Скачать книгу

dass Trump sie nicht nur ausgedruckt, sondern auch signiert hatte. Eingerahmt haben den Tweet natürlich jeweils die Empfänger, denn für sie gibt der Rahmen dem Tweet erst die Würde. Unbewusst oder sagen wir besser: rückwärts gewandt (und zwar in jeglicher Hinsicht) bestätigt sich damit aber noch etwas anderes, nämlich Trumps analoges Verständnis von Welt, dessen Grundpfeiler Übersicht, Klarheit, Festigkeit und Abgrenzung sind. Es ist die Welt, wie sie früher mal war, und sei es auch nur im Kopf eines alten Mannes, der heute als Präsident im Weißen Haus sitzt. In einem ausgedruckten, signierten und eingerahmtem Tweet kommt Trumps Welt zu sich – und Trump selbst zu den Menschen.

       07.04.2017

      Eine der geläufigsten Charakterisierungen Trumps lautet: Der Mann ist böse. Ich würde das zwar so nicht unterschreiben, aber falls diese Charakterisierung trotzdem stimmt (und sie stimmt im Grunde ja immer nur für den Charakterisierenden und die, die ihm zustimmen, und nicht für den Charakterisierten selbst), also, wenn Trump tatsächlich »böse« ist, dann bekommt der Spruch von der »Banalität des Bösen« noch mal eine ganz neue Bedeutung, dann banalisiert sich das Banale aufs schlichtweg Blöde hinab, und das scheint mir keine sinnvolle Verwendung der Kategorie des Banalen zu sein. Wobei mich die Rede von der »Banalität des Bösen« in Wahrheit viel mehr interessiert als die Deutung Trumps als »böse«, »teuflisch« oder »monströs«, oder was immer sonst noch so durch den Raum des Pseudopsychologischen geistert. Denn die Tatsache, dass die – im Übrigen von Karl Jaspers bereits 1946 in einem Brief an Hannah Arendt vorgeprägte und von Arendt 1963 durch den Untertitel ihres Buches Eichmann in Jerusalem populär gemachte – Rede von der »Banalität des Bösen« wirkmächtig werden konnte und auch nach Jahrzehnten noch wirkmächtig ist, zeigt doch nur, dass wir es noch immer nicht geschafft haben, uns vom Monströsen zu lösen oder – anders gesagt – dass das Monster, das wir in einem Menschen wie Donald Trump sehen, noch immer in uns schlummert und aus der Dunkelheit des Schädelinneren heraus unsere äußere Wahrnehmung bestimmt.

       08.04.2017

      Heute mal nur ein kleiner Nachtrag zu gestern, denn die Sache mit der »Banalität des Bösen« ist mir nicht aus dem Kopf gegangen. Deshalb hier noch mal ein wenig genauer – und im Glauben, dass der Rückblick einen Ausblick eröffnet. Also: Jaspers schreibt in seinem Brief an Arendt im Oktober 1946, dass ihm »das Reden vom Dämonischen in Hitler und dergleichen« nicht ganz geheuer sei, denn: »Mir scheint, man muß, weil es wirklich so war, die Dinge in ihrer ganzen Banalität nehmen, in ihrer ganzen nüchternen Nichtigkeit – Bakterien können völkervernichtende Seuchen machen und bleiben doch nur Bakterien. Ich sehe jeden Ansatz von Mythos und Legende mit Schrecken.«*

      Auch wenn ich Trump weder mit Hitler noch mit irgendwelchen Bakterien gleichsetzen oder auch nur damit vergleichen will, so scheint mir, dass Jaspers Aussage genau jene dünne Linie skizziert, auf der jedes noch so dicke Buch über Trumps Präsidentschaft entlang wandern muss.

       09.04.2017

      »Nordkorea, wir kommen. Unsere Kriegsschiffe öffnen das Land wie unsere Matrosen in den Häfen die Schenkel der Frauen. Wir sind geübt in diesen Dingen, denn wir haben das schon einmal getan. Damals, 1853, in Japan, als unsere Kanonenboote ihre Mörser nach Osten hin drehten und das Land vom Isolationismus befreiten. Jetzt kommen wir wieder. Wir sind der Stoßtrupp der Freiheit, wir sind der Türöffner zu unserer Welt.«

      (Kleine Kollektivfantasie der Mitglieder des Historical Advisory Committee im amerikanischen Außenministerium, spontan verfasst unter dem Eindruck nordkoreanischer Raketen, die schreiend übers Meer in Richtung Amerika ziehen und aufgrund fehlender Reichweite in den Fluten des Pazifik versinken.)

       10.04.2017

      »Man muss den Worten auch Daten folgen lassen.« Das könnte ein zeitgemäßes Motto für Journalisten sein. Und das hätte auch seinen guten Sinn, denn wenn Trumps Protz- und Prahl-Präsidentschaft etwas Gutes hat, dann ist es die Tatsache, dass immer mehr Berichterstatter die Kraft ihrer Worte mit der Eingängigkeit interaktiver Karten und der Tiefenschärfe riesiger Zahlenmeere verbinden. Der Datenjournalismus der linksliberalen Medien feiert Hochzeit in der Scheidung mit Trump. Der unzeitgemäße Selbstdarsteller im Amt hat die zeitgemäße Form der Informationsdarstellung befeuert.

       11.04.2017

      Hiobsbotschaft für Konservative. Der republikanische Gouverneur von Alabama ist wegen einer Sex-Affäre zurückgetreten. Ist er ein Sünder? Ach was, er ist ein Sieger! Bei dem seit 1776 laufenden Wettkampf um die meisten Sex-Affären amerikanischer Bundespolitiker liegen die Republikaner dadurch jetzt mit 39:25 in Führung. Ich habe das – der »List of federal political sex scandals in the United States« bei Wikipedia sei Dank – eigenhändig ausgezählt. Und es passt auch sonst. In Hiob 39,25 steht schließlich geschrieben: »Sooft die Trompete klingt, ruft es: Hui!«

       12.04.2017

      Donald Trumps Sohn Eric behauptet, die Bombardierung eines syrischen Militärflughafens durch die Amerikaner zeige, dass es keine Verbindungen zwischen seinem Vater und Russland gebe.

      Als wenn das dröhnende Gegeneinander beim öffentlichen Material- und Menschenschlachten nicht seit jeher die Basis für das stille Miteinander der großen Geschäftemacher wäre.

       13.04.2017

      Auf die Politisierung der Öffentlichkeit reagiert Trump mit der Privatisierung der Politik.

       14.04.2017

      Oh, all ihr Hobos und Eisenbahn-Tramps, eure Freiheit liegt in den letzten Zügen. Das ländliche Amerika wird entkoppelt und der Bahnen beraubt, auf denen ihr zieht. Meile um Meile verrostet zur Sesshaftigkeit. Wer hätte das gedacht? Die Kunst der Bewegung und des Sich-Treibenlassens endet im zusammengestrichenen Budgetplan des amerikanischen Verkehrsministeriums, in einer Handvoll Büros, in denen die einzigen Reisebeschreibungen die Dienstanweisungen von Sesselfurzern sind.

       15.04.2017

      Würde ich in den USA leben, ich könnte dieses Tagebuch nicht schreiben. Je größer die Distanz zu den Dingen, Ereignissen und Menschen, über die ich berichte, umso besser. Die Unmöglichkeit des Erlebens ist die Bedingung der Möglichkeit meines Schreibens. Mein Zugang ist einer des Fernbleibens.

       16.04.2017

      Was Donnie nicht gelungen ist, hat Bini geschafft: Sie hat das zerrissene Amerika geeint. Alles, was Bini Adamczak dafür tun musste, war, ein Buch zu veröffentlichen. 100 Seiten haben gereicht, um die entzweiten zu vereinigten Staaten zu machen, denn nichts eint mehr als ein gemeinsamer Feind. Ein Blick in die Zeitschriften, Blog-Beiträge und Online-Foren zwischen Seattle und Miami macht’s deutlich: Seit Tagen stehen Millionen Amerikaner Seite an Seite, bereit, vom Text- ins Schlachtfeld zu ziehen, um den Kampf aufzunehmen mit dem, was sie bedroht: Eine deutsche Autorin und ihr Buch mit dem Titel Communism for Kids.

       17.04.2017

      Wenn ich gestern schon mal beim Kommunismus war, kann ich heute gleich weitermachen damit. Die Sache ist nämlich die: Marx wollte die permanente Revolution, Trump dagegen will die permanente re-election. Sein Kampagnen-Team hat schon 13 Millionen Dollar gesammelt, damit er 2021 wiedergewählt wird. Eine halbe Million Dollar Spendengelder ging allerdings mehr oder weniger direkt an Trump, da die Kampagneros in seinen Immobilien Büros angemietet haben und dafür kräftig zahlen. Aber auch der Secret Service und seine Agenten sollen, wenn schon nicht bluten, so doch zumindest blechen.

Скачать книгу