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sie schon betroffen waren, aus Neugier und Interesse noch eine zweite Runde gehen. Die Folge war, dass sie sich nach mehreren Stunden am Ende des Seminartages noch nicht ganz und gar erholt hatten.

      Im Lauf der Jahre gab es immer wieder Seminarteilnehmer, die das gegenläufige Begehen der Triade austesten wollten. Einzeln reagierte nicht jeder mit Körpersymptomen, aber alle berichteten von einer Verringerung der Wahrnehmung des eigenen Körpers/der Gefühle/der Umgebung bis hin dazu, »ganz abgestellt« zu sein. Hingegen habe ich noch nie erlebt, dass die Gegenläufigkeit zu einer Überflutung mit Gefühlen führte.

      Es gab also ein Phänomen und keine Erklärung dazu.

      Wir wandten uns als Institut mit dieser Frage an diverse Experten aus den Bereichen Medizin/Neurologie und Biologie. Sie wurde mit großem Interesse aufgenommen, aber der aktuelle Forschungsstand scheint eine profunde Antwort noch nicht herzugeben.

      Während der ersten ca. 10 Jahre, in denen ich mit der Triade arbeitete, setzte ich ein paar wenige Male die Effekte der Gegenläufigkeit ein. Zum Beispiel hatte ein Klient unmittelbar vor einem wichtigen Gespräch mit seinem Chef ein Coaching gebucht. Er befürchtete zu Recht unerwünschte Gefühlsausbrüche und zog es vor, mittels Gegenläufigkeit in der Triade seine Gefühlskanäle ganz abzudrehen. Meist war solch eine Arbeit mit anschließenden Kopfschmerzen oder zumindest Kopfdruck verbunden. Heute biete ich das nur noch Klienten an, von denen ich den Eindruck habe, dass sie psychisch sowieso in der Gegenrichtung unterwegs sind. Also den Bauch nicht spüren und dann im Kopf nachdenken. So haben sie die Möglichkeit, die Erfahrung zu machen, dass dies meist mit einer Verringerung des Wohlbefindens einhergeht, sei es durch den erwähnten Kopfdruck oder anderweitige Körpersymptome oder eine abnehmende Wahrnehmung des Körpers. Nur sehr selten spürt jemand keinen Unterschied.

      Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es sehr empfehlenswert ist, die Triade in der richtigen Reihenfolge und im Uhrzeigersinn zu begehen. Allein durch die Begehung, also ohne überhaupt zu intervenieren, kann in aller Regel ein größeres Wohlbefinden erzeugt werden.

       2Minimalinvasive Psychologie

      »Es lohnt sich, geduldig zu beobachten, was in der Seele im Stillen geschieht, und es geschieht das Meiste und Beste, wenn es nicht von außen und oben hineinreglementiert wird. Ich gestehe es gerne: Ich habe eine solche Hochachtung vor dem, was in der menschlichen Seele geschieht, dass ich mich scheuen würde, das stille Walten der Natur durch täppische Zugriffe zu stören und zu entstellen« (Jung 2001b, S. 203).

      Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten sich mit Freud, Jung, Adler, Reich etc. große Schulen der Psychotherapie. Mit der Erforschung des Unbewussten sowie der Erfindung und Erprobung von für psychische Störungen geeigneten Heilverfahren entwickelte sich das, was sich als Psychotherapie nach und nach in unserer Gesellschaft etabliert hat.

      Die Krankenkassen gehen seit jeher davon aus, dass eine wirksame Behandlung psychischer Probleme lange dauert. Zugleich ist die Begrenzung der einzelnen Sitzungen auf 50 Minuten eine zeitliche Herausforderung für den Therapeuten und vor allem auch für den Klienten. Er soll während dieser Zeitspanne in einen psychischen Prozess finden, diesen produktiv weiterführen und schließlich sinnvoll ausklingen lassen.

      Bisher gelten die Verhaltenstherapie sowie psychoanalytische Verfahren als anerkannte Psychotherapieverfahren. Seit Ende 2018 sind die Weichen gestellt für die Aufnahme der systemischen Therapie als weiteres Richtlinienverfahren. Viele Psychotherapeuten haben jedoch viel mehr in ihrem Methodenkoffer zur Verfügung als die bisher von den Kassen zugelassenen Verfahren.

      Seit den 1970er-Jahren haben neue Ansätze frischen Wind in das Therapiegeschehen gebracht. Ganz wesentliche neue Impulse gab es durch die lösungsfokussierte Kurzzeittherapie von Steve de Shazer (1989). Die konsequente Orientierung weg vom Problem und hin zur Lösung brachte eine ganz andere Sichtweise von Psychotherapie mit sich. Es wurde immer mehr darauf vertraut, dass auch die Psyche über ein hohes Maß an Selbstheilungskräften verfügt.

      Mit der zunehmenden Entwicklung systemischer Methoden entstanden neue und vielversprechende Konzepte. Körperresonanz, Embodiment und inhaltliche Abstinenz sind einige der Begriffe, die mich hier besonders interessierten. Diese komplexitätsreduzierenden Faktoren in Kombination mit dem minimalistischen Aufstellungsformat des triadischen Prinzips führten mich zu dem, was ich heute minimalinvasive Psychologie nenne.

      Der Begriff minimalinvasiv stammt aus der chirurgischen Medizin. Er steht für punktgenaue Eingriffe, bei denen der ganze Körper weitestgehend geschont wird, und er steht für das geringstmögliche Risiko der Kontamination.

      Die minimalinvasive Vorgehensweise auf Psychotherapie, Coaching und Beratung zu übertragen, klingt vielleicht etwas konstruiert. Doch wenn man sich vorstellt, dass die Psyche eines Menschen ein hochkomplexes und naturgemäß zu weiten Teilen nur begrenzt verstehbares Ökosystem darstellt, dann bietet dieser Begriff für Interventionen einen hilfreichen Rahmen.

      Denn das Eingreifen in ein bestehendes Ökosystem birgt immer ein Kontaminationsrisiko. Egal mit welchen Methoden wir als Behandler/Begleiter arbeiten, die Gefahr ist immer gegeben, dass wir von außen unwillkürlich etwas in den Prozess bringen, das der Psyche des Klienten nicht dienlich ist oder sogar kontraproduktiv wirken kann. Das ist kein Problem, solange die psychische Immunabwehr stabil genug ist, um nicht hilfreiche, unpassende oder gar schädliche Einflüsse abwehren zu können. Ob das der Fall ist, können wir aber nicht immer zuverlässig wissen. Dazu kommt, dass die Psyche – so wie es auch beim Körper der Fall ist – nach Eingriffen eine Ruhezeit braucht für die Reorganisation.

      Die Idee der minimalinvasiven Psychologie setzt auf die drei fundamentalen Ressourcen/Werte Autonomie, Beziehung und Sicherheit. Wenn diese zur Verfügung stehen, dann ist das psychische Immunsystem maximal gestärkt und fremde Inhalte sowie Infektionen aus dem Familiensystem etc. können automatisch besser abgewehrt werden.

      Die folgenden Überlegungen und Konzepte sollen die Idee einer minimalinvasiven Vorgehensweise unterstützen und ihre Vorteile erhellen. Der Grundpfeiler der Betrachtungen ist die fortwährende Konzentration auf das Körpergeschehen.

       2.1Rationalität als Fata Morgana

      »Mangel an Gefühlen kann eine genauso wichtige Ursache für irrationales Verhalten sein« (Damasio 2004, Pos. 1191 f.).

      Das, was wir als rational bezeichnen oder als eine überlegte Entscheidung ansehen, wird aus viel mehr Quellen gespeist, als uns meist bewusst ist. Wir empfinden aber subjektiv, wenn wir mal so richtig fokussiert nachdenken, dass wir einem stringenten Ablauf in unserem Kopf folgen.

      Oft wird in Beratungssettings dem Kopf eine tragende Rolle zugeschrieben, weil er vermeintlich die sicherste Strategie hat, um etwas umzusetzen. Dabei versucht der Kopf, mit Nachdenken und mit Vorstellungskraft die beiden anderen Kernbedürfnisse von Beziehung und Autonomie selbst zu generieren. Ein heiß gelaufener Kopf ist ja hoch aktiv und wird dann womöglich noch als produktiv empfunden, obwohl es tatsächlich keinen oder nur verhältnismäßig wenig Output gibt oder so viel Output, dass man darin die Orientierung verliert.

      Die Rationalisierung ist die »Mutter« aller Abwehren, weil wir uns am Ende alles irgendwie meinen erklären zu können. Aber für Gefühle ist nun mal das Herz zuständig und für Impulse der Bauch. Bei vielen Menschen hat der Kopf ein erhöhtes Risiko, die irrationalste Instanz zu sein, gerade weil er unbedingt ein Ergebnis braucht. Das Kernbedürfnis Sicherheit erzeugt fortwährend den Wunsch, sich auszukennen, und deshalb ist der Kopf auch ein Spezialist für Bedeutungszuschreibungen. Solche Gedanken finden unwillkürlich statt und dann folgt auf diese natürlich eine Schlussfolgerung. Ein Beispiel:

      Man ist auf einer Wanderung und merkt, dass man schon länger keine Wanderzeichen mehr gesehen hat. Jetzt möchte man herausfinden, wo man sich befindet, ob man noch auf dem richtigen Weg ist, und schaut auf die Wanderkarte. Um sich zu orientieren, definiert man, wo man vermeintlich steht (in Zeiten vor Google Maps und Standortbestimmung). Ausgehend von dieser Bestimmung läuft man weiter auf dem Weg und hat einen

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