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mit ihr, konnte ihr aber keine Nachricht geben. Hoffentlich war er recht bald gesund.

      Sie kaufte sich die gelesensten Tageszeitungen, durchsuchte sie nach Stellungen, und wenn sie mit dem kleinen Karl irgendwo draußen auf einer der Bänke im Friedrichshain saß, warf sie ab und zu einen Blick in die Zeitung, hoffte, daß eine Stellung darin stände, die ihr Verbesserung verspräche. Karlchen Lademann ließ ihr nicht viel Zeit dazu, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Heute aber hatte er Spielgesellschaft gefunden, die ihm besonders zuzusagen schien. Ein kleines, drolliges Mädel mit blonden, steifen Haarschnecken über den Ohren.

      Eine alte Frau saß mit dem Kinde auf einer Nachbarbank, und Karlchen hatte sich vor einem Weilchen zu der Kleinen hinübergepirscht.

      Franziska blickte ein paarmal zu der alten Frau hinüber. Die strickte, sann und lächelte ab und zu über die zwei Kinder.

      Franziska dachte, wie traurig es doch sei, daß sie nichts Genaues über das Befinden von Fritz Bernhardus erfahren könnte. Aber er durfte ihr kein Briefchen senden. Alles schien in grau heute.

      Aus einem Seitenweg kam eine einfach, aber vornehm gekleidete Dame, machte vor ihr halt.

      „Gestatten Sie, mein Fräulein, daß ich mich hier einen Augenblick ausruhe?“

      Franziska nickte und rückte zur Seite. Sie dachte, wie schön, wenn vornehme Damen so höflich sind!

      Die Dame lächelte ein wenig.

      „Ich möchte Sie aber durchaus nicht stören, denn ich weiß, daß es Stunden gibt, wo man am liebsten mit sich allein ist. Mir geht es oft nicht viel besser.“ Sie sah die Zeitung in Franziskas Hand. „Verzeihen Sie, Fräulein, darf ich das Blatt ein paar Minuten haben?“

      Franziska reichte es ihr mit liebenswürdigem „Bitte sehr!“

      Die Fremde mußte Ausländerin sein, sie sprach ziemlich geläufig deutsch, aber mit hartem Akzent. Eine interessante Frau, dachte Franziska, und beobachtete die Dame, während diese in der mehrseitigen Zeitung etwas ratlos blätterte.

      Das Gesicht war zu voll, fand Franziska Mühsam, die Lippen zu üppig und rot, aber die Augen waren schön, von tiefdunkler Farbe, und auch das Haar, von dem der breitrandige Hut allerdings wenig sehen ließ. Die Figur schien ihr zu stark, doch das braune Kostüm war so vollendet gearbeitet, daß die Üppigkeit nicht unästhetisch wirkte.

      Die Fremde schien mit der Zeitung nicht viel anfangen zu können. Sie faltete sie bald sorgfältig zusammen und reichte sie Franziska zurück.

      „Verzeihen Sie, mein Fräulein, wenn ich Sie mit einer Frage belästige. Ich möchte nämlich gern die Adresse von jemand, der Stellungen vermittelt. Ich suche eine, wie man in Deutschland sagt, Kindergärtnerin für meine kleine Enkelin. Meine Tochter wünscht ein deutsches Fräulein, wir sind Spanier. Ich habe eine Kur in der Nähe von Dresden durchgemacht und halte mich ein paar Tage in Berlin auf, um mich hier für meine Tochter, auf ihren ausdrücklichen Wunsch, nach einer Kindergärtnerin umzusehen. Meine Tochter zahlt sehr gut. Hier in Deutschland sind die Menschen ja alle so schrecklich bescheiden, und ein Stückchen Welt bekäme das junge Mädchen auch zu sehen. Ich hoffe, bald jemanden zu finden, da ich die Betreffende gleich mitnehmen möchte.“

      Sie sprach ganz oberflächlich und leicht, beobachtete die neben ihr Sitzende kaum und verfolgte doch scharf, was für einen Eindruck ihre Worte auf das junge Mädchen machten.

      Franziska Mühsam war verwirrt. Welch ein Zufall! Da suchte sie seit Tagen in den Anzeigen nach einer besseren Stellung, und nun saß da eine vornehme Dame neben ihr und hatte eine wunderbar lockende Stellung zu vergeben.

      Sie fragte mit ein wenig zitternder Stimme: „Muß die Kindergärtnerin, die Sie, gnädige Frau, suchen, höhere TöchterSchulbildung besitzen?“

      Die spanische Dame lachte lustig.

      „No, no, mein Fräulein, das ist so ein Kleinkram hier in Deutschland. Für jüngere Kinder ist das gleich, ob eine Kindergärtnerin auch Englisch oder Französisch kann. Liebe zu Kindern muß sie haben und ein nettes, gutes Geschöpf sein.“

      Sie blickte Franziska freundlich an.

      „Mein liebes Fräulein, wüßten Sie vielleicht so ein junges Mädchen, wie ich es suche? Ihre Frage läßt mich das beinahe hoffen. Ach, dann bitte ich Sie sehr, mir Auskunft zu geben, meine Dankbarkeit ist Ihnen gewiß.“

      Franziska zögerte noch einen Augenblick, erklärte dann schüchtern: „Ich selbst bin Kindergärtnerin und in Stellung, doch möchte ich mich gern verändern.“ Sie zeigte auf Karlchen, der sich noch immer mit der Kleinen beschäftigte. „Der Junge ist mir anvertraut, ich wäre aber lieber bei einem Mädelchen.“

      Die Dame schlug die behandschuhten Hände zusammen,

      „Ist es wahr? Sie sind selbst Kindergärtnerin? Aber, liebes Fräulein, das ist ja großartig! Sie engagiere ich sofort, denn Sie gefallen mir ganz ausgezeichnet und werden auch meiner Tochter gefallen, das weiß ich.“ Sie schüttelte den Kopf. „Kaum glaubhaft, dieser Zufall. Eigentlich sollte ich sagen, dieses Glück! Wissen Sie, Kindchen, unter uns, ich bin ein wenig bequem, und der Auftrag meiner Tochter war mir gar nicht recht. Man muß so herumsuchen in einer fremden Stadt, muß sich deswegen aufhalten. Und nun brauche ich mich gar nicht mehr zu kümmern, finde auf einem Spaziergang, was ich suchte.“

      Franziska war wie benommen. Nein, nein, so schnell ging das doch nicht! Sie hatte ja noch gar nicht gesagt, daß sie die Stellung annehmen wollte. — Zuerst mußte sie doch mit der Mutter reden und auch mit Fritz.

      Sie konnte doch nicht verschwinden, während er krank war.

      Ferner mußte sie Frau Lademann kündigen, und wenn man ihr auch weitgehend entgegenkam, durfte sie vor dem Letzten dieses Monats nicht fort von Karchen. Das aber war erst in zwölf Tagen.

      Sie brachte alle ihre Bedenken vor, nur von Fritz Bernhardus erwähnte sie nichts.

      Die Dame lachte leichthin.

      „Sie sind eine kleine umständliche Person, liebes Fräulein. Die von Ihnen genannten Gründe bedeuten keine Schwierigkeiten. Mit Ihrer Mutter spreche ich selbst und mit der Frau, bei der Sie in Stellung sind, auch. Sie sollen sehen, wie rasch ich mit beiden einig werde. In zwei Tagen reisen wir ab.“

      „Nein“, wehrte sich Franziska, „es geht wirklich nicht. Ich habe ja keine Reisegarderobe, keinen Koffer, ich …“ Sie stotterte.

      „Aber, liebes Fräulein, das ist wieder kein stichhaltiger Grund! Ich gebe Ihnen Vorschuß auf Ihr Gehalt, meine Tochter zieht es Ihnen dann monatlich so allmählich ab, daß Sie es gar nicht merken. Ich weiß ja nicht, in welchen Verhältnissen Ihre Mutter lebt, jedenfalls können Sie ihr, wenn sie es nötig hat, einen hübschen monatlichen Zuschuß geben. Soviel ich weiß, will meine Tochter monatlich zweihundert Pesetas zahlen. Dazu alles frei, Reise, Wohnung und Essen.“

      Franziska fragte, wieviel zweihundert Pesetas wären.

      Die Dame zuckte die Achseln.

      Franziska nannte die Summe, die sie monatlich bei Frau Lademann erhielt.

      Die Spanierin lächelte ein wenig spöttisch.

      „Ich rechne eben um. Meine Tochter zahlt genau das Fünffache.“

      „Es geht nicht, gnädige Frau, so gern ich auf der einen Seite auch möchte. Ich darf nicht fort.“

      Die Ältere nickte. „Kann mir schon denken, das Herz hat Feuer gefangen, nicht wahr?“ Sie fuhr in mütterlichem Tone fort: „Sie sind ja noch jung, Kindchen, allzu frühe Ehe bringt kein Glück.“

      Franziska dachte daran, daß Fritz gesagt, zwei oder drei Jahre müßten sie beide noch warten. Wenn sie davon ein Jahr ins Ausland gehen könnte! Wie gut vermochte sie dann die Mutter zu unterstützen, wie gut konnte sie außerdem noch sparen.

      Die Spanierin sagt freundlich: „Ich möchte Ihnen, da Sie mir gefallen, noch weiter entgegenkommen. Ich verspreche Ihnen, daß Sie freie Rückfahrt haben sollen, falls es Ihnen

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