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      2.5.1 Empirische Befunde

      Drei qualitative Untersuchungen (Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003) und eine gut dokumentierte Unterrichtsreihe (Knorr & Teske 2010), die allesamt in Deutschland den Kunst-/Zeichnungsunterricht in Kombination mit Englisch oder Französisch in Primar- oder Sekundarschulklassen ergründeten, beschreiben die Eignung des Fachbereichs BG für die Umsetzung von CLIL-Unterricht vielperspektivisch.

      Bechler (2014) begleitete wissenschaftlich die Durchführung von zwei CLIL-Modulen im Fächerverbund ‘Mensch, Natur und Kultur’, in dem ‘Bildende Kunst’ untergebracht ist. Auch wenn sie Grenzen des bilingualen Lernens für Sprachanfänger der zweiten und dritten Primarschulklasse in Verbindung mit dem Vermitteln von anspruchsvollen Inhalten beschreibt, ergaben sich bei ihrer qualitativen Untersuchung eine Reihe von positiven Erkenntnissen. So konnten die Lernenden dem Unterricht auf Englisch gut folgen und waren motiviert als auch bemüht trotz limitierenden Sprachkompetenzen aktiv am Unterricht teilzunehmen – auch wenn teilweise der Austausch in der Schulsprache passierte. Zudem konnte sie beobachten, dass vielseitiges implizites Sprachlernen stattfand und dass die Lernenden Strategien anwendeten, um Verständnisschwierigkeiten zu umgehen (Bechler 2014, S. 238).

      Auch Rymarczyk (2003) kommt zu ähnlichen Resultaten. Sie macht ebenfalls die kontextreiche Lernumgebung frei von Druck dafür verantwortlich, dass Lernende anfänglich zeigend, unterstützt mit minimalen verbalen Äusserungen aktiv am Unterricht teilnehmen und nach kurzer Zeit auch längere Redebeiträge produzieren konnten (Rymarczyk 2003, S. 269–70). Diese Erkenntnis resultiert aus ihrer Untersuchung mit Sprachanfängern der 6. Gymnasiumklasse (entspricht der 6. Primarstufe in der Schweiz), welche erst seit eineinhalb Jahren den Englischunterricht besuchten. Zudem gelingt es im bilingualen Kunstunterricht die Diskrepanz zwischen den sachfachlichen und fremdsprachlichen Kompetenzen der Lernenden zu überwinden. Folglich braucht es bei dieser Art von CLIL-Unterricht weniger explizite Spracharbeit und Rückgriffe auf die Schulsprache können weitgehend vermieden werden. (Rymarczyk 2003, S. 158)

      Ferner zeigt die Unterrichtsreihe von Knorr und Teske (2010), dass im bilingualen Kunstunterricht ausgehend von alltagssprachlichen Reaktionen zu einem Kunstwerk ein vertieftes Ergründen des Lerngegenstandes stattfinden und schliesslich ein erweitertes, fachspezifisches Sprachhandlungsrepertoire aufgebaut werden konnte. Die beiden Autorinnen schlussfolgern, dass eine solche Verschmelzung von alltags- und fachsprachlichen Anteilen in geeigneten «sprachkünstlerischen» Lernaufgaben gewinnbringend eingesetzt werden kann. Insgesamt können auf diese Weise im CLIL-Unterricht die rezeptiven als auch produktiven Sprachkompetenzen vielseitig gefördert werden. (Knorr & Teske 2010, S. 153)

      Neben den positiven Auswirkungen des bilingualen BG-Unterrichts auf das fremdsprachliche Lernen, dokumentiert die Untersuchung von Witzigmann (2011) den erfolgreichen sachfachlichen Kompetenzaufbau. In ihrer Studie, die Kunst- und Zeichnungsunterricht in französischer Sprache mit Schüler*innen der 5. Realschulklasse (was der 5. Primarschulstufe in der Schweiz entspricht) durchführte, konnten die inhaltlichen Anforderungen aus dem Lehrplan trotz geringen Französisch Kenntnissen der Schüler*innen erfolgreich erreicht werden. Wiederum werden dafür die hohe Anschaulichkeit, Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit der Lerninhalte verantwortlich gemacht (Witzigmann 2011, S. 334). Zudem geben die Lernenden in Interviews bekannt, dass sie aufgrund der fremden Sprache kognitiv mehr gefordert waren, besser zuhören oder auch nachfragen mussten und so auch mehr zum Denken angeregt wurden. Insgesamt erscheint den Lernenden diese Unterrichtsform weniger langweilig, was wiederum zu mehr Lernzuwachs führt. (Witzigmann 2011, S. 148)

      2.5.2 Anschaulichkeit

      Wie die soeben dargelegten empirischen Befunde zeigen, gilt die Anschaulichkeit als ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des am CLIL-Unterrichts beteiligten Sachfaches (Heim 2015, S. 44). BG zeichnet sich naturgemäss durch eine hohe Anschaulichkeit aus. Wie bereits erwähnt, lernen gerade Kinder Sprachen ganzheitlich und multisensorisch, indem sie Lerngegenstände authentisch und lebensnah erfahren können. Dieser Anspruch kann im BG vollumfänglich erfüllt werden. Dank den visuellen Informationen werden lange Beschreibungen überflüssig, stattdessen gelingt eine genuine Kommunikation mit Gestik und zeigend mittels deiktischen Aussagen (This here., I like that one., …), so dass unbekannte Wörter durch Verweise substituiert werden können (Rymarczyk 2003, S. 113, 186). Sprachanfänger durchlaufen oft eine silent period, in der sie rezeptiv Sprache aufnehmen, sich jedoch noch nicht produktiv in der Fremdsprache äussern können oder wollen. Solche Kinder können sich kreativ unter Verwendung der Bildsprache ausdrücken und beteiligen sich auf diese Weise auch ohne fremdsprachliche Interaktion aktiv am Unterrichtsgeschehen. Die natürliche Relevanz der visuellen Medien erleichtert jedoch nicht nur die Sprachproduktion, sondern auch die Rezeption. Neuer Wortschatz kann mit Verweis auf den konkreten Gegenstand oder ein Bild semantisch schnell erschlossen werden (Rymarczyk 2003, S. 185; Bechler 2014, S. 240).

      2.5.3 Handlungsorientierung

      Neben der Anschaulichkeit bietet der BG-Unterricht auch eine hohe Handlungsorientierung. Diese wird nicht nur als besonders lernfördernd für den Unterricht mit Kindern allgemein angesehen, sondern gilt ganz besonders bedeutsam für den CLIL-Unterricht (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 69). Der Tastsinn wird oft als «Ursprung aller Empfindungen» betrachtet, mit welchem die Kinder die Dinge er-greifen und so die Welt be-greifen (Gall 2016, S. 136). Allgemein ist bekannt, dass ein Grossteil der Schülerschaft der Gruppe der praktisch-anschaulichen Lerntypen zugehört (Klippert 2010, S. 54). Diese Erkenntnisse haben bereits renommiere Reformpädagogen wie Montessori oder Freinet erkannt und konsequent in ihre Pädagogik integriert (Gehring 2017, S. 19). Dass der Fachbereich BG eine besondere Affinität zur Handlungsorientierung hat, muss nicht weiter begründet werden. Doch auch der moderne Fremdsprachenunterricht orientiert sich einer handlungsorientierten Didaktik, die über den kommunikativen Ansatz hinaus die Anwendung der gelernten Sprache aktiv und selbstgesteuert im Hier und Jetzt beim Bewältigen von Lernaufgaben fordert (Chesini & Klee 2017, S. 1; Eisenmann 2019, S. 68; Europarat 2001, S. 22). Handlungsorientierung und Lernaufgaben gehen somit miteinander einher. Diese sind in einer reichen Lernumgebung verankert und lassen sich daher optimal im kontextreichen CLIL-Unterricht verwirklichen (Rüschoff 2015, S. 353). Dies bewahrheitet sich ganz speziell für den bilingualen BG-Unterricht, wo der Anspruch nach diesen grundlegenden Bedürfnissen des haptischen, handlungsorientierten und aktiven CLIL-Lernens besonders gut nachgekommen werden kann und dessen positiven Auswirkungen auf den dualen Kompetenzaufbau vielfach belegt sind (vgl. Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003). Abschliessend an dieser Stelle ein Zitat von Vygotsky, der lange vor der Verbreitung des Begriffs ‘Handlungsorientierung’ die symbiotische Beziehung von Sprache und Handlung erkannte: «Children solve practical tasks with the help of their speech, as well with their eyes and hands.» (Vygotsky 1978, S. 35).

      2.5.4 Visual literacy und Bildkompetenz

      Bilder sind im BG naturgemäss ein genuiner Bestandteil des Unterrichts. Der Begriff ‘Bilder’ umspannt jegliche zweidimensionale bewegte oder unbewegte Abbildungen im Zusammenhang mit Kunst oder aus dem Alltag, Videos oder andere Animationen; sowie dreidimensionale Werke aus der Architektur, Plastik oder Performance und schliesslich auch Abläufe oder Erinnerungsbilder (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise; Schoppe 2015, S. 8). Auch im Fremdsprachenunterricht werden Bilder seit geraumer Zeit als Gesprächsanlass oder zur Veranschaulichung zum Beispiel durch Lehrwerke in den Unterricht eingespeist und erfüllen dabei unterschiedliche illustrative, semantische, repräsentative, instruktive oder bildästhetische Funktionen (Hallet 2015, S. 33–38). In beiden Fächer BG und Englisch ermöglichen Bilder somit nicht nur das sachfachliche und sprachliche Lernen, sondern fördern in den letzten Jahren auch vermehrt die Auseinandersetzung mit bildlichen Materialien als solches. Die Förderung dieser ‘visuellen Kompetenz’ im Zeitalter der bildbasierten Technologien ist ein zentrales Anliegen, das über den BG-Unterricht hinaus in verschiedenen Fächern adressiert werden muss (Rymarczyk 2015, S. 184; Schoppe 2015, S. 26). «It has become vital that 21st century students, as learners and global citizens, transcend from passive receivers of visual messages in media to active deconstructionist of visual grammar given the exploding technological advances

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