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mit seinem Vater nicht vertragen. Das muß auch ein ganz sonderbarer Heiliger sein. Nun ging er vor einigen Jahren auf eigene Faust nach Johannesburg, hat da eine Unmasse Geld verdient, und seitdem treibt er sich müßig in der Welt herum. Das Komische dabei ist, daß sich die beiden, Franklin und der Prinz, eigentlich nicht ausstehen können. Ich muß immer lachen, wenn ich den Großen und den Kleinen so freundschaftlich nebeneinander sehe.«

      »Vorwärts, Frau Angela!« schrie der Prinz herüber. »Gleich um die Ecke ist das Grand Hotel Balmoral-Palace mit Lift, Wintergarten und elektrischer Beleuchtung. Die Table d'hôte hat schon begonnen!«

      Sie lachte. »Kommen Sie mit!« sagte sie zu ihrem Begleiter. »Ich muß Sie doch mit meinen Freunden bekannt machen!«

      Er schüttelte den Kopf. »Heute, bitte, nicht, ich habe Fieber und ganz dumme Stiche im Herzen. Ich hab' ja erreicht, was ich wollte, und Sie getroffen. Nun will ich mich schlafen legen! Ihre Expedition füllt die eine Herberge jedenfalls reichlich. Also gehe ich in die andere!« Er rief seinen Diener und wechselte mit ihm ein paar arabische Worte. »In der Fonda d'España ist, wie ich eben höre, noch ein Bett frei!«

      »Nun, dann auf morgen!« sagte sie mit ihrer hellen Stimme und reichte ihm von Pferd zu Pferd kameradschaftlich die Hand.

      4.

       Inhaltsverzeichnis

      Durchdringender Knoblauchsgeruch mit kaltem Zigarettenqualm vermischt, zwei von den drei vorhandenen Betten des nie gelüfteten Zimmers von einem blonden europäischen Kaufmann und einem schnarchenden Spanier besetzt, dessen pechschwarzes Haupt- und Barthaar undeutlich aus gelblichbrauner Wäsche sich abhob, kahle Dielen, schmutzige Wände mit einem Muttergottesbild als einzigem Schmuck, lose in den Angeln klappernde Fenster und chaotische Unordnung von nassen Kleidern, kotüberzogenen Schuhen, Leder- und Wollproben überall – sehr einladend war die Unterkunft nicht, welche die »Fonda d'España« dem spätabends gekommenen Fremden zu bieten vermochte.

      Der stand nachdenklich vor dem Bett, einem gichtbrüchigen Holzgestell.

      Der Wirt, ein schläfriger Spanier, sah das Zaudern des Gastes vor dem zweifelhaften Lager und entschloß sich, mit der krankhaften Vorliebe der »Inglès«, der Fremden, für reine Wäsche vertraut, ein übriges zu tun. Er ging und kam mit einem sauberen, kleinen, spitzenbesetzten Kopfkissen wieder, das er mit einer gewissen Feierlichkeit auf dem Bett niederlegte. Nun war nach seiner Ansicht den äußersten Ansprüchen an Komfort Genüge getan. Verlangte der Fremde noch mehr, so war ihm nicht zu helfen!

      Aber der Fremde hatte genug. Er schickte den Wirt fort, warf sich, in seinen Mantel gewickelt, mit allen Kleidern auf das Bett und blies das Licht aus.

      Der Regen rauschte, eintönig klapperte das zerfallene Fenster in den Angeln, der Spanier und der blonde Kaufmann sägten und schnarchten im Schlaf um die Wette, und über den müden Gast, der mit offenen Augen wach in das Dunkel hineinsah, kam trotz des eklen Lagers allmählich die Ruhe. Er war zu erschöpft. Leichte Fieberschauer durchrieselten ihn und webten um seinen unstet arbeitenden Kopf ihre Dämmerschleier, bis das Bewußtsein darin versank und einige Stunden traumlosen Schlafes ihn umfingen.

      »Allah ist Allah! Mohammed ist sein Prophet!« Durch das Dämmern des Regenmorgens klang klagend feierlich der Ruf der Muezzin, und von fernen Minaretten tönte es wie ein Echo im Frühlicht wieder: »Beten ist besser denn Schlaf!« – »Eine Stunde bis zum Tode!« und wieder, mit der dröhnenden Wucht tiefer, kräftiger Männerstimmen: »Allah ist Allah! Mohammed ist sein Prophet!«

      Der Baß der Gebetrufer weckt die Gläubigen. Daß der ungläubige Christ die fünfte Stunde nicht verschläft, dafür sorgen die Flöhe von Tetuan. Ist die erste bleierne Ermattung vorüber, so findet er vor dem Andrang der Quälgeister keine Ruhe mehr und gibt, das Lager räumend, den hoffnungslosen Kleinkrieg verloren.

      Unten, in dem viereckigen Mittelraum der Fonda herrschte schon Leben, als der Afrikaner ärgerlich, in seinen Mantel gewickelt, die Treppe herabstieg. Die Wirtin, eine dicke Spanierin, und ihre leidlich hübschen Töchter gingen in saloppen Morgenjacken, die Haare flüchtig aufgesteckt, hin und her, ein paar barfüßige Mägde räumten auf und schürten das offene Herdfeuer, dessen prasselnde Reisigglut ihren Flackerschein über einige halbschlafend davor kauernde, in abenteuerliche Fetzen gewickelte braune Gesellen warf. Ein kleiner verschmitzter Berberjunge, der die Kapuze seines regentriefenden Mäntelchens hoch über den Kopf gezogen hatte und von hinten wie ein verirrter Gnom aussah, stand, sich die Pfötchen am Feuer wärmend, fröstelnd neben ihnen. Auf der anderen Seite winkte aus einem Nebenraum ein ganz einladend gedeckter Tisch.

      Wenn es dem Señor gefällig sei, möge er dort Platz nehmen und sich nur noch eine Viertelstunde gedulden, dann sei der Kaffee fertig.

      Allein der Señor zog es vor, dem zweifelhaften Dunst der spanischen Häuslichkeit zu entfliehen. Er stieß die Tür auf und trat auf die Gasse hinaus. Eine Seitengasse, von Kot und Wasserlachen strotzend, vielfach von Hausbögen überwölbt, so daß sie halb einem schmalen Schacht, halb einem Tunnel glich. Auch auf ihr regte sich unter dem Ruf der Muezzin schon der neue Tag. Verschleierte Berberfrauen gingen, lautlos mit ihren bräunlichen Beinen den Schlamm durchmessend, vorbei; von halbwüchsigen Burschen getrieben, liefen bepackte Saumtiere und Esel geduldig ihren Weg; aus irgendeinem Spalt in einem gegenüberliegenden Hause schob sich, schwarz, unförmlich dick und scheußlich wie eine Kröte, eine alte Negersklavin, hob prüfend den wolligen Grauschädel zum Himmel empor und kroch kopfschüttelnd wieder in ihre Höhle zurück.

      Dann wieder trappelten Roßhufe um die Ecke. Ein vornehmer Marokkaner ritt, fest in seinen weißen Burnus gewickelt, daher. Sein beinahe schwarzes, auf Blutmischung mit der Negerrasse deutendes, von krausem Vollbart umrahmtes Gesicht hatte einen finsteren, grausamen Ausdruck. Er würdigte den Fremden, den die Weiber und Leute aus dem Volk mit unverhohlener Neugier angestarrt, keines Blickes und zog langsam weiter in den Regen hinaus.

      Regen, trostloser Landregen über einer morgenländischen Stadt, die, wie nichts anderes auf der Welt, blauen Himmel und Sonnenglut verlangt, um ihre bestrickend bunte Eigenart zu zeigen. Jetzt war das alles wie weggespült von den rastlos niederströmenden Fluten. Die streng nach außen abgeschlossenen, kaum mit ein paar vergitterten Fenstern versehenen Häuser, der breiige Morast zwischen ihnen, die triefende Himmelswölbung darüber – wie traurig war das alles, wie öde! Ein Gähnreiz lag über allen Dingen. Man konnte am Leben verzweifeln.

      Und doch fühlte sich der Forschungsreisende heute viel besser als am Tag zuvor. Das Fieber war gewichen. Auch die Schmerzen von dem Sturz hatten aufgehört, und in der herbstlichen Kühle des Morgens empfand er einen lange in dem Wüstenbrand entbehrten Hunger. Er frühstückte nun mit allem Ernst, von den hübschen, schlampigen Töchtern des Hauses bedient. Aber kaum war er mit den mächtigen, dickschaligen Orangen am Ende der Mahlzeit angelangt, so trieb es ihn wieder hinaus in die frische Luft. Für ihn, der nun so viele hundert Nächte im Zelt unter freiem Himmel, in Negerhütten oder den Häusern der Araber zugebracht, war diese schmutzige und übelriechende Karikatur eines europäischen Hotels ein Greuel.

      Wieder stand er draußen auf der Gasse, deren Überwölbung ihn vor dem Regen schützte, und schaute in die graue Welt hinaus, Stunde um Stunde, die Zigarette zwischen den Zähnen. Afrika hatte ihn Geduld gelehrt.

      Immer stärker brandete jetzt um ihn her das Leben der erwachenden Stadt. Aber es war immer dasselbe Bild, die Einförmigkeit des Orients, der keine Sonderart kennt. Immer die gleichen braunen Gestalten im weißen Mantel, gelben Schlappschuhen und hohen Kapuzen, die gleichen verschleierten Frauen mit den neugierig herumrollenden Augen, die Lastesel, die Ziegen- und Schafherden, die kaum bekleideten Negersklaven, halb Affen, halb grinsende Menschen, die in Lederschläuchen das Trinkwasser schleppten, dazwischen einmal ein Mekkapilger in weißem Turban, ein Schwarm Juden in langem schwarzen Kaftan, schwarzem Käppchen und roter Leibbinde – als wären es immer ein und dieselben Menschen, so kamen die Gestalten, verschwanden und kehrten wieder im Rieseln des Regens.

      Aber jetzt tauchten zwei neue Erscheinungen auf, die, wenn auch in Tetuan nicht ungewohnt, doch allgemeines Aufsehen

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