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"Ist doch ein geiler Verein". Christoph Ruf
Читать онлайн.Название "Ist doch ein geiler Verein"
Год выпуска 0
isbn 9783895336621
Автор произведения Christoph Ruf
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Klingt nicht gerade nach Tariflohn.
Die fanden das aber toll, weil sie sich keine Sorgen mehr um das Eintrittsgeld machen mussten. Die Plakate hängen jetzt auch im Schanzenviertel und auf St. Pauli. Auch Familien mit Kindern kommen jetzt verstärkt zu uns. Da wird die Decke ausgebreitet, die Kinder und die ganzen Punk-Hunde spielen rum, die Mütter klönen miteinander, auch mancher Ex-Hool trinkt hier sein Bier. Seit kurzem gibt es sogar Pommes. War ein langer Kampf, aber mit dem Argument, dass er nur so auch die Kinder als Kunden gewinnen könne, konnten wir den Pächter der Vereinsgaststätte schließlich davon überzeugen, dass das eine gute Idee wäre.
Zurück zu den Zuschauerzahlen. Wie erfolgreich war denn Ihre Drückerkolonne?
Drückerkolonne? Statt 450 Leuten kommen jetzt jedenfalls fast 800 im Schnitt. Und viele davon waren früher am Millerntor.
Sie auch?
Ich auch. Jahrzehntelang, aber irgendwann war mir da selbst auf den Rängen zu viel Kommerz und Dogmatismus. Mit diesen ganzen Choreographien und dem einstudierten Support machte das keinen Spaß mehr, das war irgendwie der gleiche Leistungsdruck wie auf dem Rasen. Vielen St.-Pauli-Fans ging’s wie mir, die kommen jetzt hierher, weil sie in Ruhe Fußball schauen wollen. Einfach geil meckern, dumme Sprüche reißen, was eben so dazu gehört.
Und die beiden großen Konkurrenten verspotten.
Über den HSV ist doch jedes Wort zu viel. Und St. Pauli schlagen wir nur mit ihren eigenen Waffen. Als sie mal wieder pleite waren, hat doch sogar Bürgermeister Ole von Beust »Retter«-T-Shirts für St. Pauli verkauft. Und selbst zum Cheeseburger konntest du die Lappen kaufen. Mein Trauzeuge, ein gebürtiger Gelsenkirchener vom Bauwagenplatz, hatte dann vor dem Spiel gegen die St.-Pauli-Amateure ein lustiges Transparent gemalt: »St. Pauli, McDonald’s und die CDU«. Das kann man wunderbar skandieren und danach schön ein »Und Geld stinkt doch« hinterher brüllen.
Gemein.
Wir dürfen das, schließlich haben wir den Dino unter den St.-Pauli-Fans in unseren Reihen: Mabuse, der brachte damals den Totenkopf von der Hafenstraße ans Millerntor.
Der ist heute Symbol des Klubs und prangt selbst auf den Spielertrikots.
Dabei fand Mabuse nur die Vereinsfarben braun-weiß hässlich, also hat er sich von seinem Sozi-Geld auf dem Dom (der Hamburger Jahrmarkt, d.V.) so eine Fahne gekauft, auf einen Besenstiel getackert und ist damit ab ins Stadion. Irgendwann haben das dann Hunderte gemacht. Mabuse ist das egal, der war seit zehn Jahren nicht mehr am Millerntor. So einen Service wie bei uns bekommt er da nicht geboten.
Es gibt also doch VIPs beim AFC.
Zumindest hat Mabuse seine eigene Mini-Anzeigetafel. Immer wenn er betrunken war, hat er alle genervt mit seiner Fragerei nach dem Spielstand. Irgendwann ist ein Kollege mit einer Mütze rumgegangen. Mit dem Geld hat er eine Holztafel gebastelt, etwa ein Meter auf einen Meter, die jetzt bei Spielen in den Zweigen über deren Kurve hängt und per Hand betätigt wird. Jetzt ist auch Mabuse immer im Bilde und die anderen können in Ruhe den Schiedsrichter beschimpfen.
»Der rettet mal wieder den Verein«
Ivo Burmeister hat kein Handy. Aber mit dem KFC Uerdingen einen Lieblingsverein, der gerade den dritten Insolvenzantrag in fünf Jahren gestellt hat. Also muss seine Lebensgefährtin jedem Anrufer ausrichten, dass Burmeister mal wieder in der Grotenburg weilt, um eine Rettungsaktion zu planen. Der KFC wiederum hat sich in den letzten Wochen häufig eine ziemlich fatale Frage gestellt. Die, ob das Schicksal des Vereins »überhaupt noch jemanden da draußen interessiert«. Seit dem 22. Januar 2008 kennt er die Antwort.
Der Dienstag war ein guter Tag. Wobei die Lage beim KFC mal wieder so ist, dass man eigentlich gar nicht von guten Tagen sprechen kann. Schon gar nicht in der Geschäftsstelle des Vereins. Als sie gerade schließen wollten, kam jedenfalls noch dieser Mann mit den 200 Euro. Er habe in der Zeitung gelesen, dass es bald keinen höherklassigen Fußball mehr geben solle in Krefeld, sagte er. Er aber sei Fußballfan, Krefelder Fußballfan, und könne den nahenden Exitus so nicht hinnehmen. Also orderte der Mann einen kompletten Satz Fanartikel – ;vom Trikot bis zum Feuerzeug – ;und eine Rückrundendauerkarte gleich mit dazu. Schwupps, wanderten über 200 Euro über den Tresen.
Wohl nicht einmal ein Tropfen auf einem Stein, der mit einem Fehlbetrag von über 100.000 Euro mal wieder ganz schön heiß geworden ist. Doch so fatalistisch darf man nicht denken, wenn es nur darum geht, jeden Tag möglichst viel Geld einzunehmen, um die Gläubiger zu besänftigen. Denn die drohen dem Verein diesmal wirklich den Saft abzudrehen. Der Insolvenzantrag ist gestellt – ;der dritte innerhalb von fünf Jahren. Man darf gar nicht daran denken, mit welchem Dilettantismus die oberen Herren im Verein Jahr für Jahr so getan haben, als seien 200 Euro ein Betrag, den man mal eben verschleudern könne, weil sich das Selbstwertgefühl mittelmäßiger Funktionäre eben an der Höhe der Beträge bemisst, mit denen sie um sich werfen.
Als zwei Gehaltszahlungen ausstanden, sind fast alle Spieler in einen Streik getreten. Trainer Alexander Ristic, der Mitte März entlassen werden sollte, stand ein paar Tage lang ziemlich verloren auf dem Trainingsplatz herum. Zwischenzeitlich war das Arbeitsamt eingesprungen, doch das will seine Auslagen am 15. Januar ebenso zurückhaben wie manch eiliger Gläubiger. Insgesamt brauchte man 150.000 Euro bis Mitte Januar, danach dann noch mal mindestens 200.000 Euro. 350.000 Euro also – ;solch einen Betrag streicht ein Spielervermittler als Provision für den Transfer eines leicht überdurchschnittlichen Bundesligaspielers ein. In Uerdingen, wo die Sektkorken knallen, wenn zwei Fantrikots verkauft werden, sind das astronomische Summen.
Zum letzten Rückrundenspiel in Speldorf haben sich die Spieler dann doch noch einmal breitschlagen lassen, ihrer Arbeit nachzugehen. Der Gegentreffer zum 1:1 fiel zum dritten Mal in dieser Saison in der Nachspielzeit. Nicht auszudenken, wie gut man dastünde, wenn man einmal ein kleines bisschen weniger Pech hätte. Es überrascht ihn auch nicht, dass ausgerechnet der KFC bei den Krefelder Hallen-Stadtmeisterschaften nicht teilnimmt. Nur zwei Spieler hatten ihre Teilnahme zugesagt, der Rest wartet auf die ausstehenden Gehälter.
Ivo Burmeister war natürlich vor Ort, als der unerwartete Geldsegen eintraf. Seine bemitleidenswerte Lebensgefährtin Lotte musste mal wieder dutzenden Anrufern mitteilen, dass ihr handyloser Freund leider nicht zu sprechen sei: »Der rettet mal wieder den Verein.« Burmeister hat sich noch am nächsten Tag in seiner Düsseldorfer Wohnung über den Mann mit den 200 Euro gefreut. Gar nicht einmal über die zwei grünen Scheine als solche. Sondern weil er die Frage, die ihn seit Jahren umtreibt, endlich einmal wieder mit einem »Ja« beantworten konnte. Es ist die Frage, die sich wohl jeder zigmal gestellt hat, der in den letzten Jahren mit dem KFC Uerdingen zu tun hatte. Sie lautet: »Interessiert das hier überhaupt noch jemanden?«
Der Traum von der Sechstklassigkeit
Im schlimmsten Fall – ;die Alternativen haben sie auf der Vereinshomepage bereits Ende Dezember skrupulös aufgelistet – ;wird das Insolvenzverfahren mangels Masse gar nicht erst eröffnet. Der Verein würde dann aufgelöst und müsste nach einer etwaigen Neugründung ganz unten in der Kreisklasse neu anfangen.
Im besten Fall würde der Verein so viel Geld einnehmen, dass er die Saison ganz normal zu Ende spielen könnte. Einen Großteil der Leis tungsträger würde man wohl dennoch abgeben müssen, allein, um sich die Gehaltskosten zu sparen. Schnitte man dennoch besser als auf Platz elf ab, wäre man dann in der kommenden Saison Fünft-, bei jeder schlechteren Platzierung sogar nur Sechstligist. Schließlich hat der Westdeutsche Fußball- und Leichtathletikverband beschlossen, zusätzlich zur bundesweiten Ligareform noch eine NRW-spezifische durchzuführen: Künftig wird es also noch eine »Nordrhein-Westfalen-Liga« geben, die sich aus den Fünft- bis Elftplatzierten der bisherigen Oberligen Niederrhein und Westfalen zusammensetzt. Für den Zwölften, der noch eine Saison zuvor locker die Klasse gehalten hätte, heißt das allerdings, dass er in der Spielzeit 2007/2008 statt in der Viert- in der Sechstklassigkeit spielen wird.
Für den