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Jungs saßen noch in der Küche. Sie klatschten mit schmierigen Händen auf den Tisch. Die Kuchenkrümel lagen unter ihren Stühlen auf dem Boden. Er hob sie heraus, erst Lukas, dann Simon, schnupperte an ihrem verschwitzten Haar, ein süßlicher Geruch, nach Kind. Jetzt wollten sie spielen, mit ihm. Nicht still sitzen und kuscheln, kein Märchen hören oder auf dem Schoß sitzen. Sie liefen ins Kinderzimmer, er blieb stehen. Er musste noch sauber machen, den Tisch abwischen, er stand in der Tür, und der Küchenschrank schwankte.

      »Almis«, murmelte er, »du verdammter Idiot.«

      Stefan Almgren war ziemlich am Boden gewesen. Deprimiert. Das war in mehrerlei Hinsicht zu merken gewesen. Einmal wurde er beim Körpertraining ohnmächtig, sank einfach zusammen und fiel zu Boden.

      Sie fragten ihn, ob er krank sei. Er sagte, er sei nur ein wenig aus dem Gleichgewicht. Nicht krank, er könne schon arbeiten und so. Nur etwas durcheinander. Und traurig. Aber er wollte nicht drüber reden. Doch nach einer Weile verstanden sie. Maria.

      Sie kannten sie, genau wie sie die Frauen und Kinder all ihrer Kollegen kannten. Sie hatten sie gern gehabt. Eine kleine dunkle Frau mit braunen Augen und einer schönen Figur. Etwas scheu. Etwas nachdenklich.

      Du findest schon eine Neue, hatten sie ihn zu trösten versucht. Almis, die Welt ist voller Weiber. Und er lachte, bekam aber so einen abweisenden Blick, und er veränderte sich, wurde schweigsamer.

      Das Telefon klingelte. Mats nahm den Hörer und brüllte hinein.

      Es war seine Mutter.

      »Gute Güte, Gott sei Dank, dass du zu Hause bist. Wir haben es im Radio gehört, Papa und ich. Das über den Brand. Da ist doch jemand gestorben ... Und da haben wir schon Angst gehabt ...«

      »Ich war es nicht«, sagte er kurz.

      »Nein. Das ist mir auch klar, Mats. Aber es war doch einer von deiner Wache?« »Es war ein Kollege.«

      »Einer deiner Kollegen? Von deiner Wache?«

      »Ja.«

      »Wer denn?«

      »Stefan. Stefan Almgren.«

      »Der kleine Stefan? Mit dem du immer gespielt hast?«

      »Ja.«

      »Oh, wie schrecklich, Mats. Wie fürchterlich.«

      »Ja.«

      »Wie ist es passiert?«

      »Er hat den Rauch eingeatmet.«

      »Aber habt ihr nicht solche Atem ...?«

      »Doch. Aber er hat seine Atemmaske abgenommen.«

      »Was? Warum, warum hat er sie abgenommen?«

      »Ich weiß es auch nicht.«

      »Nein, natürlich nicht.«

      Er hörte, wie sie mit seinem Vater sprach. Er stand mit dem Hörer am Ohr da und schaute ins Zimmer der Jungs. Sie saßen mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden. Sie spielten mit Legosteinen. Das Fenster glänzte vom Schneeregen.

      »Ich bin etwas müde, Mutter«, sagte er. »Ich muss mich erst mal eine Weile hinlegen. Wenn du entschuldigst.«

      Camilla hatte es bei ihrer Zahnärztin gehört. Die wusste, dass sie mit einem Feuerwehrmann verheiratet war. Deshalb hatte sie geradeheraus gefragt.

      »Ich nehme an, dass es nicht Ihr Mann war, der umgekommen ist. Sonst würden Sie wohl kaum hier auf dem Stuhl liegen.«

      »Umgekommen!« Camilla war hochgefahren und die Serviette, die über ihrer Brust ausgebreitet gelegen hatte, war zu Boden gefallen.

      »Ja, sie haben es im Radio gesagt, schon vor einer Weile. Ein Brand draußen bei Hjorthagen. Ein Feuerwehrmann ist dabei zu Tode gekommen.«

      Sie weinte, als sie nach Hause kam.

      »Wer war es, Mats, wer war es?«

      Plötzlich konnte er Almis’ Namen nicht aussprechen.

      Sie sagte, er solle jetzt schlafen, sie hielt ihn im Arm, und die Haut auf ihren Armen war so unfassbar weich.

      »Du hast die ganze Nacht gearbeitet, Mats. Und so schreckliche Sachen mitgemacht.«

      Jetzt war sie die Starke, führte ihn zu den ungemachten Betten und ließ ihn hineinkriechen.

      »Willst du was zu trinken haben?«, flüsterte sie, und ihr Blick war scheu und bittend.

      Er schüttelte den Kopf.

      »Doch«, bestand sie drauf. »Ich koche dir eine Tasse Tee.«

      Er hörte sie in der Küche rumoren. Er lag auf der Matratze und hörte, wie sie zu Gange war. Seine Finger berührten etwas Dünnes. Ihr Nachthemd. Er zog es heran und zerknüllte es zu einem Ball, der fast ganz in seine hart zusammengepresste Faust passte.

      4

      Waltraut hatte sich zwei Engel gekauft. Sie waren weiß, gehäkelt, mit Goldflügeln und langen, schlottrigen Beinen. Mehrere Tage hatte sie hin und her überlegt. Sie waren teuer, und eigentlich meinte sie, es wäre Unsinn, Engel für mehr als einen Tausender zu kaufen.

      Aber warum nicht, redete sie sich schließlich selbst ein. Warum nicht ab und zu ein bisschen verrückt sein? Warum musste eigentlich immer alles so verdammt genau bedacht sein?

      Jetzt versuchte sie, die beiden Engel an der Decke über ihrem Bett zu befestigen. Sie hatte einen Stuhl aufs Bett gestellt, aber als sie darauf kletterte, schwankte er hin und her, als würde er jeden Moment umkippen. Sie ging auf die Knie. Wagte nicht, wieder aufzustehen.

      »Scheiße!«, flüsterte sie. »Das schaffe ich nicht.«

      Natürlich konnte sie jemanden um Hilfe bitten. Ihren Vater beispielsweise. Er würde sofort herbeigeeilt kommen, selbst wenn er mit vierzig Grad Fieber im Bett läge. Er würde das mit den Engeln zwar garantiert nicht verstehen, es aber akzeptieren, ohne eine Frage zu stellen. Ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter.

      Das Telefon klingelte. Waltraut kletterte vom Stuhl herunter und ging ran. Wie sie gedacht hatte. Ihr Vater.

      »Ich habe gerade an dich gedacht«, sagte sie. »Wenn man an den Teufel denkt ...«

      »Na, so was. Und worum ging es?«

      »Ach, nichts Besonderes. Nur so.«

      »Aha. Nun, wie geht es dir? Hast du ausgeschlafen?«

      »Ja.«

      »Ist es gestern gut gelaufen?«

      »Ja.«

      »Es tut mir Leid, dass wir nicht kommen konnten, das war wirklich schade.«

      »Aber ihr habt mich ja schon oft gehört.«

      Er hustete.

      »Du weißt, wie gern ich dich höre.«

      »Doch, ja, das weiß ich. Ist es ein wenig besser mit deiner Erkältung?«

      »Kaum. Ich glaube, ich habe sogar ein bisschen Fieber.«

      »Armer kleiner Papa, soll ich nach Hause kommen und dich pflegen?«

      »Damit du dich noch ansteckst? Kommt gar nicht in Frage.«

      »Und wie geht es Mama?«

      Vater senkte die Stimme.

      »Es geht besser mit ihrer Erkältung. Aber ... sie ist etwas durcheinander. Du weißt, so geht es ihr immer, wenn etwas passiert ist. Da war doch so ein Feuer, und da ist es für einen Kameraden deines Bruders böse ausgegangen.«

      »Was sagst du da?«

      »Ja. Einer der Feuerwehrleute ist umgekommen. Ich kenne keine Details.«

      Waltraut bekam einen ganz trockenen Mund.

      »Stimmt das? Und Mats? Ist mit ihm alles in Ordnung?«

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