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Der Beschützer - Psychothriller. Inger Frimansson
Читать онлайн.Название Der Beschützer - Psychothriller
Год выпуска 0
isbn 9788726445084
Автор произведения Inger Frimansson
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Johnny holte sich einen Becher und schenkte sich ein. Der Kaffee war schwach und nicht richtig heiß. Johnny blätterte ein paar Zeitungen durch, nein, es stand nichts drin. Eine ganzseitige Anzeige zeigte Kleidung für Teenager. Das Mannequin war ein mürrisches Mädchen in Jessicas Alter, ihr gar nicht so unähnlich.
Der Putzmann ging mit dem Eimer hinaus, kam aber gleich zurück.
»War der Kaffee zu kalt?«, fragte er. »Ich habe noch ein bisschen Wasser nachgekippt.«
»Ist schon in Ordnung.«
Der weißhaarige Mann nahm sich auch einen Becher und ließ sich am Tisch nieder.
»Hast du Kinder?«, fragte Johnny.
Svempa starrte ihn an.
»Kinder?«
»Ja.«
»Ich hatte mal welche. Aber wir haben keinen Kontakt mehr.«
»Nein?«
»Na, wenn sie klein sind, dann sind sie so ... ja, man gibt für sie sein Leben hin. Aber dann wachsen sie sich zurecht. Und dann ...«
Johnny dachte an die Jungs, an Henke und Klein-Pelle.
»Na, das muss ja nicht immer so sein«, sagte er langsam.
»Ich weiß nicht. Aber irgendwie fährt man auf verschiedenen Gleisen.«
Eine Weile blieb es still. Svempa drehte seinen Kaffeebecher.
»Almis ... er hatte keine Kinder«, sagte er dann.
»Nein.«
»Dann gibt es also keine Kinder, die trauern.«
Sein Hals war dünn und faltig, plötzlich stand er auf und ging zu einer Topfpflanze, die am Fenster stand. Mit Daumen und Zeigefinger zupfte er ein Blatt ab.
»Es tut mir Leid«, sagte er leise.
»Mir auch.«
»Was soll man dazu sagen?«
»Es gibt nichts zu sagen. Es ist nun mal so.«
Von der Straße her war ein Motorengeräusch zu hören, ein Diesel. Johnny zog sich halb hoch und schaute aus dem Fenster. Die Einsatztruppe kam zurück. Es war wohl wie üblich ein falscher Alarm gewesen. Ein Rauchmelder, der verrückt gespielt und losgejammert hatte.
»Ich hau mich für ’ne Weile aufs Ohr«, brummte er. »Ich will meine Ruhe haben.«
Er legte sich in seinen Kleidern hin. Sein Kopf platzte fast, und ein paar tiefe Risse in den Fingerspitzen schmerzten. Die Dämmerung setzte bereits ein, er hörte die Geräusche der anderen, Stimmen aus dem Stockwerk unter ihm. Jemand war auf dem Klo, Toilettenpapier wurde abgewickelt, eine Runde nach der anderen.
Er hatte das Gefühl, als hätte er Sägespäne in den Augen.
Der Raum in diesem dunklen Dezemberlicht, er kannte ihn eher im elektrischen Lichtschein, jetzt sah er fremd und anders aus, wie ein Zimmer in einer Hütte, das vermietet wurde. Die abgenutzte Birkenkommode mit ihren Schubladen, der Radiowecker, die gestreiften Standardgardinen. Auf dem Nachttisch lagen ein paar Zeitschriften, Der Feuerwehrmann, Feuer und Feuerschutz, eine Zeitungsbeilage vom Sommer und ein Taschenbuch ohne Einband. Er teilte das Zimmer mit drei anderen. Hoffte, das keiner hereinkommen würde.
Er hatte sich auf die Seite gedreht, als sein Handy klingelte.
Scheiße, dachte er. Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße.
Es war Lotta. Sie rief aus dem Friseursalon an, in dem sie arbeitete. Er konnte sofort hören, dass sie mit ihrer Tochter gesprochen hatte.
»Wo bist du?«, fragte sie.
»Auf der Wache.«
»Wieso, du fängst doch nicht vor halb sechs an.«
»Nein, ich weiß.«
»Ich möchte mit dir über etwas reden.«
»Können wir das nicht später, Lotta. Ich kann das im Augenblick nicht.«
»Wieso kannst du das nicht? Aber Jessica misshandeln, dass konntest du offenbar!«
»Hat sie das gesagt? Hat sie gesagt, dass ich sie misshandelt habe?«
»Du hast sie geschlagen, hat sie gesagt. Und sie war total erschüttert. Sie ist noch nie vorher geschlagen worden, Johnny, noch nie. Begreifst du das? Noch nie hat jemand die Hand gegen sie erhoben. Du bist der Erste, der das gemacht hat. Der Mann, den ich liebe ...«
»Lotta!«
»Und vielleicht war das ja gar nicht das erste Mal.«
»Nun hör aber auf!«
»Man kann ja nie wissen. Das war jedenfalls dumm, mit Gewalt richtet man gar nichts aus. Ich dachte, du als Feuerwehrbeamter würdest das am besten wissen.«
»Feuerwehrmann, Lotta. Nicht Beamter.«
»Nun häng dich nicht an Worten auf!«
»Okay, okay. Ich gebe ja zu, dass das dumm war. Ich habe ganz einfach die Nerven verloren. Sie hat mich provoziert ... bis ich geplatzt bin. Du weißt doch, wie sie ist.«
»Das ist keine Entschuldigung.«
»Verzeih mir.«
»Johnny ... Wir müssen jetzt vorsichtig mit ihr sein, sie ist in einem empfindlichen Alter. In dem mit den Kindern alles schief gehen kann. Ich meine, wenn sie sich zu Hause nicht wohl fühlen. Dann können sie abhauen und auf die schiefe Bahn geraten. In schlechte Gesellschaft kommen. Mit allem, was damit zusammenhängt.«
Es ist dein Kind, dachte er. Aber er sagte es nicht.
»Johnny, ich will das nicht so haben, ich möchte, dass wir es schön miteinander haben.«
»Aber das will ich doch auch.«
»Außerdem hat sie Bauchschmerzen, sie hat ihre Menstruation. Wir müssen ein bisschen Geduld mit ihr haben. Mädchen sind so empfindlich.«
»Okay. Ich werde mir Mühe geben.«
»Ich habe noch zwei Kundinnen, dann fahre ich nach Hause. Hast du was eingekauft?«
»Sollte ich das?«
»Ich habe einen Zettel geschrieben und ihn an den Kühlschrank geklebt.«
»Den habe ich nicht gesehen, hier ist so viel passiert, Almis ist tot. Wir hatten einen Alarm heute Nacht, und er ist aus dem Feuer nicht wieder rausgekommen.«
»Tot! Was sagst du – Almis ist tot?«
»Ja.«
»Mein Gott, Johnny! Das kann doch nicht wahr sein!«
»Doch, leider stimmt es.«
»Aber warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Und warum haben sie nichts im Radio gebracht? Ach nein, wir haben heute ja gar kein Radio gehört, da ist irgendwas kaputt mit dem Apparat, wir müssen einen neuen kaufen, der alte funktioniert nicht mehr.«
Er schwieg.
»Johnny«, sagte sie, und ihre Stimme klang angespannt und schrill. »Du musst doch heute Nacht nicht arbeiten, oder?«
»Doch«, sagte er. »Doch. Ich werde arbeiten.«
6
Franki machte sich immer zuerst auf dem Fahrrad warm. Wenn es noch frühmorgens war, fuhr er mit einem Widerstand von sechzehn, war es schon später am Tag, konnte er bis auf zweiundzwanzig hochgehen. Anfangs, als er die Wohnung gerade neu bekommen hatte, stellte er seinen Radiowecker immer auf halb sechs, um dann aufzustehen und zu trainieren. Um diese Uhrzeit war er noch so verdammt müde. Und so frustriert.
Inzwischen wachte er von allein auf. Das war allein eine Frage des Willens. Sonst nichts. Vollkommene Kontrolle