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an unbestimmten Gesichtern vorbei, von denen doch einige seltsam wohlbekannt scheinen. Natürlich, denkt Paul Pauer, die Filmstars! Und er sieht Claire an, was die nun sagt, es ist so ein komischfeierlicher Moment, etwas wie ein Einzug neuer Götter auf dem Olymp; es macht Paul Pauer auf eine absurde Weise stolz, und dabei hat er wieder eine unklare, ahnende Angst — —

      „Valencia!“ macht das Saxophon. „Valencia — ah!“

      *

      An dem grossen Tisch, wo die Gesellschaft seines Bekannten Poldi Bergmann sitzt, findet Paul Pauer zu seinem Erstaunen, dass man von ihm weiss. Die Tischgesellschaft besteht aus lauter Filmleuten und ihren Frauen; es sind meistens nicht Schauspieler, sondern Regisseure, und lauter Europäer. Unter den Regisseuren der eine oder andere, dessen Namen jedermann kennt. Der Berühmteste von allen, Ernst Lubitsch, wird noch erwartet, er ist mit seiner Frau in der Hollywooder Arena, bei einem Boxmatch, und kommt wahrscheinlich später. Aber Gabriel Garisch ist da, Garisch von der „Ufa“, jetzt auch hierherengagiert, wie alle europäischen Regisseure, die den Amerikanern zu erfolgreich werden. Er ist der einzige von den Herren, der Abendkleidung angezogen hat, wahrscheinlich, weil er, ein Dunkler, Schlanker, im Smoking so gut aussieht; oder um eine Distanz zwischen sich und andere zu legen. Er ist, als eine Zelebrität, einer der ersten, mit denen die Pauers bekanntgemacht werden, er küsst der Dame die Hand und sagt zu Dr. Pauer, dass er sich freue, den Autor der „Sentimentalen Geschichte“ kennenzulernen. Paul blickt rasch auf; was weiss der von seinem Bändchen Lyrik? Aber sie wissen alle davon, oder vielmehr von einem niemals verfassten Roman, der „Sentimentale Geschichte“ heissen soll. Ein ganz junger Mensch mit flinken Kugelaugen löst das Rätsel, indem er, ein bisschen laut über den Tisch herüber, sagt, dass der heutige „Los Angeles Examiner“ die Ankunft Pauers angekündigt hat. „Dr. Power, der Gewinner des grössten europäischen Literaturpreises!“ Paul beginnt über die Informiertheit des Blattes zu staunen, nicht sehr freudig, bedenkt aber dann, dass dieses absurde Interview in dem grossen New-Yorker Abendblatt unschwer vor ihm nach Los Angeles gelangt sein kann, und dass man es in der Redaktion des „Examiner“ ausgeschnitten haben mag. Der ganz junge Mensch mit den flinken Augen ist so lang, dass man Knoten in seine Beine binden möchte, heisst aber doch immer nur „der kleine Cox“, wahrscheinlich, weil er einmal Cohn geheissen hat. Man erfährt, dass er, trotz seiner erheblichen Jugend, etwas sehr Majestätisches ist, nichts weniger als der „Casting Director“ der Mirador Films Corporation; das ist eine Grossmacht in Hollywood und in der Welt; der ungeheure Filmkonzern, in dessen Diensten jetzt auch Gabriel Garisch steht; ein Casting Director aber ist, scheint es, der Mann des Schicksals, der Herr über Tod und Leben, der Mensch, der in den Filmen die Rollen verteilt und der die Statisten aufnimmt. Neben dem kleinen Cox, der dennoch wirkt wie ein zu langer und lebhafter junger Dackel, sitzt eine gleich auf den ersten Blick sympathische Dame mit einem Doppelkinn, folglich keine Filmschauspielerin; ihr Mann ist Schauspieler, dieser Düstere, Hagere, Schwarze, Herr Georg Lupu. Paul, der einmal Filmkritiken geschrieben hat und überhaupt viel in die Kinos geht, erkennt ihn sofort, er kommt ja in so vielen Hollywood-Filmen vor, als ein romantischer Bösewicht. Immer ein Bösewicht. Im letzten Akt, vielleicht, kann ihn zur Not die Unschuld und Schönheit der Heldin rühren; in diesem Falle lässt er sie frei und schreitet melancholisch hinaus in die Nacht; oder er wird von seiner eigenen Bande aus Versehen erschossen und stirbt irrtümlicherweise, aber geläutert. Jetzt sitzt er da, mit einer österreichischen Virginier oder einer ähnlichen schwarzen Giftstange unter der Nase, die bemerkenswert ist, fast eine Cyrano-Nase; seine dickliche Frau hat die Gewohnheit, nach seiner Hand zu fassen und sie zu tätscheln; er spricht fortwährend, in einem geläufigen Deutsch, das doch ein wenig nach dem Balkan schmeckt, und mit einer wundervoll klangreichen Stimme, die viel zu edel aus der Bösewichts-Leiblichkeit kommt. Der beste Freund dieses Lupu ist Heller, Karl Erich Heller, ein Filmregisseur aus Berlin, eigentlich aus Wien, eigentlich aus Prag, eigentlich aus Brünn, vielleicht nicht bedeutend, aber nett, ein zierlicher, kleiner Mensch, manikürt und mit Brillantine geglättet und im Besitz der reizendsten kleinen Berliner Range von Frau, Lotte Heller, Lotto genannt, lauter Lächeln im schwarzen Bubikopf. Der, Karl Erich Heller, ist der beste Freund aller Menschen an dem Tisch und ganz besonders des Bösewichts Lupu, mit dem er fortwährend und hartnäckig streitet, über Nichtigkeiten, die nur mühsam zu einem Streitgrund gemacht werden können. Es ist noch Hjalmar Sverdrup vorhanden, der wohlbekannte norwegische Regisseur, der nun auch vom Sprechtheater zum Film geschwenkt ist; der hat eine merkwürdige blonde Eiswalküre zur Frau, die wie ein sonnenbestrahlter Gletscher wirkt, geheimnisvolle und kalte Ströme rauschen tief verborgen unter dem Gletscher. Und ein ungarisches Ehepaar, dessen Namen die Pauers nicht recht verstehen.

      Sie alle sind nett gegen die Ankömmlinge, ohne Steifheit vom Anfang an; man kann sehen, dass Claire den Männern gefällt und den Frauen nicht unsympathisch ist, ausgenommen vielleicht die eisfunkelnde Frau Sverdrup. Paul Pauer wird mit einem gewissen Respekt behandelt, wegen der Notiz im „Examiner“; jedermann nimmt es von vornherein als gegeben, dass er nach Hollywood gekommen ist, um einen „Job“ bei einer Filmfirma zu suchen, oder vielleicht, um Filmideen zu verkaufen; weswegen kommt denn ein deutscher Dichter nach dem anderen nach Hollywood? Der kleine Cox, der schon seit fünf Jahren in Hollywood lebt, und wirklich schon ganz ein Amerikaner ist („ein Hundertfünfprozentiger“, sagt der stets sarkastische Lupu), — der kleine Cox verschleisst sogleich, über den ganzen Tisch herüber, hundertfünfprozentige Ratschläge: nur, um Gottes willen, nicht „highbrow“ sein, den Scenario-Departments kein Szenarium vorlegen, das zu europäisch ist, vergeistigt oder was, dann ist man in Hollywood unten durch! Er sagt: Hallywood. Sogleich wird Lupu wild: schön so, das hat er erwartet! So oft ein europäischer Verfasser herkommt — —

      Das Deutsch Georg Lupus, in Klausenburg, Siebenbürgen, erlernt, ist ein bisschen pittoresk.

      — — so oft ein europäischer Verfasser herkommt, und man darf noch hoffen, dass er sich nicht ganz verkaufen wird, sofort rät ihm irgendein Renegat, ein europäischer Yes-Man, wie sie sich in den Studios herumtreiben, dass er sich platt vor die Herren Amerikaner hinlegen soll, und nur nicht versuchen, etwas besser zu machen in dieser Idiotenanstalt, und immer yes sagen, zu jeder Narrischkeit, zu jeder ekelhaften Konvention, yes und yes — —

      Der kleine Cox wird rot im Gesicht und ganz böse, und fängt an, Englisch zu sprechen, nein, American, und scharf; vielleicht würde es ein wirklicher Streit, wenn nicht Gabriel Garisch eingriffe, mit einer Ruhe, in der Autorität ist. Der kleine Cox verstummt sofort und schmollt dann auf seinem Stuhl; offenbar ist Gabriel Garisch jemand, den er zu schonen hat. Garisch sagt: „Wenn alle Stoffe des Herrn Dr. Pauer so sind wie die „Sentimentale Geschichte“, dann wird er gute Szenarios schreiben! Ich habe das reizend gefunden, die Grundidee der Sonette, den Kampf zwischen dem Theaterkritiker und der Schauspielerin, wie er sie als Schauspielerin bekämpft und als Frau gewinnt — —“

      Er hat die Sonette wahrhaftig gelesen! Paul sucht vergeblich, ein bisschen Autorenvergnügen zu verhehlen, aber Claire wird furchtbar rot, sie fühlt sich entkleidet, dieser fremde Mann in Amerika weiss — —

      Sein Blick ruht auf ihr, ein Blick, der ganz kalt und überlegen ist, ein bisschen unheimlich.

      *

      Die drei intimsten Freundinnen Claire Pauers, an die sie in der Folge lange Briefe über diesen ersten Hollywooder Abend schreibt (bevor noch die Korrespondenz einschläft, und die Freundschaft), können, auf der andern Seite des Ozeans, kaum den Eindruck gewinnen, dass nach der langen Eisenbahnfahrt an diesem Abend Claire besonders müde und erholungsbedürftig gewesen sein muss; es sieht eher so aus, als hätte ihr Mann sie gar nicht bewegen können, zu Bett zu gehen. Claire hat in der Cocoa-Nut Grove nur gegessen (sie erwähnt zweimal, wie nebenbei, einen Austern-Cocktail, als Hors d’Oeuvre) und ein bisschen getanzt; es waren, an den anderen Tischen, lauter berühmte Leute da, die Pola mit ihrem kaukasischen Fürsten, und Douglas Fairbanks, mit Mary Pickford. (Sie trägt Smaragden, nicht zu glauben!) Aber dann haben die Lubitschs telephoniert, dass sie nicht ins Ambassador kommen wollen, sondern höchstens ins Montmartre, das der Boxarena fast gegenüber liegt; also ist man dorthin gefahren, in vielen Autos, furchtbar weit wieder, und dort — — Claire berichtet, im Triumph, dass sie mit dem leibhaftigen Rod la Rocque einen Charleston getanzt hat, und Vilma Banky war mit an dem Tisch, wunderbar schön! Dann kommen in den Briefen an alle die drei intimsten Freundinnen Andeutungen

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