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Krankheit und Tod unzähliger Menschen werden Mitch McConnell in den Rang eines Unsterblichen heben.«

      Diese Zeilen hatte ich vor zwei Tagen geschrieben, in der Erwartung, dass die Republikaner im US-Senat ihren Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform durchkriegen. Aber sie haben es nicht geschafft – und dennoch bleiben diese Zeilen bestehen. Als Zeichen dafür, dass es die Aufgabe jeder Geschichtsschreibung ist, die Alternativen mitzuerzählen, in dem Wissen, dass alle historischen Tatsachen immer nur das Produkt einer Sammlung von Möglichkeiten sind, von denen einige zum Fakt geronnen sind und viele andere nicht.

       20.07.2017

      Ein halbes Jahr führe ich nun schon dieses Tagebuch, und mit jedem Eintrag, den ich schreibe, wächst die Hilflosigkeit. Mit der Hilflosigkeit aber wächst dieses Tagebuch. Ich drehe mich im Kreis. Ich umkreise eine Präsidentschaft. Ich bin ein Hilfloser, der Bericht von einem anderen Hilflosen gibt. Nur dass er es im Gegensatz zu mir nicht bemerkt.

       21.07.2017

      Aus den Tiefen der Geschichte an die Oberflächen der Republikanischen Partei: Die John Birch Society ist wieder da! Über 100.000 Mitglieder waren es mal, damals in den 1950er- und 60er-Jahren. Und sie hatten eine Mission: Sie wollten die kommunistische Unterwanderung der USA beenden. Aber die Kommunisten sind nie gekommen – und die John Bircher irgendwann gegangen. Einer nach dem anderen, bis sie fast alle weg waren. Aber jetzt sind sie zurück. Die meisten von ihnen sind weiße Männer. Sie haben sich durch gemeinsames Anschauen von Trumps Reden vermehrt und fordern jetzt voller Inbrunst, dass außer Trump und ihnen alles und jeder verschwindet. Als da wären: die UNO, das Bildungsministerium, das Energieministerium, Einschränkungen im Waffenbesitz, der Großteil des Regierungsapparats … Sogar die Aufarbeitung des russischen Einflusses auf die Präsidentschaftswahl wollen sie stoppen. Dabei konnten die John Bircher früher nicht genug Russen finden. Laut Bob Dylans »John Birch Society Blues« haben sie sogar in ihren Kloschüsseln nach Roten gesucht. Dabei war dort alles braun. John-Birch-Society-Braun.

       22.07.2017

      … und Trumpelstilzchen nahm sein goldenes Haar und spann es zu Stroh. Dann stand er auf und rief die Leute, die seinem Märchen bisher nur aus der Ferne beigewohnt hatten, zu sich.

      »Seht her«, sagte er. Dann zog er seine Hose runter und kackte in das frisch gesponnene Stroh.

      »Das habt ihr davon, dass ihr mich gewählt habt.«

      »Was für ein Mist!«, riefen die Leute und fingen an, darin nach Gold zu suchen.

       23.07.2017

      Vor drei Tagen hat Sean Spicer erklärt, Ende August sein Amt als Pressesprecher von Präsident Trump aufzugeben – und schon fangen die Ersten an, aus dem gemeinen Lügner eine liebenswürdige Kultfigur zu machen. Die Verklärung hat also begonnen, während im Briefing Room des Weißen Hauses die Gegenaufklärung ungehindert weiterläuft. Schenkelklopfende Erinnerungen im Videoformat. Schnittige Rückblicke in die Abgründe des Unwissens, der Ignoranz und der alternativ-alternierenden Fakten. Die Ironie sagt Hallo zu sich selbst, während der Zynismus vom Ich auf die anderen schielt, in der Hoffnung, noch ein paar weitere Köpfe zu kontaminieren. Und so geht’s dahin. Geschichte wird nicht mehr gemacht, sie wird nur noch geskriptet, geschrieben, immer dann, wenn das Gelächter das Grausen ersetzt.

       24.07.2017

      Gesetze vom rechten Rand der Paragrafenwüste. In Florida konnten bis vor wenigen Monaten Ärzte dafür verklagt werden, wenn sie mit ihren Patienten über die Gefahren von Schusswaffen sprachen. Gouverneur Rick Scott und seine Republikaner hatten auf Druck der Waffenlobby im Jahr 2011 extra ein Gesetz dafür erlassen. Im Februar 2017 war es damit vorbei, und jetzt zahlt der Staat Florida das Millionen-Honorar der Anwälte, die das Gesetz vor Gericht zu Fall gebracht haben.

      Es ist die perfekte $ymbiose, ein Miteinander voller §ynergie-Effekte. Waffen und Gerichte bilden in den USA eine Lebensgemeinschaft, die vom Tod nicht geschieden, sondern von ihm geschmiedet wird. Den Blutzoll dafür aber zahlen die Leute, und die Ärzte versorgen sie dann. Mit Wundkompressen. Und jetzt auch wieder mit Worten. Welch Fortschritt!

       25.07.2017

      Laut der heute veröffentlichten Studie »Clinicopathological Evaluation of Chronic Traumatic Encephalopathy in Players of American Football« wiesen 110 von 111 American-Football-Spielern, deren Gehirne nach ihrem Tod untersucht wurden, Anzeichen einer bestimmten Form von Demenz auf, die häufig mit schweren Persönlichkeitsstörungen einhergeht. Diese oft als »Boxerwahnsinn« bezeichnete Erkrankung entsteht, wenn man über eine längere Zeit hinweg viele Stöße vor den Kopf bekommt. Was aber, so frage ich mich, passiert, wenn man über eine längere Zeit hinweg andere vor den Kopf stößt, mit Twitter-Nachrichten, Dekreten und Reden? Eine Antwort darauf habe ich nicht. Aber falls es irgendjemand schafft, Donald Trumps Gehirn nach dessen Tod zu untersuchen, wird er, entgegen allen Erwartung, vielleicht gar keine Demenz finden und auch keine Persönlichkeitsstörung, sondern die Erinnerungen eines Einzelnen, die ihren Ursprung im kollektiven Wahnsinn einer Nation hatten, in der Millionen Gehirne – unmerklich und über lange Zeit – in eine linke und eine rechte Hälfte zerfallen waren.

       26.07.2017

      Donald Trump hat heute entschieden, dass offen als Transgender lebende Personen nicht mehr beim US-Militär Dienst leisten dürfen. Das riecht verdächtig nach der übl(ich)en rechtskonservativen Sicht auf die Welt, in Wahrheit verbirgt sich aber viel mehr dahinter. Denn jetzt wird endlich klar, was Trump am 14. Juni 2016 gemeint hat, als er auf Twitter den Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern dankte und ihnen zurief: »I will fight for you!«

       27.07.2017

      Im Grunde ist Tagebuchschreiben Meinungsmache für mich selbst.

       28.07.2017

      Nur für die Akten: Anthony Scaramucci ist neuer Konfrontations- … Entschuldigung, ich meine neuer Kommunikationsdirektor im Weißen Haus.

       29.07.2017

      Foxconn, Produzent von Elektronik und hohen Selbstmordraten unter seinen Angestellten in China, will in den USA investieren und in Wisconsin eine neue Fabrik für LCD-Bildschirme errichten.

      Bei Donald Trump herrscht Jubel: 10 Milliarden Dollar Investitionen, Tausende neue Jobs.

      Bei den Steuerzahlern in Wisconsin herrscht dagegen Trubel: 3 Milliarden Dollar Subventionen, 17.000 Dollar staatliche Unterstützung pro Arbeitsplatz und Jahr, das Siebenfache der üblichen Zuschüsse. Aber das ist die Dialektik des Deals: Flache Bildschirme, dicke Subventionen – und eine hohe Selbstverwirklichungsrate für Donald Lump.

       30.07.2017

      In Donald Trumps marktradikaler Sicht auf die Welt besteht die beste Regierung darin, keine Regierung zu haben. Da das nicht durchsetzbar ist (und er dann außerdem arbeitslos wäre), hat er sich für die zweitbeste Variante entschieden, die besagt, dass nur eine schlechte Regierung eine gute Regierung ist. So gesehen hat Donald Trump das Versprechen seiner eigenen Ideologie vollauf erfüllt.

       31.07.2017

      Donald Trump ist der beste Beweis dafür, dass intellektuelle Schmalhänse oft die größten Dickköpfe haben.

       01.08.2017

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