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los, daß ihm die Berge um die Ohren rasselten.

      4. Kapitel.

      „Wo haben Sie denn Ihren Mantel, Kühne?“

      Der Steiger Kaminski schob mit dem Fuß die losgehauenen Kohlenstücke beiseite und sah den Hauer spöttisch überlegen an. „Wenn Sie, wie ich höre, im Sonntagsstaat zur Schicht kommen, hätten Sie ja auch Ihren Mantel mitnehmen können, nicht?“

      Karl Kühne stieg das Blut in den Kopf. „Halt die Schnauze, Kaminski,“ sagte er kurz und hieb von neuem auf das Gestein ein.

      „Immer langsam.“ Der Steiger bezwang seine innere Wut und spielte weiter den Überlegenen. „Ich mein es doch nicht schlecht mit Ihnen. Hätte gern gestern nachmittag ein Glas mit Ihnen getrunken, Kühne, aber Sie waren ja auf einmal verschwunden. Da hab ich ja nun mit Fräulein Paula und dem alten Becker vorlieb nehmen müssen.“

      „Von mir aus können Sie mit der Paula Hochzeit halten,“ knurrte Karl über die Schulter zurück. Kaminski knackte mit den Fingern.

      „Natürlich, Kühne. Wenn man, wie Sie, was Besseres auf der Gabel hat, nicht? Ich meine, wenn man mit vornehmen Damen im Bergwerk spazieren geht ... Was ist das eigentlich für ’ne Schweinerei,“ fuhr er plötzlich den kleinen Dombrowski an, der ihm aus Versehen auf die Stiefel gespuckt hatte. „Ihr schlaft wohl heut hier unten euren Katzenjammer aus? Schon zehn Uhr, und ihr habt erst die Hälfte von dem gefördert, was sonst euer Quantum ist!“

      „Ist sehr schwer, Steiger,“ wagte der Pole einzuwenden. „Müssen heute viel Berge herausklauben. Und die Kohle ist ganz zerdrückt.“

      „Dann habt ihr eben schlecht versetzt! Ihr müßt ...“

      „Nun ist’s aber genug!“ Karl Kühne drehte sich plötzlich um und trat mit wutverzerrtem Gesicht dicht vor den Steiger hin. „Daß Sie mich flachsen wollen, Kaminski, kann angehen, aber auf unsere Arbeit laß ich nix kommen. Ich versteh meinen Kram hier ebensogut wie Sie!“

      Der Steiger wurde blaß vor Wut. „Einen Dreck verstehen Sie! Von allen Kameraden fördert ihr am wenigsten! Weil ihr faule Hunde ...“

      Die Ohrfeige, die Karl Kühne dem Steiger versetzte, kam so schnell und war so wuchtig, daß Kaminski gegen die Felswand flog. Erst der Schmerz des Anpralls brachte ihn wieder zu sich. Eine Sekunde schien es, als wollte er sich über Karl werfen und mit ihm ringen, aber er besann sich noch rechtzeitig und suchte seine Fassung wiederzugewinnen.

      „Das ist tätlicher Angriff auf einen Vorgesetzten,“ keuchte er. „Sie sind entlassen, Kühne! Holen Sie sich im Büro sofort Ihren Lohn und Ihre Papiere!“

      Er wartete keine Antwort ab, sondern stiefelte den Stollen entlang zum Schacht. Auf seiner Wange brannte racheheischend ein roter Fleck.

      Der Schlepper Dombrowski wischte sich betrübt mit der Hand über den Schnurrbart und schüttelte den Kopf.

      „Was hast du gemacht, Kumpel? Der Jagdhund wird dich verklagen. Wirst gehen müssen. Einen Steiger schlagen, das ist ...“

      „’n sofortiger Entlassungsgrund,“ nickte Karl. „Na, dann such ich Arbeit in ’nem anderen Pütt.“

      „Ist sehr schwer heute, Kumpel. Schade. Wo wir doch so gut zusammen gearbeitet haben!“ Treuherzig, etwas verlegen sah er den Kameraden an. „Soll ich auch in den Sack hauen, Kumpel, und mitkommen?“

      „Nee, bleib man, Dombrowski. Ich weiß noch gar nicht ...“ Karl dachte an die Wandersehnsucht, die ihm in den Knochen steckte. Es war dumm, daß er sich zu der Ohrfeige hatte hinreißen lassen. Fällig war sie zwar längst, aber er ärgerte sich doch über sich selbst. Aber vielleicht sollte das so kommen. Wenn er jetzt entlassen wurde, dann — ja, dann mußte er sich ja nach anderer Arbeit umsehen. Denn hier im Bergbau war wenig zu machen. Darin hatte Dombrowski recht. Die Arbeitslosigkeit war noch immer groß. Tausende von Kumpels lungerten um die Stempelstellen.

      Karl Kühne packte sein Gezähe zusammen, lud den kleinen Dombrowski für den Abend zu einem Abschiedsglas ein und zog ab durch die Stollen.

      Oben im Lohnbüro schüttelte der Beamte ärgerlich den Kopf. „Was sind das für Sachen, Kühne! Mag schon sein, daß der Steiger Kaminski Sie gereizt hat, aber da darf man doch nicht gleich ... nee, nee, so was dürfen wir hier nicht einreißen lassen. Ich muß Ihnen die Papiere geben. Das heißt, gehen Sie heut mal ruhig nach Hause. Ich werde erst noch mal den Kaminski fragen. Wenn er nicht drauf besteht ...“

      „Fragen Sie ihn lieber nicht erst,“ sagte Karl gelassen. „Ich geh schon so.“

      *

      Der Empfang, den Karl Kühne daheim fand, war nicht geeignet, seine Stimmung zu verbessern. Ein Bergmannskind wie Paula Becker weiß natürlich sofort, was los ist, wenn ein Kumpel gesund und munter vormittags um 11 Uhr, drei Stunden bevor seine Schicht um ist, mit Sack und Pack heimkommt.

      Entlassen!

      Sie war schon bereit gewesen, es dem Karl zu verzeihen, daß er sie gestern abend umsonst hatte warten lassen, sie und die leckeren Kartoffelpuffer. Verheiratet waren sie ja nicht, und ein Mann hat ja wohl das Recht, sich einmal eine Nacht um die Ohren zu schlagen. Kam ja selten genug vor bei Karl Kühne, und vielleicht war’s ganz gut, daß er sich den Ärger heruntergespült hatte. Aber als sie ihn jetzt ankommen sah und sofort wußte, daß er seine Arbeit verloren hatte, schwand die versöhnliche Stimmung wieder dahin. Sie sah ihm mit gerunzelter Stirn entgegen.

      Karl bemühte sich, harmlos zu erscheinen. Er pfiff vor sich hin, während er seine Sachen verstaute. Endlich schleuderte er in die Küche hinüber und stellte sich, die Hände in den Hosentaschen, vor Paula hin.

      „Na, du fragst ja gar nicht, warum ich so früh heimkomme.“

      Das Mädchen zuckte die Achseln und wandte sich ab.

      „Was soll ich da noch fragen.“

      „Stimmt. Ich hab meine Papiere gekriegt.“ Karl versuchte, einen forschen, leichtsinnigen Ton anzuschlagen, aber es gelang ihm nicht recht. Er fühlte selber, daß seine Stimme unecht klang.

      „Und was willste jetzt machen? Stempeln gehn?“

      Er wurde ernst. „Hör mal, Paula, so schlimm ist das nicht. Ich hab doch zweihundert Mark auf der Sparkasse. Damit brauch ich vorläufig nicht zu stempeln.“

      Paula räumte ungerührt weiter in der Küche auf.

      „Und dann? Wenn die alle sind?“

      „Bis dahin hab ich wieder Arbeit. Nicht hier,“ schnitt er rasch eine höhnische Einwendung ab, die Paula machen wollte, und stieß dann schnell, als könne man seinen Entschluß verhindern, heraus: „Ich geh fort!“

      Das Mädchen schob wieder die Schultern hoch. „Anderswo ist’s auch nicht besser.“

      „Du verstehst mich nicht, Paula.“ Er versuchte sie an sich zu ziehen, ließ sie aber gleich wieder los, als er ihr Widerstreben fühlte. „Ich mein nicht nach einem anderen Pütt. Ganz fort will ich. Wandern! Endlich mal was vom Leben haben wie andere Menschen auch: Wälder sehen, Bäume, Bäche, Berge, blaue Luft, Kornfelder, andere Städte!“

      „Mensch, wie du wieder redst.“ Paulas Gesicht blieb hart und abweisend. „Als ob du davon leben könntest!“

      „Kommt auch noch, Paula.“ Karl Kühne sprach sich langsam in eine Begeisterung hinein. „Sieh mal, ich hab immer so ’ne Sehnsucht gehabt, in der freien Luft zu arbeiten. Ich tippele jetzt erst mal durch Deutschland und such’ mir ’nen Platz. Was meinste, Paula, wenn du mitkämst? Wir zwei, was? Wir blasen dem ganzen Pütt einen langen Marsch und wandern raus aus dem Kohlenland, weit fort, irgendwohin wo’s schön ist. Deutschland ist groß, Mädel. Und irgendwo finden wir dann auch mit der Zeit ’ne Arbeit. In einer Fabrik oder, was noch schöner wär, auf dem Land. Wir mieten uns so ’ne kleine Kate mit ’ner Kuh und ’ner Ziege, richten uns ein — was, Paula?“

      Nun saß sie doch neben ihm auf der Bank. Ihre Arme lagen

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