Zugänge zu Wissen und Können (Reusser 2016, S. 46), damit die Lernenden ihren Lernprozess aktiv und selbstständig vollziehen können. Weil jedes Kind anders lernt, verläuft der Aufbau von Wissen und Können entsprechend bei jedem Lernenden individuell. Die Forderung nach Individualisierung ist somit stark vom Leitgedanken des Konstruktivismus geprägt (Criblez 2016, S. 34). Individuelles Lernen gelingt gemäss dem sozial-konstruktivistischen Verständnis mit Hilfe eines kompetenten Interaktionspartners, der durch kooperative Dialoge, geleitetes Herbeiführen oder interaktives Aushandeln den Wissensaufbau in Vygotskys ‘Zone der nächsten Entwicklung’ massgeblich unterstützt (Vygotsky 1978, S. 90). Seine sozio-kulturelle Theorie bildet deshalb die Grundlage für die individuelle Lernbegleitung, die später unter dem Namen Scaffolding bekannt wurde (Hasselhorn & Gold 2013, S. 305) und welches für die vorliegende Arbeit von eminenter Bedeutung ist (siehe Kapitel 3.6).

      In diesem Abschnitt wurde aufgezeigt, dass sich in der Lehr-Lerntheorie des sozialen Konstruktivismus die dieser Arbeit zugrundeliegenden elementaren Themen wie die Relevanz von Lernaufgaben, der Anspruch nach Individualisierung und die damit verbundene Notwendigkeit von Scaffolding verorten lassen. Diese didaktischen Elemente werden in den nächsten Kapiteln genauer thematisiert. Insgesamt versuchen alle nachfolgenden Kapitel dieser hier dargestellten Gesamtsicht von Lehren und Lernen gerecht zu werden. In einem nächsten Schritt werden nun die hier erarbeiteten Grundlagen von Lehren und Lernen in den Kontext des bilingualen Lernens übergeführt.

      3.2 CLIL-Didaktik

      Es lohnt sich an dieser Stelle aufzuzeigen, wie sich die methodisch-didaktischen Ansätze im CLIL-Unterricht in den letzten vierzig Jahren gewandelt haben. Historisch betrachtet war der bilinguale Unterricht stets mehr von Interesse für die Fremdsprachenlehrpersonen als jener der Sachfachlehrpersonen (Vollmer 2013, S. 124). CLIL wurde in den Anfängen als erweiterter Sprachunterricht im Sinne einer Erhöhung der ‘exposure time’ betrachtet, indem zusätzlich zum Fremdsprachenunterricht in einem anderen Fachbereich Inhalte in der Zielsprache vermittelt wurden. Stark geprägt von der damaligen ‘input-based’ Sprachlerntheorie (z. B. Krashen 1987, S. 20ff), lag der Fokus in den Anfängen auf dem Beibringen von Fachtermini und auf dem Zuhören von Lehrvorträgen (Wolff 2016, S. 28–30). Diese eher einseitige Fokussierung auf die rezeptiven Sprachkompetenzen verursacht durch die hauptsächlich lehrzentrierten Unterrichtsarrangements stiess vermehrt auf Kritik, denn dies widersprach der zunehmenden Forderung nach einem modernen kommunikativen Fremdsprachenunterricht. In den Neunzigerjahren veranlasste Swains ‘output hypothesis’ (1993, S. 159) ein Umdenken in der Fremdsprachendidaktik. Seine Theorie bekräftigte, dass neben einem verständlichen Input auch der aktive Sprachgebrauch für den Erwerb einer Fremdsprache von Notwendigkeit ist. Daher versucht man seither im CLIL-Unterricht vermehrt die Inhalte des Sachfaches in die Spracharbeit zu integrieren, damit sich Lernende aktiv mit den beiden Fachinhalten auseinandersetzen können. Seit der Jahrtausendwende wird somit bilingualer Unterricht auch aus dem Blickwinkel des Sachfaches betrachtet. Denn dank den empirischen Untersuchungen in den letzten Jahren wurden auch Skeptiker überzeugt, dass CLIL nicht nur einen Mehrwert für das fremdsprachliche, sondern auch sachfachliche Lernen ausweist (siehe Kapitel 2.2). Die Sachfachinhalte stehen heutzutage immer mehr gleichberechtigt neben der Spracharbeit (Wolff 2016, S. 30–31). Folglich geht man davon aus, dass Sprache in der Anwendung gelernt wird und deshalb Sprache und Sachfach nicht trennbar sind sondern gleichzeitig gelernt und gelehrt werden müssen (Leisen 2015b, S. 225).

      Welchen Einfluss diese Entwicklung auf die moderne CLIL-Didaktik hat, wird nachfolgend beleuchtet. Jedoch bereits vorweg: Die CLIL-Didaktik gibt es nicht. Stattdessen treffen im bilingualen Unterricht drei Didaktiken aufeinander: die Fachdidaktik das Sachfaches, die Fremdsprachendidaktik und die Sprachlerndidaktik (Leisen 2015a, S. 46). Während die ersten beiden Didaktiken die logische Tatsache betonen, dass die CLIL-Methodik von den jeweilig beteiligten Fächern abhängt, vertritt die Dritte den Grundsatz, dass jeder Unterricht zugleich Sprachunterricht ist. Damit ist gemeint, dass sich die Kommunikation im Alltag und die Bildungssprache im Unterricht unterscheiden. Letztere muss folglich im fachspezifischen Unterricht immer auf ‘sprachsensible’ Weise mit den Lernenden aufgebaut werden (Leisen 2017, S. 1).

      Eine passende CLIL-Didaktik muss somit immer für den spezifischen Kontext erarbeitet werden – was im Umfang dieses Hauptkapitels auch erreicht werden soll. Zunächst werden jedoch zwei wesentliche methodisch-didaktische Herausforderungen mitsamt möglichen Lösungsansätzen aufgezeigt, die für die spätere Entwicklung einer passenden CLIL-Didaktik mitberücksichtigt werden müssen.

      Erstens, wie bereits im Kapitel 2.2 erwähnt, gibt es Annahmen, dass der CLIL-Unterricht aus methodisch-didaktischer Sicht besonders sorgfältig geplant sowie besser strukturiert ist (Bonnet 2016, S. 42). Eine solche optimierte Didaktik wird mitunter als Grund angesehen, wieso das Lernen im CLIL-Unterricht trotz erhöhter Anforderungen gelingt. Die an Schweizer Primar- und Sekundarschulen durchgeführte Studie von Badertscher und Bieri (2009) kommt jedoch zum ernüchternden Ergebnis, dass sich die didaktische Grobstruktur der je zehn untersuchten Lektionen durchgeführt in der Schulsprache jenen zehn Lektionen durchgeführt in der Zielsprach stark ähneln. Das Lehrgespräch nimmt in allen Lektionen, unabhängig der Instruktionssprache, den grössten Anteil ein und steht in einem 2:1 Verhältnis zu den schülerzentrierten Sequenzen. Die CLIL-Lektionen geben den Schüler*innen gemäss dieser Studie gleich viel oder wenig Handlungsspielraum und Interaktionszeit wie jene non-bilingual durchgeführten Unterrichtsstunden (Badertscher & Bieri 2009, S. 123). Auch andere Untersuchungen zeigen, dass der Wechsel vom rezeptiv- und lehrorientierten Unterrichtssetting hin zu mehr lern- als auch output-orientierten CLIL-Unterricht erst ansatzweise gelingt (Dalton-Puffer 2007, S. 261; Nikula et al. 2013, S. 86). Diese Resultate lassen vermuten, dass der CLIL-Unterricht didaktisch weder innovativ geplant noch optimal durchgeführt wird. Stattdessen neigt er dazu stark lehrerzentriert zu verlaufen und gibt den Lernenden nur begrenzt Möglichkeiten eigene Sprachhandlungen auszuführen (Schwab et al. 2012, S. 8).1 In lehrzentrierten Settings sind die Lernenden im rezeptiven Bereich gefordert, zum Beispiel im Verstehen von Inputs, Texten und Lehrerfragen. Die produktiven Handlungen sind jedoch auf die Beantwortung von Lehrfragen beschränkt, welche sich oft mit einem Wort oder einer kurzen Aussage beantworten lassen (Badertscher & Bieri 2009, S. 193; Stebler & Stotz 2004, S. 21). Eine wichtige Grundvoraussetzung für die Umsetzung von innovativem CLIL-Unterricht ist somit eine ausgewogene Balance von lehr-zentrierten und schüler-orientierten Lernsequenzen, in denen in gleicherweise rezeptive als auch produktive Sprachkompetenzen aufgebaut werden können. Gruppenarbeiten werden in diesem Zusammenhang als eine vielversprechende Möglichkeit angesehen, um den Lernenden vielfältige Gelegenheiten für die Sprachverwendung zu ermöglichen (vgl. Nikula et al. 2013, S. 90).

      Zweitens, damit die angestrebte Fusion von fremdsprachlichem und inhaltlichem Lernen gelingen kann, braucht es im CLIL-Unterricht Lernumgebungen, die eine im Sinne des konstruktivistischen Lernens eine echte Auseinandersetzung mit Sprache und Inhalt zulassen. Um dabei der grossen Heterogenität gerecht zu werden, müssten diese Lernmomente differenziert und eigenaktiv vollzogen werden können. Jedoch ist insbesondere mit Sprachanfängern auf der Primarstufe die Durchführung von konstruktivistisch geprägten, eigenständigen Unterrichtsformaten besonders anspruchsvoll. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass die Lernenden

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