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war. So ruhig, dass er einmal mitten im Spiel einem Abwehrmann zugerufen habe, er, »die fette Sau«, solle »sich mal bewegen«. Uwe Grauer habe ihn daraufhin direkt angeschaut und ihm den Stinkefinger gezeigt: »Dat war vielleicht komisch, sach ich dir!« Heute ist der Fan besser auf die Spieler zu sprechen. »So voll war es schon lange nicht mehr.« Dass der MSV kurz vor Schluss noch zwei Tore schießt – ;geschenkt.

      Auch Ivo Burmeister, der rechts neben der Trainerbank lehnt, lässt sich durch die beiden Gegentore nicht die Laune verderben. Er schaut nicht einmal aufs Spielfeld. Stattdessen beobachtet er mit leicht spöttischem Blick, wie ein paar Meter neben ihm Elton Autogramm um Autogramm geben muss. Langsam zieht sich das Lächeln in die Breite, dann sagt er drei Worte: »Wir sind gerettet.«

      Ein Investor vom Niederrhein hat sich gemeldet, er will nun 100.000 Euro in den KFC stecken. Zusammen mit den Einnahmen aus den Freundschaftsspielen wird das reichen, den Insolvenzverwalter zu besänftigen. Ohne die Berichterstattung über die Aktionen der Fans hätte der Investor nicht einmal gewusst, dass es den Verein überhaupt gibt, sagt Burmeister. Nun finde er, dass solch ein Verein auf jeden Fall überleben müsse. »Wir sind gerettet«, wiederholt Burmeister und schaut versonnen auf den Fanblock, der in beachtlicher Lautstärke die Mannschaft feiert. Burmeister lächelt. Wer dieses Lachen sieht, weiß, was ein »befreiendes Lachen« ist. Es geht weiter.

      »Hurra, das ganze Haus ist da!«

      TeBe Berlin hat nur wenige Fans. Weil sich das herumgesprochen hat, bleiben auch die Neugierigen und die Jugendlichen weg. Was sie verpassen, ist eine Fankultur, die sich in prallvollen Stadien nicht umsetzen ließe.

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      Endi und Tobias sitzen in einer Kneipe in Friedrichshain. Über das morgige Spiel reden sie, als gelte es, zu einer lästigen Familienfeier zu fahren. Auch wenn endlich mal wieder deutlich über 1.000 Zuschauer erwartet werden und damit wieder so etwas wie Fußballatmosphäre durchs Charlottenburger Mommsenstadion wabern dürfte – lieber würden sie gegen Anker Wismar oder den Berliner AK spielen, sagen sie: »Zu viel Stress gegen den BFC.« Die Fans des BFC haben in der Tat keinen besonders guten Ruf. Zu DDR-Zeiten wurde der Klub, dessen prominentester Fan Erich Mielke war, so oft mit tatkräftiger Hilfe der Schiedsrichter Meister, dass er landauf, landab »Schiebermeister« genannt wurde. Befragt man Zeitzeugen aus der damaligen DDR-Oberliga zum Thema BFC, heißt es allerdings auch, »dass die jahrelang auch die beste Mannschaft hatten, die wären auch ohne die Hilfe der Stasi Meister geworden«.

      Identitätsstiftend war der Ruf als Mielkes Schoßhündchen dennoch: »Euer Hass macht uns stark«, steht auf einem Transparent, das noch Jahre im Sportforum Hohenschönhausen, der Heimstätte des BFC, hing. Nach wie vor gehen zum BFC viele in die Jahre gekommene Hooligans, zahlreiche Stadionbesucher sind im Schulter-Brustbereich gut einen halben Meter breiter als im Bundesdurchschnitt – auch wenn viele davon heute zu Bier und Wurst einen Becher Fanta ordern, weil sie als treu sorgende Familienväter mittlerweile ihre Kinder mit ins Stadion nehmen. Doch zum BFC, das fällt in den Medien gerne einmal unter den Tisch, gehen ebenfalls zahlreiche Normalbürger, die ihrem Verein seit Jahrzehnten die Treue halten. Auch vereinzelte Linke finden sich im Sportforum ein – und Freigeister wie Andreas Gläser, dessen Buch »Der BFC war schuld am Mauerbau« sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen schlechter verkauft hat als Hornbys »Fever Pitch«. Und dennoch: Nur allzu gerne wäre man beim BFC ein deutsches Millwall, seit jeher der Inbegriff für eine unzähmbare, gewalttätige Fanszene und in London zunehmend eines der authentischeren Gegenmodelle zum sterilen, grotesk überteuerten Hightech-Fußball à la Chelsea oder Arsenal. Der rotzige Slogan »No one likes us – we don’t care« wurde zuerst in Millwall skandiert. In Berlin und Umgebung hat sich der BFC – ob zu Recht oder zu Unrecht – ein zweifelhaftes Image erarbeitet, das dem eines Millwalls in Miniaturformat nahe kommt. Jugendliche, die statt zu Hertha oder zu Union lieber zum BFC gehen, tun das jedenfalls nicht wegen des guten Fußballs oder der bombastischen Stimmung. Denn beides findet man dort nicht vor. Wenn für Endi und Tobias aus Friedrichshain das heutige Spiel dennoch keine Vorfreude auslöst, hat das einen einfachen Grund: Die Gegner in der Oberliga Nordost-Nord sind so dermaßen unattraktiv, dass sich der BFC-Anhang geradezu zwangsläufig den Verein zum Rivalen auserkoren hat, der wenigstens noch ein paar Fans in der Kurve hat und sich ebenfalls lieber heute als morgen aus der Liga der Rathenows und Neustrelitze verabschieden würde. Zumal sich Tennis Borussia vordergründig betrachtet bestens dazu eignet, sich als dekadenter, blutleerer – und vor allem westdeutscher – Neureichenklub stilisieren zu lassen.

      »In drei Tagen Europacup«

      Beim ersten Aufstieg 1994 profitierte TeBe davon, dass dem Tabellenersten Union Berlin, dem Klub aus dem Oststadtteil Köpenick, die Lizenz wegen einer gefälschten Bankbürgschaft verweigert wurde (woran TeBe unbeteiligt war). Seit stattdessen der Zweite TeBe in die zweite Liga aufstieg, galt man im Ostteil der Stadt als reicher Schnöselverein, der sich als Projektionsfläche für die absurdesten, gerne auch mal antisemitisch aufgeladenen, Verschwörungstheorien geradezu anbot. Dass TeBe schon bald wieder abstieg, wurde zumindest in Berlin-Köpenick mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.

      Ende der 1990er Jahre wurde dann der kleine, aber seit jeher mit einer feinen Fanszene gesegnete Klub aus Charlottenburg vom Wahnsinn heimgesucht. Mit Hilfe der »Göttinger Gruppe«, einem höchst dubiosen Versicherungskonzern, wollte man in möglichst kurzer Zeit mit Millionensummen in die Bundesliga aufsteigen. Spätestens unter Winni Schäfer, der es so rein gar nicht verstand, lauter hoch bezahlte, meist schon etwas betagte Individualisten zu einem Team zu formen, und noch nach Monaten die Namen der Spieler verwechselte, machte

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      Kaum einer mag den BFC. Darauf sind sie beim BFC stolz.

      man sich bundesweit unbeliebt. TeBe hatte damals in den Fanszenen zwischen Hamburg und München ein ähnliches Image wie die TSG Hoffenheim heute.

      Die Pläne des Unternehmens scheiterten, TeBe musste Insolvenz anmelden. Doch das Image weigerte sich standhaft, ebenfalls in Konkurs zu gehen. Endi und sein Kumpel, beides dezidierte Linke, haben sich schon damals über die pauschalen Verurteilungen geärgert: »Es wäre ja schön gewesen, wenn man mal zur Kenntnis genommen hätte, dass die ›Göttinger Gruppe‹ von keiner Seite so viel Druck bekommen hat wie von uns Fans.« Vor allem über eines der besten Fanzines Deutschlands, die Lila Laune, mischten die sich kräftig ein.

      Aus Protest zog man von den angestammten Plätzen unterhalb der Haupttribüne auf die gegenüberliegende Seite, der Größenwahn der Investoren wurde mit ironischen Sprechchören karikiert: »Wir steigen auf und niemals ab – in drei Tagen Europacup.« Trotz kurzzeitigen sportlichen Erfolgs – der Aufstieg in die zweite Liga gelang, wo man zunächst auch halbwegs erfolgreich mitspielte – strömten die Zuschauermassen nach wie vor nicht. Etwa 4.000 Zuschauer kamen im Schnitt – das war damals für Zweitligaverhältnisse solides Mittelmaß im unteren Drittel der Zuschauertabelle. Doch verglichen mit der Vergangenheit war das verschwindend wenig. Im Endspiel um die Berliner Meisterschaft 1952 sahen 75.000 Zuschauer im Olympiastadion einen 4:2-Sieg TeBes über Union 06. Auch in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga in der Saison 1973/74 kamen deutlich über 20.000 Zuschauer zu den Heimspielen. Mehr Fans wären Ende der 1990er Jahre durchaus möglich gewesen, doch besonders für die bisherige Zielgruppe, den kritischen Teil der Berliner Fußballfans, war der Deal mit der »Göttinger Gruppe« alles andere als eine Werbemaßnahme.

      Die anfänglichen Hoffnungen, man werde doch in einer Riesenstadt wie Berlin wenigstens ein paar hundert Leute in den Block kriegen, zerstoben dann allmählich: Schon im alten Westberlin galt TeBe als irgendwie niedlich, aber rettungslos uncool. Nicht nur wegen des weitläufigen Stadions in einem Stadtteil fernab der Szeneviertel.

      Die wenigen, die TeBe zu ihrem Lieblingsverein auserkoren haben, unterscheiden sich jedoch wohltuend von den Fans vieler anderer Vereine. Zum Beispiel dadurch, dass sie die 100-Jahr-Chronik des Vereins zum großen Teil selbst gestalten. Martin Hoffmann und Martin Endemann beschreiben die Stimmung Ende der 1990er Jahre darin wie folgt: »Auf TeBe-Seite stellte sich langsam ein kleiner Haufen Fans

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