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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays
Год выпуска 0
isbn 9788075830760
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
An dem seltsamen Unterschied ihrer Körperlänge erkannte der Forschungsreisende schon von weitem die beiden Gentlemen von gestern abend, die Freunde Angelas. Der knochige Hüne rechts mit dem langen, fuchsroten Schnurrbart war der Prinz, von dem sie gesprochen, sein Begleiter, eine kleine, sehnig gedrungene Figur, auf der ein glattrasierter, ausdrucksvoller Napoleonskopf saß, der Goldmensch aus Transvaal! Sie standen beide zu Mitte der Dreißig.
» Well, Sir!« Der Yankee trat, lässig den Hut lüftend, heran. »Ich bin erfreut, einem so prominenten Mann die Hand zu schütteln. Mein Name ist Franklin Moore.«
»Ysselstein!« sagte sein langer Begleiter düster und lakonisch, und dem Afrikaner fiel bei dem Klang des Namens ein, daß dieser gefürstete Nachkomme eines alten Raubrittergeschlechts auch einen Ruf in der Wissenschaft genoß. Allerdings in seiner Weise. Prinz Eitelwulf von Ysselstein war ein Mann, dessen Stumpfsinn alle stubenforschenden Gelehrten zur Verzweiflung brachte! Er führte die schwierigsten Hochgebirgstouren in Europa, in Südamerika und Neuseeland aus, ohne auch nur daran zu denken, daß man durch Höhenmessungen und physikalische Beobachtungen das Herz seiner Mitmenschen erfreuen konnte! Ihm genügte es, daß er oben gewesen war. Alles andere war ja Unsinn! Und ebenso brachte er von seinen tollkühnen Ritten durch Zentralasien, seinen Jagdausflügen an der Goldküste und in der Kalahariwüste nicht eine Notiz, nicht eine Tatsache von geographischem Wert aus den vielfach noch unerforschten Ländern mit. Ein Verzeichnis der geschossenen Elefanten und Büffel war das einzige, was man ihm bestenfalls entlockte. Um sonstige Kleinigkeiten hatte er sich nicht gekümmert und wußte keine Auskunft zu geben. Schließlich hatte man daran verzweifelt, den Kraftmenschen zu den Pflichten des neunzehnten Jahrhunderts zu bekehren und ließ ihn seine abenteuerlichen Wege wandern, die ihn, wie einst seine Vorfahren, über mondbeschienene Heiden und Waldgestrüpp, ziel- und zwecklos über Wasserstraßen und Karawanenpfade von einem Weltteil zum anderen führten.
»Wie befinden Sie sich, Herr?« fuhr indessen der Kleine heiter lächelnd fort. »Leidlich? Freut mich zu hören! Wir beide sind schon seit Morgengrauen auf! Unter uns gesagt ... es ist etwas Eigentümliches um dies ... dies Nachtleben in Tetuan. Ich schätze die Zahl der Flöhe hier bedeutend höher als an irgendeinem anderen Platz der Welt, den ich kenne!«
»Das Land ist schwach bevölkert«, bestätigte der düstere Prinz. »Aber die Einwohner sind es desto mehr! Ein Glück, daß wir wenigstens noch für Angela ein sauberes Quartier bekamen.«
»Und wie geht es Frau Angela sonst?« fragte der Afrikaner. »Kann man sie schon sehen?«
Der Kleine schüttelte den Kopf. »Sie ist noch unsichtbar. Zu ermüdet von dem gestrigen Ritt. Hat sich gleich, wie wir in die Herberge kamen, in ihrem Zimmer ihr Feldbett aufschlagen lassen und erklärt, sie käme heute nicht vor zwölf zum Vorschein.«
»Dann werde ich um zwölf Uhr meinen Besuch machen und mich inzwischen durch ein paar Zeilen anmelden!«
»Tun Sie das, Herr!« Der Yankee lächelte höflich, während sein reckenhafter Begleiter schweigsam und düster in die Ferne sah. »Auf Wiedersehen! Wir müssen jetzt zum spanischen Konsul!«
»Ich hätte Lust, diesen Konsul, den dicken Lümmel, mit seiner eigenen Schlafrockschnur zu erdrosseln!« brummte der Prinz. »Aber nachher gibt er uns, fürchte ich, keine Pässe nach Ceuta. Kommen Sie, Franklin!«
Er grüßte, und das ungleiche Paar wanderte die Straße weiter. Der Afrikaner schaute ihnen eine Weile nach, dann kehrte er in sein Zimmer zurück, holte sein Taschenbuch heraus und schrieb mit Bleistift einen Brief.
»Liebe Freundin!
Das erste, was mir entgegenklang, als ich, aus der Wildnis kommend, gestern wieder am Südrand der Kultur auftauchte – das war Ihr Name.
Das schien mir ein gutes Vorzeichen. Ich habe daraufhin meinen Reiseweg geändert und habe getan, was ich schon so oft seit dreizehn Jahren getan habe: ich bin hinter Ihnen hergeritten!
Sie wissen, es gibt kaum einen Winkel der Welt, wo wir uns nicht schon getroffen haben, in Sheppards Hotel in Kairo, im Yellowstone-Park drüben überm Wasser, auf den ›Inseln‹ in St. Petersburg, auf den Boulevards von Paris – ach, überall!
Und überall habe ich Sie dasselbe gefragt: Wann Sie endlich meine Frau werden wollen?
Und überall haben Sie nur gelacht. Dasselbe Lachen, das ich gestern in der Nacht seit lange wieder zum erstenmal gehört hab'! Denn echt ist Ihr Gesicht doch nur, wenn ein spitzbübisches Lächeln darauf liegt, wie es ja auch Ihr verehrter Herr Vater, der Petroleumkönig, besitzt.
Wann werden Sie endlich meine Frau? Als Sie mich vor zwei Jahren abwiesen, hab' ich die Achseln gezuckt, den Weg in die Wüste eingeschlagen und mir gesagt: Das war das letztemal! Nun vergiß sie wirklich!
Ich habe Sie nicht vergessen, und als ich müde von meinen Abenteuern zurückkam, da traf ich Sie sofort wieder, Frau Aventiure!
So hab' ich Sie damals genannt, dort oben auf dem Montblanc, als wir uns zum erstenmal sahen. Da standen Sie plötzlich hinter mir wie ein Geist in Ihren weißen Schneeschleiern, mit Ihrem Mann und Ihren Führern.
Oben auf dem Montblanc stellt man sich nicht vor. Da waren wir bald wie alte Freunde. Wir saßen beisammen im Schnee und frühstückten und lachten und deuteten mit der Hand unter uns: da unter Ihrer Stiefelspitze die kleine Spielzeugschachtel ist die Schweiz – und da drüben, dies zerknitterte Ding unter den weißen Lämmerherden von Wolken Südfrankreich, und da hinten, wo eben unten im Tal das kleine Gewitter niedergeht, Italien.
In der Stunde wurde mir frei und leicht. Ich hatte die Empfindung: du hast den Menschen gefunden, der zu dir gehört! Fleisch von deinem Fleisch und Geist von deinem Geist!
Ich bin zu wild und rauh für das Philisterglück. Ich habe es mir nie als so ein zärtliches, blondes Etwas am Kaffeetisch mir gegenüber denken können und ein anderes krabbelndes Etwas unten am Boden und ringsherum die gute Stube.
Das mag andere freuen. Ich brauche einen Kameraden oben auf den Höhen. Und als ich wenige Wochen darauf las, Ihr Gatte sei gestorben – da schien mir auch das wie eine Fügung des Schicksals für mich.
Ein Jahr darauf bat ich Sie, meine Frau zu werden. Sie haben gelacht und mich auf später vertröstet. Seitdem sind zwölf Jahre verstrichen. Ich bin über vierzig und habe mein Leben wahrlich doppelt gelebt. An meinen Schläfen färbt sich das Haar schon grau, und als gestern am Tor von Tetuan einen Augenblick das Streichholz aufleuchtete, da war es mir sogar, als läge auch über Ihren dunklen Haaren schon ein leichter silberner Schein.
Das ist natürlich Täuschung. Aber der Herbst ist nah. Wir werden alt und grau, Frau Aventiure, und müssen die Zeit nutzen, ehe alles traurig und öde wird.
Oder vielmehr: in mir ist's schon so! Was hab' ich von diesem ganzen wildbewegten Leben? Nur eine Leere, ein Unbefriedigtsein, ein fortwährendes Warten und Suchen nach dem, was das Leben eigentlich bringen soll.
Sie sollen mir das Leben bringen. Ich weiß es ganz genau und werde nicht eher froh. Wir beide gehören zusammen.
Erhören Sie mich diesmal. Ich hatte so eine gläubige Hoffnung, als ich Ihnen gestern durch die Nacht und Wüste im Galopp nachritt: diesmal muß es werden!
Um zwölf bin ich bei Ihnen.
Möge meine Hoffnung mich nicht täuschen!«
Er versiegelte den Brief und gab ihn dem Berberjungen zur Besorgung nach der nahegelegenen anderen Herberge. Nach kurzem kam der Bengel wieder, lächelte verschmitzt unter seiner Kapuze und meldete, daß der Auftrag ausgerichtet sei.
Der Afrikaner entlohnte ihn mit einem maurischen Silberstück und streckte sich wieder auf dem Lager aus. Er wußte nicht, was ihm fehlte, aber er fühlte sich schwerkrank seit dem Sturze von gestern. Die Beklemmungen im Herzen wollten nicht weichen und wurden stärker und stärker, je mehr der Zeiger seines Chronometers auf Mittag wies.
Die Erregung vor dem