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die schmutzige Straße hinab und bogen auf den großen Marktplatz ein. Ganze Hammelherden blökten hier, im Regen zu graugelben Klumpen zusammengedrängt; zu Dutzenden lagen, in der Farbe kaum vom Erdboden zu unterscheiden, die Kamele in dem Schlamme, und endlos wirrte und wogte wie in einem Ameisenhaufen das Gewimmel der braunen Gestalten in braunen Mänteln und hohen Kapuzen schreiend durcheinander. Machten sie auch willig dem Europäer Platz, so kostete es doch Mühe, sich durch all diese unablässig über die engen Gassen hingespülten farblosen Menschen- und Tierwogen den Pfad bis zu der Herberge zu bahnen, die wie die Fonda d'España etwas abseits von dem großen Verkehr zwischen Winkelmauern lag. Am Eingang der Fonda lehnte der Wirt, ein zwerghaft schmächtiger Spanier. Er verstand nur seine Muttersprache und einige berberische und englische Worte. Allen Fragen nach Frau Angela Rey und ihren Begleitern wies er ein lächelndes Kopfschütteln entgegen und deutete mit der Hand die Straße abwärts.

      Er mußte schwachsinnig sein, da er so gar nicht begriff, um was es sich handelte! Aber der kleine braune Bengel wußte Rat. Er sprang davon und kam nach kurzem mit einem europäisch gekleideten jungen Juden zurück, der, den Strohhut lüftend, sich auf französisch bereit erklärte, aus Gefälligkeit den Dolmetscher spielen zu wollen.

      »Dann bitte, mein Herr,« sagte der Afrikaner gleichfalls auf französisch, »fragen Sie diesen Menschen da, warum er mich nicht bei Frau Angela Rey anmelden will! Sie erwartet mich! Ich habe ihr einen Brief geschrieben.«

      Der Jude wandte sich in erregtem spanischen Wortwechsel zu dem Inhaber der Fonda, dann wieder zu dem Fremden: »Der Wirt sagt, die Lady habe freilich einen Brief erhalten. Aber eine Stunde darauf sei sie abgereist!«

      »Abgereist?«

      »Jawohl. Sowie die Pässe vom spanischen Konsul da waren. Mit den beiden Gentlemen und aller Dienerschaft. In der Richtung nach Ceuta. Unterwegs wollen sie eine Nacht am Meer in Zelten lagern.«

      »Und was hat sie mir hinterlassen?«

      Erneuter Wortwechsel zwischen dem Wirt und dem Hebräer. Dann zuckte er die Achseln. »Mein Herr, der Wirt sagt, die Lady hat nichts hinterlassen!«

      »Gar nichts?«

      »Nein. Gar nichts!«

      Eine Weile stand der Fremde stumm da. Dann reichte er dem jüdischen Vermittler nach Landesbrauch die Hand. »Ich danke Ihnen«, sagte er kurz und ging langsam wie ein Schwerkranker wieder seiner Herberge zu.

      5.

       Inhaltsverzeichnis

      Gegen Abend hatte sich das Wetter geklärt. Vom Mittelmeer herüber wehte eine Brise durch das rauhe Land und scheuchte die Wolkenfluten in ihre Schlupfwinkel in der zerrissenen Wildnis des Atlas zurück. Bald brach die Sonne durch, mit stechenden Abendstrahlen, in deren Glut alles von Feuchtigkeit dampfte und die weiten Heidestrecken, die mit Agavenhecken umsäumten Gärten, die grünen Saatfelder am Habeschfluß sich in eine weiße Rauchdecke hüllten.

      Weiter nach dem Meere zu, jenseit des Kap Negro, verlor sich diese Üppigkeit des Pflanzenwuchses. Als da die Sonne am nächsten Morgen in langen feuerroten Streifen sich aus den blauen Wellen des Ostens hob, übergoß ihr Licht eine jener eigentümlichen Sumpflandschaften, wie sie der Kampf zwischen Ebbe und Flut an flachen Küstenstreifen erzeugt, ein Gewirr von Sanddünen, brackigen, reglosen Morästen, Seewasserpfützen und schlammerfülltem Buschwald, das niedere Höhenzüge nach dem Land zu, muschelbedecktes buntes Kieselgeröll auf der Seeseite abschlossen.

      Hart an der Flutgrenze des Mittelmeeres, neben einigen phantastisch aufgerichteten Felszacken stand ein Zelt. Maultiere und Pferde wälzten sich träge daneben am Boden und zwischen ihren angepflöckten Pflegebefohlenen lagen reglos, die Sättel als Kopfkissen unterm Haupt, in verschossene braune Mäntel gewickelt, die Gestalten der Treiber.

      Nur zwei Männer waren an diesem frühen Morgen schon wach, dessen bläßliche Wölbung sich klar und kühl über Länder und Meere spannte, und gingen schweigsam, die Zigarre im Mund, die Hände in den Hosentaschen, auf dem knirschenden Kies mit leisem Sporenklirren auf und nieder.

      »Hören Sie mal, Franklin!« sagte der Hüne nach einer Weile und blieb stehen. »Ich muß Sie mal was fragen.«

      » Well. Fragen Sie!«

      »Ich meine ... wann gedenken Sie denn eigentlich so ungefähr nach Johannesburg zurückzukehren?«

      »Nach Johannesburg? Gar nicht!«

      »Na, oder nach Amerika. Oder sonstwohin? Irgendwo muß der Mensch doch hin!«

      »Das weiß ich nicht. Es gefällt mir hier ganz gut!«

      »Wo denn?«

      »In Ihrer Gesellschaft, Durchlaucht!« sagte der kleine Yankee und lächelte leicht. »Ich wüßte keine bessere.«

      Der Prinz drehte ärgerlich seinen roten buschigen Schnurrbart und begann wieder mit seinen langen Beinen den Sand der Dünen zu messen. »Sie sind mir ja auch verdammt sympathisch!« murmelte er, mit der Reitpeitsche die Disteln am Boden köpfend. » ... Aber ... schließlich ... na, kurz gesagt ... Einer von uns kann sie ja doch nur heiraten!«

      Sein Begleiter lächelte tiefsinnig. »Ich werde Sie zur Hochzeit einladen, Prinz! Seien Sie unbesorgt!«

      »Oder ich Sie!«

      »Oder keiner von uns den anderen!« ergänzte der Kleine. »Das kann niemand wissen!«

      »Nein. Ich wollte auch nur wissen, ob Sie nicht die Sache aufgeben?«

      »Ich denke nicht daran!«

      »Ich auch nicht!«

      » All right!« Und einträchtig kehrten die beiden zum Lager zurück. Der Lange schraubte gähnend ein Fernrohr aus und musterte den Strand. »Dort ganz in der Ferne reitet sie«, brummte er. »Ich sehe so einen weißen Punkt und so ein Gewimmel drum herum. Das ist sie.«

      Er reichte das Glas dem Yankee, der bestätigend nickte. »Das ist Angela«, sagte er und sah auf die Uhr. »Und die zwei Stunden, die sie uns nach ihrem Abmarsch zu warten befohlen hat, sind um. Wir können aufbrechen! Hallo, ihr Kerle!« Er klatschte in die Hände. »Auf! An die Pferde!«

      In dem Getümmel der sich erhebenden Berber und ihrer Tiere blickte der Prinz sauertöpfisch drein. »Sagen Sie um Gottes willen, Franklin,« fragte er endlich, »ich zerbreche mir schon die ganze Zeit den Kopf: was ist denn heute eigentlich in Angela gefahren, daß sie allein mit ihren Leuten vor Tag und Tau vorausreitet und wir ihr erst in zwei Stunden Abstand folgen dürfen?«

      Der Kleine suchte lächelnd den weißen Punkt an der Küste. »Sehr einfach«, meinte er. »Es ist jemand in Tetuan, den sie nicht sehen will! Sie wissen, wer dieser Jemand ist!«

      »Ja.«

      »Gleich nach seinem Brief ist sie fort. Wir natürlich mit. Es wäre aber möglich, daß dieser Jemand hinter unserer Karawane herreitet. Dann trifft er bloß uns. Und was er sucht, ist verflogen wie der Wind. Das blinkt nur noch ganz ferne dort übern Strand. Wenn er es nicht weiß, kann er es auch mit dem Fernrohr nicht erkennen!«

      »Aber was sagen Sie ihm, wenn er nach Angela fragt?«

      »Was sie mir aufgetragen hat: Sie sei schon gestern abend an der Mündung des Tetuanflusses an Bord der dort kreuzenden Jacht ›Liberty‹ gegangen. In den Ozean kann er nicht hineingaloppieren. Also kehrt er um!«

      »Ach so!« Der Prinz stieg tiefsinnig in den Sattel und trieb das Pferd an. »Aber er kommt überhaupt nicht. Er sah sehr schlecht aus. Ich glaube, er wird krank!«

      »Ich glaube es auch!« meinte der Yankee gleichmütig, und die beiden trabten los.

      »Ah!« sagte der Riese nach einer Weile ärgerlich. »Wie die Gäule im Sand versinken! Wir kommen nicht von der Stelle! Ich habe dies Herumstrolchen in Afrika satt. Ich sehne mich nach meinen Bergen!«

      »In ein paar

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