Скачать книгу

Dame gegenüber sehr albern und ungebildet vor.

      Die Spanierin machte eine Bewegung des Bedauerns.

      „Ich habe mich nun mal auf Sie kapriziert, Kindchen, und bin deshalb hartnäckig. Vielleicht darf ich aber mit Ihrer lieben Mutter reden? Da Sie im Grunde ganz gern mitmöchten, wie Sie vorhin selbst sagten, müssen wir die Hindernisse eben beseitigen. Wann darf ich Ihre Frau Mutter sprechen?“

      Die Frage klang sehr bestimmt, schien mit gar keiner Abweisung zu rechnen.

      Fanziska war viel zu ungewandt, um mit Bestimmtheit zu erwidern, daß es keinen Zweck hätte, die Mutter mit in die Angelegenheit hineinzuziehen. Sie war von den verschiedensten Gedanken verwirrt. Dachte an das fremde, schöne Land, nach dem so manches Deutschen Sehnsucht flog, dachte an das viele Geld, das ihr geboten worden, und zugleich dachte sie an Fritz Bernhardus und auch an ihr überaus einfaches Heim, in das diese vornehme Frau gar nicht hineinpaßte.

      Sie stammelte ein paar zusammenhanglose Worte — stieß wieder auf ein Lächeln.

      „O, liebes Fräulein, seien Sie doch nicht so umständlich. Ich möchte Sie gern mitnehmen in mein Sonnenland. Wie es bei Ihnen daheim in der Wohnung aussieht, hat damit gar nichts zu tun.“

      Da hatte sie allerdings recht. Franziska zupfte an ihrem geblümten Kattunkleid herum.

      „Wenn Sie morgen nachmittag zu meiner Mutter kommen wollen, werde ich ihr heute abend von Ihnen erzählen.“

      „Schön, also morgen. Um welche Zeit?“

      Franziska erwiderte: „Um vier Uhr dürfte es am besten passen, weil ich um diese Zeit Karlchen spazieren führe und für ein halbes Stündchen mit ihm in unsere Wohnung gehen könnte.“

      Die Dame entnahm einer sehr eleganten Ledertasche ein kleines Notizbuch, schrieb nach Franziskas Diktat die Adresse im Grünen Weg ein, die sie schon vor Tagen auf einer anderen Seite notiert hatte, und verabschiedete sich.

      Sie reichte Franziska die Hand.

      „Sie werden es gut bei meiner Tochter haben, liebes Fräulein, und auch ich werde gut zu Ihnen sein, denn Sie gefallen mir wirklich ausnehmend, meine Tochter wird eifersüchtig auf Sie werden.“

      Langsamen Schrittes entfernte sie sich, und Franziska blickte ihr nach. Plötzlich stutzte sie. An wen erinnerte sie nur dieser wiegende, gleitende Gang? Wer ging so eigentümlich wie diese ihr doch völlig fremde Dame?

      So sehr sie aber auch ihr Gedächtnis anstrengte, es fiel ihr nicht ein, wer diesen weichen, rhythmischen Gang besaß.

      Franziska betrat den Torweg und überlegte, daß sie der Mutter nun von ihrer heutigen Bekanntschaft erzählen, ihr aber auch zugleich sagen wollte, daß sie nicht daran denke, mit nach Spanien zu reisen. Es würde sich hier auch für sie eine bessere Stellung finden. Allerdings so viel Gehalt, wie ihr die Spanierin in Aussicht gestellt, gab ihr hier niemand.

      Als Franziska ungefähr in der Mitte des Ganges war, der durch das Vorderhaus nach dem Hofe führte, tauchte an der Treppe Frau Malwine Bernhardus auf, kam ihr entgegen.

      Franziska sagte höflich: „Guten Abend!“ und wollte weitergehen, als sich Frau Bernhardus mit empörten Blicken nach ihr umwandte.

      „Frauenzimmer brauchen mir, einer anständigen Frau, nicht guten Abend zu wünschen!“ rief sie mit gut gespielter Empörung.

      Franziska war totenblaß geworden. Sie stand zitternd an die Wand gelehnt und blickte mit großen, entsetzten Augen auf die Beleidigerin.

      „Ich bitte Sie, Frau Bernhardus, was habe ich Ihnen denn getan?“ stieß sie hervor. Sie begriff nicht, wie die Frau es wagen durfte, sie so zu behandeln.

      Malwine Bernhardus lachte voll Hohn.

      „Was du mir getan hast? Das fragt das freche Geschöpf noch, statt sich die Augen aus dem Kopf zu schämen! Hast du denn kein Ehrgefühl, keine Scham? Jungen Leuten das Geld abzunehmen, das verstehst du, aber Mut, dich zu verantworten, hast du nicht.“

      Vizewirt Lüdicke schlurfte heran.

      „Wat is denn los, Frau Bernhardus, wat woll’n Se denn von det Mächen?“

      Hinter ihm wurde seine Frau sichtbar, die größte Klatschbase des ganzen Hauses, die sich voll Neugier langsam näherschob.

      Franziska kam sich vor wie ein gejagtes Wild.

      „Seien Sie doch nicht so beleidigend, Frau Bernhardus, ich weiß wirklich nicht, weshalb Sie mich so bitter kränken, ich bin mir keiner Schuld bewußt, ich habe doch keinem Menschen Geld abgenommen … ich … ich gehe jetzt! Wenn Sie etwas von mir wünschen, kennen Sie ja meine Adresse.“

      Frau Bernhardus hob drohend die Rechte und schrie wütend: „Wage nicht noch einmal, unserm Jungen in die Quere zu laufen, sonst kannst du was erleben! Woher soll so ’n Frauenzimmer wie du auch Anstand haben! Wer weiß, was deine Mutter alles hinter sich hat, warum dein Vater zum Säufer wurde!“

      Jetzt war es mit der Geduld Franziskas zu Ende. Mit einem wilden Schrei der Empörung sprang sie auf die Beleidigerin los und schlug ihr in das zorngerötete Gesicht.

      Da griff Vizewirt Lüdicke ein.

      „Jetzt is es jenug, überjenug! Wir hab’n doch hier keene Zirkusvorstellung oder Filmuffnahme. Ick jebiete Ruhe, dafor bin ick hier in det Haus, det is mein Dienst.“

      Er schob die laut aufweinende, ganz fassungslose Franziska mühsam durch die Hintertür.

      Frau Bernhardus kreischte: „Geschlagen hat sie mich, ich habe Zeugen, ich geh auf die Polizei, das soll sie mir büßen!“

      Franziska hörte es noch, und heiße Schauer rasten über ihren Körper hin.

      Sie hatte die Frau tatsächlich geschlagen, das ließ sich nicht aus der Welt schaffen, und wenn die es anzeigen würde, mußte sie sich auf manche Unannehmlichkeit gefaßt machen.

      Sie eilte über den Hof, jagte förmlich die vier Treppen hinauf und riß in ihrer Erregung fast die Türschelle ab, diese altmodische, gellende Zugschelle.

      Martha Mühsam flog von der Maschine, an der sie gesessen, hoch, öffnete auf das heftige Läuten, so schnell es ihr möglich war.

      Franziska stürzte an ihr vorbei ins Zimmer und brach neben der Nähmaschine in einem Weinkrampf zusammen.

      Die arme, immer müde Frau war ratlos und bemühte sich um ihr am Boden liegendes Kind, kühlte ihr die Stirn, öffnete ihre Bluse, sprach weich und liebevoll auf sie ein.

      Es klingelte schon wieder.

      Schnell huschte Frau Mühsam zur Tür, öffnete nur um einen Spalt breit. Das blasse Gesicht ihrer Nachbarin, einer Witwe, die Heimarbeit nähte wie sie selbst, zeigte sich.

      Martha Mühsam sagte: „Ein anderes Mal, Frau Schneidereit, ich habe jetzt keine Zeit, meine Fränze ist nicht wohl.“

      Sie wollte schnell die Tür schließen. Frau Schneidereit stemmte sich dagegen.

      „Lassen Sie mich nur ’rein, Frau Mühsam, ich weiß ja, was Fränze fehlt, ich war ja dabei, wie die Bernhardus aus dem Vorderhaus sie so gemein beschimpft hat.“

      „Ich weiß nicht, was Sie meinen, Frau Schneidereit“, flüsterte Martha Mühsam, „aber kommen Sie nur ’rein, Fränzchen hat einen Weinkrampf.“

      „Das hört man ja bis auf die Treppe“, flüsterte die Nachbarin zurück und ging schnell an der anderen vorüber in die große Stube.

      Sie neigte sich über die jetzt schon leiser Weinende, brachte sie mit Hilfe von Kissen in eine bequemere Lage, mühte sich verständnisvoll um sie und erzählte dabei Martha Mühsam mit leiser Stimme, was sich vorhin im Hausgang zugetragen hatte.

      „Ich kam erst zuletzt dazu, Frau Mühsam, aber ich hörte nachher von ein paar anderen Leuten, wie alles gewesen ist. Daß Fränze die Frau Bernhardus geschlagen hat, das ist ja nun sehr dumm, und man kann

Скачать книгу