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der Plan o. k. war, dass aber die Umstände sich geändert haben (»der Weg ist zugewachsen«, »ein neuer Weg wurde gebaut«, »es sind nicht alle Wege eingezeichnet«, gerne werden Höhenlinien für Wege gehalten etc.).

      Wie schnell wir andauernd Zusammenhänge konstruieren, ist uns meist nicht bewusst. Hinzu kommt, dass die Erinnerung immer eine Gedächtnisleistung ist, auf die der Kopf angewiesen ist, um seine Berechnungen durchzuführen, was für die Zukunft das Sinnvollste ist. Sinnvoll in dem Sinne, dass für ihn (subjektiv) Orientierung, Überblick und Sicherheit entstehen.

      Die rationalen Überlegungen des Kopfes gründen auf Vorstellungen aus der Vergangenheit oder über die Zukunft. Und ähnlich einer Fata Morgana kann das Vorstellungsvermögen jedes Szenario erschaffen. Ein vermehrtes Bewusstsein für diese Vorgänge lässt beim Kunden auch die Bereitschaft wachsen, sich auf eine Entdeckungsreise bezüglich der anderen beiden Zentren zu begeben. Denn die Vorstellung, dass der Kopf gemäß dem triadischen Prinzip tatsächlich nur 1/3 der Gesamt-Ressource ausmacht, erzeugt ein Gefühl der Unsicherheit, und dem will der Kopf naturgemäß entgegenwirken.

       2.1.1Alltagsillusionen

      Chabris und Simons (2011) benennen in ihrem Buch Der unsichtbare Gorilla sechs Alltagsillusionen:

      •Aufmerksamkeit

      •Gedächtnis

      •Selbstvertrauen

      •Wissen

      •Möglichkeiten

      •Ursache und Wirkung

      Sie schreiben über die Hartnäckigkeit der Alltagsillusionen:

      »Selbst wenn wir wissen, dass wir mit unseren Überzeugungen und Intuitionen danebenliegen, verschwinden sie deshalb noch nicht. Wir nennen sie Alltags-Illusionen, weil sie unser Verhalten buchstäblich jeden Tag bestimmen« (Chabris u. Simons 2011, Pos. 108 f.).

      »Manchmal nehmen wir nämlich auch dort Muster wahr, wo es keine gibt. […] Jedes Muster, das wir wahrnehmen, ob es wirklich existiert oder nicht, interpretieren wir nur zu leicht als Ergebnis eines ursächlichen Zusammenhangs. […] Die Ursachen-Illusion tritt auf, wenn wir in Zufälligkeiten Muster hineinsehen, und Muster sehen wir am ehesten, wenn wir zu verstehen glauben, was sie verursacht« (Chabris u. Simons 2011, Pos. 3090 f.).

      Da wir uns alle dem nicht entziehen können und es ja auch durchaus sinnvoll ist, Muster zu erkennen, sollten wir zumindest ein partielles Bewusstsein dafür haben, dass das Bedürfnis, verstehen zu wollen und aus vermeintlich vorhandenen Mustern Bedeutung zu kreieren, auch in Beratung und Therapie ein gewisses Risiko beinhaltet.

      Zwei der sechs aufgeführten Illusionen möchte ich hier kurz vorstellen und kommentieren:

       a) Die Illusion über Ursache und Wirkung

      »Korrelationen, lehrt die Statistik, haben nichts mit Kausalität zu tun. Das heißt: Wenn zwei Messgrößen sich irgendwie parallel entwickeln, dann heißt das noch lange nicht, dass die eine die Ursache für die andere ist. Der Zusammenhang kann rein zufällig sein, oder es kann eine verborgene dritte Größe dahinterstecken. […] Wenn viel Speiseeis verkauft wird, ertrinken mehr Kinder – nicht aufgrund des Eiskonsums, sondern weil in heißen Sommern mehr Eis gegessen wird und gleichzeitig die Kinder mehr schwimmen gehen.«2

      Oft kann man nicht wissen, ob man die Eis-Ertrinken-Korrelation hergestellt hat, weil man z. B. den Faktor »Warmes Wetter – Baden« nicht kannte und/oder nicht berücksichtigt hat.

      Ein weiteres Beispiel ist die Pest mit ihren Ursachenzuschreibungen: Im 14. Jahrhundert hat sie wohl ein Drittel aller Europäer »dahingerafft«, was eine Vielzahl an Deutungen/Erklärungen bezüglich der Ursachen mit sich brachte, um sich irgendwie zu orientieren: schlechte Winde, die Strafe Gottes, vergiftetes Wasser, »die Juden« etc. Die Pest wurde folglich u. a. mit dem Verbrennen von Kräutern, Aderlass, Geißelung und Niederbrennen von jüdischen Gemeinden »bekämpft«.3

      So wie die Idee eines Pestbakteriums nicht existierte und deshalb ein anderer Zusammenhang entstehen musste, so kann man getrost davon ausgehen, dass einem immer wieder ein wesentlicher Teil an Information fehlt, der Verstand das aber nicht wissen kann und also aus dem Vorhandenen seinen kausalen Aberglauben konstruiert.

      Jeder Therapeut und Berater kennt diese schnell hergestellten Illusionen von Ursache und Wirkung: Trotz hoher Kompetenz und viel Erfahrung und Wissen tragen die im Prozess aktivierten Inhalte dazu bei, Hypothesen zu bilden.

      »Das kommt daher, weil der Vater, die Mutter …« Wenn diese Annahme einmal getroffen ist, wird sie oft nicht mehr infrage gestellt. Damit wird eine Wirklichkeit konstruiert, die zutreffend sein kann oder eben auch nicht.

      Dass die Kindheit einen prägt, steht außer Frage. Jedoch mehren die Bedeutungszuschreibungen, die immer weitergeführt werden wie eine ewig wirkende Buchführung mit den entsprechenden Kontierungen, nicht den Raum der Möglichkeiten. Kontierung soll hier heißen: Man hat eine ganze Sammlung von Ereignissen, Begebenheiten und sieht diese als Ursache für gegenwärtige Probleme, Schwierigkeiten oder auch Fähigkeiten und vieles mehr.

      Die Bemühung um eine gewisse Abstinenz von Inhalten und deren Deutung ist in der Beratung durchaus eine Herausforderung, denn unter Umständen findet der Kunde das unbefriedigend, schließlich wendet er sich an einen Experten und der sollte auch Bescheid wissen. Dann kann man die Illusion von Ursache und Wirkung als Thema in die Beratung mit einbringen und erläutern. Das schafft einerseits eine Atmosphäre von Humor und gleichzeitig ein gewisses Maß an Bewusstsein dafür, dass man sich dieser Illusion nicht entziehen kann.

      Was die Hypothesenbildung betrifft, so kann man in der Triadenarbeit austesten, ob ein vermuteter Kontext oder eine angenommene Ursache auch Körperresonanz erzeugt. Man legt dafür einen Bodenanker (eine Scheibe) und prüft, ob eine schnelle, unwillkürliche Resonanz im Körper entsteht. Gibt es keine signifikante Reaktion, dann wird diese Scheibe wieder aus der Aufstellung entfernt, gleichgültig, ob der Klient nichts wahrnimmt, weil er blockiert ist, oder weil es einfach keine Relevanz gibt. Man kann es nicht wissen und muss aufpassen, dass man nicht einer weiteren Hypothesenbildung anheimfällt.

       b) Die Unaufmerksamkeitsblindheit

      Sehr eindrücklich zeigt diese das Gorilla-Experiment von Simons u. Chabris (Chabris u. Simons 2011):

      Die Versuchspersonen schauten sich die Aufnahme eines Basketballspiels an und wurden instruiert, die Ballkontakte einer der Mannschaften zu zählen. Während des Spiels lief ein Mensch in einem Gorillakostüm durchs Bild. Fast die Hälfte der Versuchspersonen nahm den Gorilla nicht wahr und zudem bestanden diese meist darauf, dass da kein Gorilla gewesen sei. In anderen Versuchen wurde mittels Eye-Tracker (Augenverfolger) nachgewiesen, dass sowohl die Gorilla-Wahrnehmenden als auch die Gorilla-Überseher den Gorilla ca. eine Sekunde lang angesehen hatten.

      Die Autoren beeindruckte besonders, wie überrascht die Probanden waren, als sie den Film nochmals sahen. Nicht wenige unterstellten den Versuchsleitern, dass es nicht der gleiche Film sei.

      Chabris und Simons erläutern in vielen anschaulichen Beispielen, dass Kompetenz und Erfahrung vor dieser Art von Blindheit nicht schützen können, vor allem wenn es um Unerwartetes geht. Sie beschreiben bei ihrem Gorilla-Experiment, dass der Hinweis, es würde etwas Unerwartetes geschehen, ausreichte, dass alle Probanden den Gorilla sahen.

      »Für das menschliche Gehirn ist Aufmerksamkeit im Wesentlichen ein Nullsummenspiel: Wenn wir einem Ort, Objekt oder Ereignis größere Aufmerksamkeit zuwenden, bleibt für andere zwangsläufig weniger übrig. Unaufmerksamkeits-Blindheit ist daher ein notwendiges, wenn auch unerwünschtes Nebenprodukt der normalen Funktion von Aufmerksamkeit und Wahrnehmung« (Chabris u. Simons 2011, Pos. 851 f.).

      Analog dazu besteht ein gewisses Risiko, dass sowohl Berater als auch Klient fixiert sind auf ein bestimmtes Geschehen und währenddessen ein »Scheunentor« übersehen. In der Triadenarbeit liegt der Fokus automatisch

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