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"Ist doch ein geiler Verein". Christoph Ruf
Читать онлайн.Название "Ist doch ein geiler Verein"
Год выпуска 0
isbn 9783895336621
Автор произведения Christoph Ruf
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Weiter geht es mit dem Geschichtsunterricht in Sachen Bayreuth. Rank deutet auf ein Schwarz-Weiß-Foto in einer Ecke des Raumes. Es zeigt einen offenbar recht lebensfrohen älteren Herrn, der mit emporgereckten Armen, den Rücken zum Spielfeld, von der Seitenlinie aus Richtung Zuschauerränge gestikuliert. »Ronny. Der war damals ein stadtbekannter Sexshopbetreiber.« Im Stadion, so habe man ihm erzählt, habe der das ganze Spiel über »Gas gegeben – die Stimmung muss damals gigantisch gewesen sein«. Kostbarkeiten wie das Bild von Ronny häufen sich zusehends, seit es sich in der Stadt herumgesprochen
Mittlerweile eine Legende: das Stadion an der Jakobshöhe.
hat, dass das Andenken an die Vergangenheit auch in der Gegenwart hochgehalten wird. »Alte Mitglieder vererben ihren Schatz nach dem Tod dem Museum«, sagt Rank und zeigt auf einen handgefertigten hölzernen Fußballspieler. Der wurde in den 1960er Jahren als Geldsammeldose benutzt.
Wer sich hin und wieder auf den Seiten eines großen Internet-Auktionshauses umschaut, weiß, welchen Verkaufswert Preziosen wie die hier ausgestellten erzielen können. Ohne Erbstücke toter oder lebendiger Fans wäre das Museum deshalb bei allem Idealismus seiner Betreiber nicht zu finanzieren. Zumal sie keinen Eintritt verlangen und lieber selbst in die Tasche greifen. Und das recht tief: Jeden Monat zahlen 25 Mitglieder des Fanklubs »Altstadt-Kult« 25 Euro Mietanteil, 300 Euro pro Jahr und Nase also – es gibt Fitnessstudios, die günstiger sind als das Hobby, das sich die Jünger der »Oldschdod« gönnen.
Im Herbst haben sie anlässlich der »Bayreuther Museumsnacht« ihr Wohnzimmer einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren können. Die Gäste waren genau so angetan wie die Journalisten vom Lokalsender. Das mit dem Lob aus prominentem Mund kennen sie bei der »Oldschdod«: Aus lauter Frust über die andauernde Stagnation ihres Vereins konzipierten die Fans 2001 ein 100-seitiges Konzept zum Umbau des Stadions als reines Fußballstadion. Das Minimalziel, die Überdachung
»Euer Stammbaum ist ein Kreis«: Den Transparent-Contest gewann die»Oldschdod« per Kantersieg. Das Spiel auch.
der Gegengerade, wurde sogar vom Stadtrat beschlossen, jedoch gleich nach Bekanntwerden des Regionalligaabstiegs wieder gestoppt.
Die Begehrlichkeiten der Fans bekommen derzeit alle zwei Wochen neue Nahrung. Ist doch das Hans-Walter-Wild-Stadion nichts weiter als eine austauschbare Laufbahn-Stätte aus den 1970ern. Und obwohl sich Gerüchte hartnäckig halten, wonach sich in der Stadionfrage schon bald etwas tun könnte – noch müssen sie mit dem vorliebnehmen, was sie haben. Umso unverständlicher, dass es Jahrzehnte dauerte, bis der aktive Teil der Fanszene beschloss, die angestammte Gegengerade in Richtung der überdachten Tribüne zu verlassen. 200 bis 300 engagierte Fans, deren Gesänge vom Dach auf den Rasen geschleudert werden – für die Bayreuther Fans muss das bei der Premiere im Rückspiel gegen Hof eine ganz neue Erfahrung gewesen sein. Noch Wochen später schwärmte manch älterer Fanaktivist von der Stimmung gegen den Erzrivalen.
Hier, in der Oberliga Bayern, ist vieles wie beim großen Fußball. Wie sich Busladungen voller Fans in Stimmung bringen, indem sie unausg-gorene Internetgerüchte ventilieren, wonach zig, wenn nicht sogar tausende Hools eigens zum gleich beginnenden Spiel angereist seien, ist auch hier der Blick in die gegnerische Kurve der entscheidende. Der Einzelne bekommt dabei eine gerade groteske Wichtigkeit: Zwei (2!) Fans aus Hof (woher sonst?) seien im Gästeblock gesichtet worden, berichtet ein Späher. Der eine hätte noch schnell versucht seine Jacke über dem verräterischen T-Shirt zu schließen, sei da aber schon enttarnt gewesen. Sekunden später gibt es im Bayreuther Block kaum noch ein anderes Gesprächsthema. Im Nachhinein werden sie den 4:0-Sieg abtun. Ein Sieg von vielen in dieser so erfolgreichen Hinrunde.
Es scheint, als laufe diese Saison mal ausnahmsweise alles gut für die »Altstadt«. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Ruhe in Bayreuth als trügerisch erweist. Zu viel Geld hatte der Verein in seiner jüngeren Geschichte jedenfalls noch nie.
»In Ruhe den Schiedsrichter beschimpfen«
Thomas Traumer (47) ist in seiner Freizeit Museumsdirektor bei Altona 93. Nebenbei hat er die Zuschauerzahl des Oberligisten verdoppelt. Das freut auch den Fan, der beim AFC seine eigene Anzeigetafel hat.
Es ist ja schon außergewöhnlich, einen Oberligisten als Lieblingsverein zu haben. Wie aber kam es zu der Idee, für Altona 93 auch noch ein Museum einzurichten?
Präsident Dirk Barthel hatte das schon länger vor, wir sind eben ein Traditionsverein. Im Juni vor einem Jahr trafen wir uns dann auf ein Glas Wein in seinem Restaurant und beschlossen, seine Idee mit einem Fanshop zu kombinieren. Der wiederum war seit Jahren mein Traum.
Was erwartet den Besucher?
Allerlei Pokale und Schwarz-Weiß-Bilder, teilweise über 100 Jahre alt. Am besten gefallen mir diese gestellten Studioaufnahmen vor gemalten Landschaftshintergründen. Aber von 1903, als der AFC im Halbfi nale der Deutschen Meisterschaft war, gibt’s gar nichts mehr. Das Stadion ist im Krieg ordentlich bombardiert worden. Was noch übrig blieb, fand man im Keller des Klubhauses. Jetzt ist alles mit dem Fanshop unter einem Dach.
Und dort gibt es Strampelanzüge und Fähnchen von Altona 93?
Keine Strampler, aber vom Trikot über den Aschenbecher bis zur Mütze sind wir gut sortiert. Der Umsatz ist natürlich gering, aber ein paar hundert Klamotten habe ich schon verkauft. Wir haben auch Videos von den Spielen.
90 Minuten Altona gegen Eintracht Nordhorn?
Gegen Bergedorf. Und natürlich ohne lästigen Kommentator. Es gibt Leute, die kaufen das. Für Altona ist das alles ein Quantensprung, die haben vorher gar nichts verkauft. Zumal keine Personalkosten anfallen, ich arbeite ehrenamtlich. Seit ein paar Wochen bin ich arbeitslos, da kann ich auch mal außerhalb der Öffnungszeiten eine Führung veranstalten oder mir Gedanken über ein neues Sweatshirt machen.
Die Nachfrage stimmt offensichtlich?
Ich habe schon Fanartikel nach Österreich geschickt. Und hier im Laden waren schon Leute aus Singapur, Hongkong und Australien.
Kundschaft aus Singapur: ThomasTraumer verkauft AFC-Fanartikel.
Jetzt übertreiben Sie aber, südlich der Elbe kennt den Verein doch kein Mensch.
Das sind Hamburger, die bis in die 1950er Jahre zum AFC gegangen und danach ausgewandert sind. Als 80-Jährige wollten die dann noch mal ihre Familien besuchen. Jetzt fahren die wohl mit einem AFC-Aufkleber durch Sydney. Aber Sie täuschen sich: Altona 93 ist immer noch ein Name. Wenn du dich als AFCer zu erkennen gibst, sagen auch Süddeutsche: Mensch, da war doch mal was.
Und wie sieht die Gegenwart aus – ist da noch was?
Wir stehen gut da in der Oberliga Nord, die Regionalliga ist also drin. Zwischenzeitlich hatte unser Präsidium ja beschlossen, dass sie lieber gar nicht melden – eine Verarschung sondergleichen. Wie hätten sich denn jetzt die Spieler noch motivieren sollen, wo es ganz egal ist, wie sie am Saisonende abschneiden? Was sie bisher geleistet haben, war ja super. Und das trotz unseres Etats von gerade einmal 300.000 Euro. Cloppenburg oder Kiel laufen hier mit einem Etat von 2,5 Millionen auf. In Altona wird jeder Ehrenamtliche und jeder Zuschauer gebraucht.
Sie sollten zusätzlich noch Zuschauer werben …
Mache ich doch. Im vorletzten Sommer habe ich zum Präsidenten gesagt, lass uns doch mal die Zuschauerzahlen pushen. Fand er eine gute Idee.
Und dann?
Zu unseren Zuschauern gehören traditionell die Punks vom Altonaer Bauwagenplatz.