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warmherzig nennt, klingt das positiver als die Zuschreibung, er hätte ein Herz aus Stein. Und das berühmte Bauchgefühl besagt, dass man zu einer Entscheidung/Einschätzung gekommen ist, ohne genau zu wissen, wie und warum. Anscheinend gibt es eine Menge unbewusster Informationen, die dafür förderlich oder gar ausschlaggebend sein können.

      Die Bauch-Herz-Kopf-Triade begegnete mir vor 25 Jahren, als ich mich mit dem Enneagramm beschäftigte (ennea = gr. neun und gramma = gr. Figur). Das Enneagramm besteht aus dieser Triade der drei Körperzentren und ihren jeweils drei Ausdifferenzierungen (3 x 3 = 9). So kann man es als ein embodimentbasiertes fraktales Modell ansehen. Die Einladung in eine Typisierung, die das Modell auch hergibt, barg jedoch für mich mehr Fragen und Einengungen, als dass sie Möglichkeiten schuf.

      Hingegen wurden die triadischen Aspekte des Modells für mich immer relevanter und sie erschienen mir als Ordnungs- und Strukturierungssystem konsistent und praktikabel. So begann ich, die Bauch-Herz-Kopf-Triade genauer zu erforschen, und suchte nach adäquaten Möglichkeiten, sie in meiner Arbeit einzusetzen.

      In der Praxis besonders bewährt hat sich der Einsatz der Körpertriade als strukturiertes und komplexitätsreduzierendes Aufstellungsformat. Die Fokussierung auf Bauch, Herz und Kopf schafft einen übersichtlichen Rahmen, und die ihnen zugehörigen Kernbedürfnisse erweisen sich als drei fundamentale Ressourcen:

      •Bauch – Autonomie

      •Herz – Beziehung

      •Kopf – Sicherheit

      Die Aufstellung erfolgt mittels Bodenankern: Scheiben, die auf den Boden gelegt werden, repräsentieren die Körperzentren (siehe Abb. 1).1 Auf der jeweiligen Scheibe stehend wird der Klient angeleitet, seine Aufmerksamkeit und Wahrnehmung in das zu aktivierende Zentrum zu lenken. Dadurch werden Bauch, Herz und Kopf als unterschiedliche Kompetenzzentren erlebt und als solche personalisiert angesprochen: »Was sagt der Bauch, wenn er auf das Anliegen schaut?«, »Was sagt das Herz …«, »Was sagt der Kopf …«. Dies sorgt für einen fortwährenden zirkulären Perspektivwechsel im Prozess. Die innere Bühne des Erlebens wird real begangen.

       Abb. 1: Die Triade als Aufstellungsformat

      Durch die Aktivierung des Körpers kommen die zu bearbeitenden Themen oder Blockaden meist schnell an die Oberfläche, vergleichbar mit abgelagerten Sedimenten, die durch die Bewegung des Wassers nach oben gespült werden.

      Minimalinvasiv kann dann an dem Zentrum gearbeitet werden, an dem sich die jeweiligen Phänomene zeigen. Da in aller Regel die Befindlichkeiten und Wahrnehmungen in jedem Zentrum anders sind, werden sie auch nicht generalisiert. Sicherheit und Steuerungsfähigkeit bleiben so für den Klienten weitestgehend erhalten. Er kann, im Falle von Überflutung etwa, einfach zum nächsten Zentrum weitergehen.

      Die drei Kernbedürfnisse Autonomie, Beziehung und Sicherheit bieten bei dieser Arbeit fortwährend und implizit den Bezugsrahmen für die Prozessbegleitung.

      Aus diesem Aufstellungsformat erwuchs im Lauf der Jahre das triadische Prinzip als Methode. Es ist eine Komposition, von der Sie einige oder auch viele Töne aus Ihrer Praxis oder Ihrem Erfahrungshorizont kennen: Systemische Strukturaufstellungen, Traumaaufstellungen, Focusing, die Arbeit mit inneren Anteilen wie Voice Dialogue oder Ego-State-Therapie, hypnosystemische Verfahren und PEP (Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie) sind Komponenten einer inzwischen ganz eigenen Melodie.

      1Das Scheibenset können Sie auf der Webseite www.von-witzleben-coaching.de bestellen.

       1Das triadische Prinzip

       1.1Das Ordnungsprinzip der Triade

      »Das Wesen der Abstraktion besteht […] im Vorgang des Ausziehens einer Invarianz, das heißt im lustvoll-spannungslösenden Finden einer versteckten Gemeinsamkeit in einem zunächst heterogenen Durcheinander« (Ciompi 1997, Pos. 6058 f.).

      Menschen interagieren mit ihrer Umwelt über den ganzen Körper, mit dem sie unablässig Informationen senden und aufnehmen. Das geschieht so selbstverständlich, wie der Atem kommt und geht, nur mit einer ganz anderen Geschwindigkeit. Die mit Bauch, Herz und Kopf verknüpften Redewendungen zeigen, dass es eine unwillkürliche und geradezu natürliche Auffassung über die Aufteilung des Körpers in diese drei Regionen und die mit ihnen unmittelbar verknüpften Kompetenzen und Bedürfnisse gibt. Wenn jemand sagt, etwas sei nicht gerade eine Herzensangelegenheit, dann bezieht er sich auf das Herz. Er hat ein Unterscheidungsvermögen und sagt damit zugleich, dass es sehr wohl auch Herzensangelegenheiten gibt. Und die Aussage: »Ich bin ganz und gar kopfgesteuert« besagt zugleich, dass es noch etwas anderes gibt, sonst würde sie sich nicht auf den Kopf beziehen. Und wenn jemand bedauert, dass er nicht auf seinen Bauch gehört hat, dann hat er offensichtlich auf etwas anderes gehört.

      Tatsächlich ermöglicht der Fokus auf diese drei Filter und die an sie gekoppelten Kernbedürfnisse eine körperorientierte Ausdifferenzierung des in beide Richtungen strömenden Informationsflusses. Durch die Unterschiedsbildung wird das zugrunde liegende Ordnungsprinzip erkennbar und so mehr über das Gesamtgeschehen erfahren. Ähnlich wie bei einer chemischen Analyse: Indem die einzelnen Elemente beachtet und untersucht werden, bekommt man ein besseres Verständnis für den Stoff als Ganzes.

      Durch diese natürliche Differenzierung können alltägliche und auch spezielle Erfahrungen von Menschen in der Triadenarbeit aufgefächert werden. Das Ergebnis ist ein Mehr an Information, wobei im Mittelpunkt immer die Körperreaktion steht.

      Die Reflexion darüber, welche Rolle wohl dem einzelnen Zentrum im Leben einer Person zukam, zukommt oder zukommen sollte und wie die mit ihm verknüpften Werte repräsentiert sind, ist so gut wie immer hilfreich und erhellend.

      Im Beratungssetting finden es die meisten Menschen interessant, darüber nachzudenken, wie das Zusammenspiel ihrer drei Zentren funktioniert, und sie haben aufgrund ihrer Lebenserfahrung durchaus Thesen dazu. Damit wird vorab das Kernbedürfnis nach Überblick und Orientierung abgedeckt, und es erhöht sich die Bereitschaft, das Kopf-Zentrum zu verlassen und in die Erfahrung zu gehen.

      Ein häufiger Kommentar zum ersten Triaden-Erlebnis lautet: »Das konnte ich mir nicht vorstellen!«, was meist für Heiterkeit auf beiden Seiten sorgt, da Minuten zuvor darüber gesprochen wurde, dass es um eine Erfahrung geht, die man zuvor in dieser Art und Weise noch nicht gemacht hat. Die eigentliche Ironie dabei ist, dass ja der Körper Zeit seines Lebens hauptsächlich unwillkürlich und spontan agiert. Vielen Menschen wird erst durch die Triaden-Arbeit bewusst, dass sie Körper sind.

      Das der Triade innewohnende Ordnungsprinzip ermöglicht eine von Inhalten relativ abstinente Prozessarbeit. Es macht Hypothesen oder Konstruktionen des Beraters oder des Klienten selbst weitgehend überflüssig, weil es über den Körper automatisch Form annimmt. Indem bei der Aufstellung die drei Zentren räumlich dargestellt und so aktiv getrennt werden, können komplexe psychische Phänomene besser verortet und auch geordnet werden (siehe Abb. 2).

      Darüber hinaus bieten sich folgende Vorteile:

      •Bauch, Herz und Kopf als zentrale Begriffe zu nutzen, holt die Menschen in ihrer Erfahrungswelt ab.

      •Die triadische Perspektive verringert automatisch das Risiko eines Entweder-oder.

      •Die drei Zentren bieten eine ausreichende Differenzierung bei gleichzeitiger Überschaubarkeit.

      •Bauch, Herz und Kopf dienen als embodimentale Magneten für das, was der Körper ausdrücken möchte.

      Meine Erfahrung ist, dass die meisten Menschen wie selbstverständlich und ohne Mühe diese triadische Strukturierung übernehmen und auch ganz organisch anwenden. Der embodimentale Zugang

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