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faul und glücklich in einem Schaukelstuhl auf der besonnten Terrasse; dieses Hotel ist zu herrlich; ach, Paul und Lupu fahren los; Lupu kennt alles und hat eine Masse Adressen im Kopf, ja, die billigen Pensionen auch, in denen Statisten wohnen, aber wozu denn in eine riesige Wohnkaserne, in so ein Apartment House? Man kommt ebenso billig weg, und es ist angenehmer, wenn man ein Bungalow mietet, ein möbliertes Häuschen mit drei, vier Zimmern. Schliesslich beschreiten sie einen Mittelweg und Paul besichtigt, mit ungläubigem Staunen, ein kleines, hölzernes Märchenschloss, das mit vielen anderen in einem schönen Palmengarten steht, um ein zentrales Gebäude herum, in dem die Waschküche ist, das Bureau und eine Kantine, in der man zu essen bekommen kann, wenn man das so wünscht; das Unternehmen heisst „der Sykomoren-Bungalow-Hof“ und ist vielleicht nicht sehr vornehm; es hängt vor den anderen Bungalows, den bereits bewohnten, ein bisschen viel Kinderwäsche, aber Paul, an die Grossartigkeit kalifornischer Wohnungen noch nicht gewöhnt, findet alles vortrefflich, die drei kleinen Zimmer, die winzige Küchenkammer, ihm hat die „Porch“ es angetan, die Veranda, mit drei Schaukelstühlen darauf. Er weiss sofort, wo hier der Schreibtisch stehen wird, unter den kardinalroten, hängenden Blüten der Bougainvillea, die sich vom hölzernen Pfeiler herabrankt, köstlich, köstlich! Lupu, auch nur ein Mann und beim Wohnungssuchen unbeholfen, ist dennoch ein bisschen praktischer; den fetten Manager der Sykomoren-Bungalows nennt er, mit einer erschreckenden Bösewichtsmiene, „big boy“, und klopft ihm auf den Bauch und gibt ihm eine Zigarre, und handelt die Monatsmiete geschickt herunter, von fünfundsechzig Dollars auf sechzig, es kommt Paul lächerlich wenig vor. Sie mieten noch nicht definitiv, sie müssen erst Claire holen. Während sie in Lupus Wagen wieder ins Ambassador fahren, erkundigt sich Paul, von der Geographie dieser Stadt verwirrt, wo das eigentlich liegt, die Sycamore Bungalow Courts, ob im Zentrum, und ob nur das Atelier der Fantoma-Films in der Nähe liegt. Lupu lacht, was ist in Los Angeles-Hollywood in der Nähe? Man sitzt ja den ganzen Tag im Auto, verliert seine Zeit. Was die Bungalows anbelangt, so liegen sie schäbig, aber nicht ungeschickt: Western Avenue, die endlose, lange Querstrasse, die den Hollywood Boulevard kreuzt, ist höchstens drei Blocks entfernt, da sind wir schon; man kann sogar, wenn man Geduld hat, hier an der Ecke auf einen Autobus warten. „Das soll es geben“, sagt der Autobesitzer Lupu verächtlich. Er hat ja doch, so sehr er Hollywood hasst, schon diese Hollywooder Mentalität, für die ein Mann mit einem billigen Ford eine Art Bettler ist, geflickt, doch reinlich; beim Chevrolet fängt der Mensch erst eigentlich an, dann geht die Klassenordnung bis zu der lichten Höhe der Skala: Rolls Royce und allenfalls Lincoln. Wer nicht einmal einen Ford hat, wer den Street Car benutzt, der ist wie ein Bettler, doch einer auf Krücken. Zu Fuss geht niemand. Was ist das, zu Fuss gehen?

      Ja, ein Auto müsse der Herr Doktor sich kaufen, rät Lupu, wenn sich der Aufenthalt in Los Angeles irgendwie ausdehnt. Sonst ist er, Lupu, für Sparsamkeit. „Wollen Sie die hiesigen Filmmillionäre durch den Glanz Ihrer Lebenshaltung blenden? Jede Zehn-Dollars-Note, die man nicht ausgibt, ist ein Tag, den man weniger hierbleiben muss.“

      Nach solchen Tagen rechnet, scheint es, der Lupu; wie ein Sträfling im Kerker. Paul Pauer, ganz hingerissen von der Schönheit, die er überall sieht, von der Sonne, den Blumen, den Kolibris, von den kleinen Häusern, hört verblüfft und ein wenig ungläubig zu. Das ist doch gewiss nur Pose und allenfalls Spleen? Weswegen sollte man hier denn nicht leben können? Aber Lupu, immer heftiger, schwört groteske Eide: an dem Tag, an dem er eine gewisse Summe erspart hat, eine geheime Summe, die er nicht nennt, an dem Tag fährt er fort von hier. Und wenn er den letzten Rest der Summe am Vormittag kriegt, beim heiligen Gott, er wartet nicht mehr bis zum Abendzug nach Chicago, obwohl der der beste ist; er fährt mit dem Zug fort, der gegen Mittag geht, am nämlichen Tage!

      „Aber miesmachen will ich es Ihnen nicht, Doktor!“ beteuert Lupu am Schluss.

      *

      Claire sieht mit den anderen, den weiblichen Augen die Wohnung an und findet kleine Fehler genug; eigentlich kommt es ihr doch wunderbar vor, dass sie ein Häuschen für sich allein haben sollen; sie wird ihren drei Freundinnen schreiben: eine Villa. Die Einrichtung besteht freilich vorwiegend aus Schaukelstühlen und Spucknäpfen. Wo, um Gottes willen, ist ein Schrank? Der dicke Manager der Sycamore Bungalow Courts öffnet einen Wandschrank, noch einen. Erst ganz am Schluss fällt es den Wohnungssuchern auf, dass sie in dem Häuschen alles gefunden haben, nur nicht ein Bett. Es stellt sich heraus, dass die riesigen Wandspiegel in jedem der drei Zimmer, die Claire bisher so sehr imponierten, die Betten sind. Man löst einen Haken, und der Spiegel sinkt aus der Wand zu Boden, entpuppt sich als die untere Seite des Klappbettes. Claire findet das reizend, Paul ein bisschen weniger. „Das ist ein Bett für euch Filmschauspieler,“ sagt er zu Lupu, „bei Tag lebt ihr gleichsam vor dem Spiegel, denn was ist denn die Kamera, und bei Nacht habt ihr einen Spiegel als Unterlage für eure Träume, wie?“

      Von den dreien hat schliesslich nur Lupu Vernunft genug, um ordentlich danach zu fragen, ob Geschirr und Bettwäsche und dergleichen von der Bungalow Courts Company zu mieten seien und ob eine Aufwartefrau verfügbar ist. Paul Pauers Hauptsorge ist offenbar, ob auch in diesen Garten, in seinen Garten, die Kolibris kommen; Claire wieder hat eine leere Dachkammer entdeckt, und sagt, ganz unvermittelt: „Da könnte später der Martin wohnen!“ — Martin heisst ihr kleiner Sohn, der in Steglitz geblieben ist.

      Da macht ihr Gatte sein nachdenkliches Gesicht, mit dem Faltenwinkel über der Nase. Er weiss nicht, er weiss nicht — —. Soll unter den Träumen an der Schwelle dieses kleinen Hauses auch ein Traum von Martin sein, wie er im Garten zwischen den Bungalows spielt, unter den breitblättrigen Bananenstauden, und die Kolibris flattern über seinen blonden Kopf?

      Auch in dieser ersten Stunde des Besitzergreifens weiss Paul Pauer nicht, ob er das wünschen soll. Diese kalifornische Sonne ist wunderbar, aber — —.

      *

      Frau Claire findet ihren neuen Bungalow so lange reizend und ist so lange geneigt, vor sich selbst ein klein bisschen damit zu prahlen und sich Briefsendungen auszudenken, für ihre drei Freundinnen, bis Lupu sie um die Teestunde zu Lotto Heller fährt; er hat mit seiner Frau verabredet, dass sie hinkommen. Karl Erich, Lottos Mann, ist nur ein mittleres Licht, ein Regisseur mit fünfhundert Dollars wöchentlich, aber das Haus an der Vine Street, in den Bergen über dem Hollywood Boulevard, ein Haus in spanischem Stil und ungemein antik, obwohl es noch keine drei Monate steht und aus steinfarbener, hohler Pappe ist, kommt Claire mit seinen acht Zimmern und der schönen, mittleren Halle und mit einem Orangengarten am Abhang des Berges so unglaublich schön vor, so phantastisch millionärhaft, dass ihr die Lust vergeht, sich was auf das hölzerne Bungalow einzubilden. Zwei Autos haben die Hellers, den Buick, mit dem Karl Erich ins Studio fährt, und einen winzigen Chevrolet, für Lotto, wenn sie allein in die Stadt muss. Sie lernt selbst chauffieren, aber sie haben einen Diener für alles, einen schlanken, braunen Filipino, der kann auch das —.

      An diesem Abend, da Claire schon in dem neuen Bett liegt, dessen Boden ein grosser Spiegel ist, steigen seltsame und begehrliche Träume aus dem Spiegel auf, und Wünsche fluten in den Spiegel zurück; während Paul, von Magie nicht betroffen, noch lange Zeit schlaflos im Nebenzimmer auf seinem Spiegel liegt, der ihm nicht viel zu sagen hat, ausser vielleicht, dass ein Spiegel eine harte Unterlage ist für eine recht dünne Matratze.

      VI.

      Am Sonntag vormittag tut Paul so, als ob er beim Auspacken des grossen Koffers helfen wollte, aber Claire kann den Unordentlichen nicht gebrauchen und schickt ihn fort. Er geht also spazieren, die Western Avenue hinauf, bis zur Kreuzung mit dem Hollywood Boulevard, und dann den Boulevard entlang, ein gewaltiges Stück; auf den Hügeln nördlich von dem Boulevard muss nach dem Stadtplan ein grosser Park sein; eine Parkbank in der wundervollen kalifornischen Sonne ist jetzt das richtige. Paul kommt langsam vorwärts; die grosse Geschäftsstrasse ist so voll von Autos. An jedem Strassenübergang muss man eine Minute warten, bis ein Klingelsignal ertönt, das bedeutet: „Stop!“ Zwanzig Sekunden später wieder ein Signal. Der metallene Arm eines Wegweisers, automatisch bewegt, weist in die Richtung, in der man jetzt weitergehen kann, und eine Schrift auf dem Wegweiser befiehlt: „Go!“ „Geh!“ Paul Pauer bummelt gemächlich und bleibt vor schönen Geschäften stehen, die heute am Sonntag geschlossen sind, deren Schaufenster aber offen bleiben: vor einem chinesischen Kuriositätengeschäft mit bunten Seiden und amüsanten

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