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sich und kroch noch tiefer darunter.

      Seine Mutter hatte es so gemacht, wenn er fror, als er noch klein war. Filzhöhle hatte sie es genannt. Nach einer Weile wurde man darin immer warm, klebrig heiß und verschwitzt. Dann musste man alles von sich werfen und sich abkühlen.

      Engen war aus der blauen Tür herausgekommen, nein, er war herausgestürzt, direkt Tuborg in die Arme gefallen. Der hatte ihm geholfen, die Maske abzuziehen.

      »Stefan«, hatte er gemurmelt, mit heiserer, fremder Stimme. »Stefan ist noch drinnen und ich weiß nicht, wo er ist.«

      Stefan. Niemand benutzte den Namen. Alle sagten nur Almis. Bald kam Verstärkung. Und Almis’ Körper wurde herausgetragen. Er hatte sich die Maske abgerissen. War wohl in Panik geraten. Johnny hatte das selbst schon erlebt. Genau dieses Gefühl der Kapitulation. Ich gebe auf, scheiße auf alles. Aber es war was anderes, das dann wirklich zu tun. Schließlich hatte er Lotta und die Kinder. Sie waren es wert, für sie den Kampf aufzunehmen. Und was hatte Almis, seit es Maria nicht mehr gab? Nicht den geringsten Dreck.

      Als er an Maria dachte, packte ihn die blanke Wut. Es schnürte ihm fast die Kehle zu. Er sah sie vor sich, sah, wie ihre hundeähnlichen Augen sich mit Tränen füllten, wie sie sich gegen die Wand warf und heulte, als sie die Todesnachricht erhielt. Wie sie zusammenbrechen würde und alles bitter bereuen. Aber jetzt war alles zu spät. Wie sehr sie es auch bereute und wie gern sie alles ungeschehen machen würde – Almis war tot.

      Er erinnerte sich an ein Fest, das sie unten im Partykeller der Feuerwache gefeiert hatten. Einige hatten ihre Frauen mitgebracht. Almis war einer davon. Lotta war auch dabei. Sie hatte die Musik lauter gedreht, und sie hatten getanzt. Johnny hatte Maria aufgefordert. Sie war klein, sein Kinn ragte ein gutes Stück über ihren Kopf, er sah die weiße Kopfhaut, und er spürte ihre Brust durch den dünnen Blusenstoff.

      Sie hatte ein wenig getrunken, und sie schob ihre Hand zu seinem Gesicht hoch und strich ihm über die Lippen.

      »Ich mag Männer mit Schnurrbart«, sagte sie und sah ihm direkt in die Augen. »Männer mit Schnurrbart sind sexy.«

      »Meinst du?«

      »Ja. Und außerdem sollen sie ein bisschen rundlich sein um den Bauch, so wie du.«

      Er lachte, legte ihr seine Hand auf den Mund. Brachte sie zu ihrem Tisch mit den Chips. Drückte sie auf einen Stuhl und sagte, er müsse mal pinkeln.

      Als sie nach Hause fuhren, war Lotta sauer.

      Er fror immer noch. Dieser verdammte Vermieter. Der war zu doof, um richtig einzuheizen, schließlich war es mitten im Winter. Er musste schlafen. Er musste versuchen, sich zu entspannen, er überlegte, ob er Schafe zählen sollte, oder irgendeinen anderen Trick versuchen, obwohl die doch sowieso alle nicht funktionierten.

      Da schlug die Wohnungstür.

      »Hallo!«, rief er mürrisch.

      »Hallo.«

      Es war Jessie, Lottas Tochter, die sie in die Beziehung mit hineingebracht hatte. Sie war fünfzehn Jahre alt und ging in die neunte Klasse.

      Johnny stellte die Füße auf den Boden und stand auf. Die Decke um den Leib gewickelt, ging er in die Küche. Das Mädchen stand am Herd, eine Platte war eingeschaltet. Sie guckte ihn feindselig an.

      »Bist du schon zu Hause?«, fragte er.

      »Ja, glaubst du das nicht?«

      Eine fürchterliche Wut stieg ganz langsam in ihm auf.

      »Was ich glaube? Ich glaube, dass du eigentlich in der Penne sein solltest«, sagte er und seine Ohrläppchen juckten und wurden heiß.

      Ihr Haar glänzte, es war in einem Knoten im Nacken zusammengefasst. Ihr Gesicht war rund und ungeschminkt. Sie trug enge, leicht ausgestellte dunkelblaue Jeans und einen Pullover, der die Taille aufblitzen ließ.

      »Mir geht es nicht gut«, sagte sie nur kurz.

      »Was ist denn mit dir los?«

      Sie warf ihm einen schrägen Blick zu.

      »Meine Tage. Wenn du weißt, was das ist.«

      »Solltest du in dem Fall nicht lieber etwas Wärmeres anziehen? Am Bauch. Wenn es so schlimm ist, dass du von der Schule nach Hause gehen musst.«

      Sie glotzte ihn an, mit einem Blick voller Verachtung.

      »Das geht dich doch einen Dreck an!«

      Da schlug er zu. Die Ohrfeige traf sie genau auf der Wange, nicht gerade hart, aber es reichte, dass sie einen Abdruck hinterließ. Sie öffnete den Mund. Sie schrie.

      »Oh Scheiße, du spinnst ja, du bist ja ein Monster, und so jemand wohnt in unserem Haus ...«

      Dann weinte sie.

      Aus dem Topf auf dem Herd begann Dampf hochzusteigen.

      Johnny schaltete die Platte ab.

      »Wolltest du was kochen?«

      Sie gab keine Antwort, hielt sich die Hände vors Gesicht.

      Er fasste sie vorsichtig am Arm. Sie riss sich los.

      »Entschuldige, dass ich dir eine geklebt habe. Aber du schaffst es, mich zur Weißglut zu bringen!«

      »Tatsch mich nicht an!«

      Seine Hände packten ihre Oberarme, schüttelten sie. Der Kopf rollte vor und zurück, eine Haarnadel fiel auf seinen Fuß. Sie schrie laut auf.

      »Verflucht, Jessie! Beruhige dich!«

      Da riss sie sich aus seinem Griff los und lief in ihr Zimmer, warf die Tür hinter sich zu, dass es in der ganzen Wohnung dröhnte.

      Das Mädchen war vier Jahre alt gewesen, als er mit Lotta zusammenzog. Er hatte nie Probleme gehabt mit anderen Menschen zurechtzukommen. Die Leute mochten ihn eigentlich immer, Kinder und Hunde auch. Und natürlich die Frauen. Aber mit Jessica war es schwierig gewesen. Von Anfang an.

      Johnny ging zurück ins Schlafzimmer, doch es hatte gar keinen Sinn, sich wieder schlafen zu legen. Er spürte das, er war viel zu aufgewühlt. Und das lag nicht nur an dem Mädchen. Sobald er die Augen schloss, sah er Almis vor sich, Almis mit dem kantigen Kopf und dem etwas wehmütigen, müden Blick. Hatte er jemals Almis richtig laut und herzhaft lachen gehört? Nein. So ein richtiger Spaßvogel war er nie gewesen, auch nicht, als er noch mit Maria zusammen gewesen war. Es war, als lebte er in einer anderen Welt, ein wenig in sich gekehrt, nicht richtig anwesend.

      Johnny lag eine Weile im Bett und lauschte. Normalerweise dröhnte die Musik aus Jessies Zimmer durch die Wand. Jetzt war es still. War sie abgehauen? Nein. Das hätte er gehört. Sie hockte wohl da drinnen und schmollte.

      Er hatte wirklich versucht, nett zu ihr zu sein und ihr Vertrauen zu gewinnen. Und er hatte zu Lotta gehalten, obwohl die Götter Zeuge waren, dass es an seiner Geduld gezehrt hatte, dass er es sich niemals so richtig zusammen mit ihr gemütlich machen konnte. Das Kind musste immer dabei sein. Nun ja. Vielleicht nicht wirklich immer. Denn schließlich hatten sie ihr ja Geschwister verschafft. Henke, der nun zwölf war und Klein-Pelle von zehn Jahren.

      Ihren richtigen Vater hatte Jessie nie kennen gelernt. Er existierte nicht. Lotta kicherte immer etwas peinlich berührt und meinte, es hätte sich um eine Jungfrauengeburt gehandelt.

      Ehrlich gesagt war es wohl so, dass sie es selbst nicht genau wusste. Sie hätten dem Mädchen ja sagen können, dass er, Johnny, ihr Vater war. Aber als er ins Gespräch kam, war sie schon groß genug, um zu verstehen, wie es sich wirklich verhielt. Dumm im Kopf war sie nie gewesen.

      »Nein! Denn mein Papa ist Zauberer, und er wird dich wegzaubern!« Genauso hatte sie sich ausgedrückt, und damals war sie viereinhalb gewesen und Lotta hatte ihr erzählt, dass sie zusammenziehen wollten.

      »Jetzt wird Johnny dein Papa!«, hatte sie gesagt, und da war sie noch schlank gewesen und hatte das kurze schwarze Kleid getragen, das ihre hübschen Beine zeigte. Sie waren zum Fängan gegangen, hatten dort Kaffee getrunken

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