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bin ich mit dem dämlichen Ding an einer der Hunde hängen geblieben. Hoffentlich merkt der Steiger nix.“

      Die Hoffnung erwies sich als trügerisch. Karl hatte kaum den Mantel fortgehängt, als Dombrowski einen scheuen Blick rückwärts warf und ihn anstieß:

      „Der Jagdhund!“

      Da war auch schon der Steiger Kaminski. Er gab sich kaum Mühe, das übliche „Glück auf“ zu brummen.

      „Was fällt Ihnen denn ein, Kühne! Fortlaufen, mitten in der Schicht! Der Dombrowski hat seit ’ner Stunde nichts als Dreck gefördert!“

      „Mußte ’ne Frau zum Schacht bringen, die sich verirrt hatte,“ brummte Karl, ohne mit der Arbeit innezuhalten.

      „Besuch vom Alten.“

      „So?“ Kaminski stemmte die Arme in die Hüften. „Und da ziehen Sie sich einfach meinen Mantel an? Hab’ schon vom Schachtmeister gehört, wie Sie angegeben haben!“

      „Na, sollt ich mich vielleicht nackt vor die Frau hinstellen?“ Karl hieb auf den Fels ein, daß die Gesteinsbrocken dem Steiger um die Ohren spritzten. Kaminski setzte ein höhnisches Gesicht auf.

      „Hab’ ich gar nicht gewußt, daß Sie so feinfühlig sind.“ Er holte den Mantel aus dem Verschlag und begann plötzlich wütend zu zetern. „Also das ist doch ... so was von Frechheit! Der Mantel ist ja kaputt! Sie haben meinen Mantel zerrissen, Sie ...! Vorgestern hab’ ich ihn erst gekauft! Kostet zwoundzwanzig Mark! Jawohl! Zwoundzwanzig! Und Sie ...“

      Karl Kühne spuckte aus. „Wat brauchen Sie auch so ’n Dings mit unter Tag zu nehmen, Steiger! Konnten Sie ja in der Waschkaue lassen!“

      Kaminski fluchte wie ein reaktionärer Alttürke. „Geht Sie gar nichts an, Kühne! Ich kann anziehen, was mir paßt! Ich tu meine Arbeit darum genau so gut wie Sie!“

      „Hat ja keiner was von gesagt.“ Karl griff wieder nach der Hacke, aber der Steiger hielt seinen Arm fest.

      „Zwoundzwanzig Mark! Sie werden mir den Mantel ersetzen! Einen zerrissenen Mantel kann ich nicht brauchen! Schadenersatz, oder ich melde Sie beim Reviersteiger!“

      „Häng dich auf, du dämlicher ...“

      „Sechs Uhr, Steiger,“ unterbrach der kleine Dombrowski freundlich seinen Kumpel und drängte sich, seine dicke, altmodische Zwiebel emporhaltend, vor den Steiger hin. „Acht Stunden von Seilfahrt bis Seilfahrt. Die Schicht ist rum.“

      „Wir sprechen uns oben noch, Kühne!“ Der Steiger knüllte den Mantel zusammen und schob ihn unter den Arm. Seine Schritte verhallten im Stollen.

      Karl Kühne packte bedächtig sein Gezähe zusammen, zog sich an und machte sich ebenfalls auf den Weg zum Schacht. Wie ein treuer Hund trippelte auf seinen kurzen, krummen Beinchen der Schlepper Dombrowski neben ihm her, leckte sich unterwegs das Blut von der Hand, wo ihn bei der Arbeit ein spitzer Steinbrocken getroffen hatte.

      Die Schritte der beiden knirschten auf dem Kohlenbelag der Sohle. Aus den Nebenstollen tauchten tanzende Fünkchen auf, verdrossenes, mürrisches „Glück auf“, Kumpels mit hängenden Schultern, geschwärzten, schweißtriefenden Gesichtern und Nacken sickerten aus den Gängen, wurden zu grauen Klumpen, zu einem Strom, der sich durch den dunklen Leib des Berges dem Schacht entgegenwälzte, von dem schon ein anderer grauer Strom entgegenflutete, die Schichtablösung.

      Karl Kühne machte lange Schritte, um nicht in das Gedränge hereinzukommen. Der kleine Dombrowski konnte kaum mit. Dann hockten sie mit vierzig anderen Kumpels im Förderkorb. Fünf Schläge. Aufwärts ging die Fahrt. Wer’s nicht gewohnt war, dem verschlug’s den Atem. Aber wer war das nicht gewohnt?

      Grubenlichter flogen vorbei, triefende Verschalung. Wenn jetzt das Seil riß! Ist oft genug schon vorgekommen, daß der Förderkorb in die Tiefe gesaust ist und zermalmt hat, was drinnen war. Aber niemand von den Männern denkt daran. Man fährt ein, man fährt aus. Und wenn es so sein soll, dann bleibt man eines Tages da unten bei der Kohle. Bergmannslos.

      Die Fahrt wurde langsamer. Mit einem harten Ruck hielt der Förderkorb über Tage. Karl Kühne blinzelte aus schmalen Augenlidern. Es war nur die matte, kraftlose Sonne des Kohlenlandes, die aus halbverhangenem Himmel schien. Den Männern der Tiefe aber war es, als ob ihnen das grellste Tropenlicht in die Augen knallte.

      Heute war Löhnungstag. Von der Waschkaue ging es hinüber zum Lohnbüro. Karl Kühne zählte mißmutig den Inhalt seiner Tüte: Neununddreißig Mark sechzig. Er sonderte zweiundzwanzig Mark davon ab und drückte sie dem kleinen Dombrowski in die Hand.

      „Drüben steht der Jagdhund. Lauf rüber und gib ihm das Geld, Dombrowski. Sonst sorgt er noch dafür, daß ich morgen meine Papiere kriege.“

      Der verdammte Mantel! Mit schweren Schritten ging Karl Kühne über das Steinpflaster des Zechenhofs. Aber als er das Tor erreichte, hatte seine Stirn sich schon wieder geglättet. Da stand unter der Menge von Frauen und Kindern, die sich inzwischen angesammelt hatten, die Paula und nickte ihm zu.

      Karl Kühne gab ihr die Hand.

      „Vater ist schon nach Haus gegangen,“ sagte das Mädchen ruhig. „Aber ich hab auf dich gewartet.“

      „Daß ich durchgehe und den Abschlag versaufe, was Paula?“ lachte der Hauer neben dem Mädchen herschreitend. Sie zuckte nur die Achseln, ohne auf seine Neckerei einzugehen. Paula Becker verstand sich überhaupt nicht auf Neckereien. Sie war immer ernst und ruhig. Das Leben im Kohlenland hatte das so mit sich gebracht. Wenn man von seinem vierzehnten Lebensjahr an mit kargem Geld einen Haushalt führen, für Vater, Bruder und jetzt auch noch für den Karl sorgen muß, verliert man leicht den Sinn für harmlose Scherze. Und außerdem war das doch Quatsch. Sie kannte doch wahrhaftig den Karl Kühne gut genug. Der vertrank sein Geld nicht. Der war ein grundsolider Mensch, und die Paula machte kein Hehl daraus, daß sie sich ihre Zukunft als Frau Kühne dachte.

      „He! Kühne! Warten Sie mal!“

      Der Steiger Kaminski holte die beiden ein und hielt dem gereizt Aufschauenden ein Bündel hin. „Was Recht ist, ist Recht. Sie haben den Mantel gezahlt, also gehört er auch Ihnen.“

      „Was soll ich damit?“ Karl hätte am liebsten eine Grobheit hinzugefügt, aber auf den fragenden Blick Paulas bequemte er sich zu einer kurzen, mürrischen Erklärung.

      Das Mädchen hatte, während er sprach, den Mantel auseinandergefaltet und betrachtete den Schaden. Auch ihr Gesicht war finster geworden. „Zweiundzwanzig Mark für so ’nen Fetzen?“

      „Was Recht ist, muß Recht bleiben,“ erklärte Kaminski noch einmal und lüftete die Mütze vor Paula. „Schönen guten Abend, Fräulein Becker.“

      Karl Kühne sah ihm nach und zerquetschte ein Schimpfwort zwischen den Zähnen. Dann griff er nach dem Bündel in Paulas Händen.

      „Schmeiß das Ding doch weg! Kann sich ’n Hund an den Schwanz binden!“

      Aber Paula, die praktische, hausfrauliche Paula hielt den Mantel fest. „Nee, wo du ihn doch nun mal bezahlt hast, Karl. Da behalt doch wenigstens den Mantel. Den Riß flick ich schon aus.“

      Die Stimmung wurde nicht besser, während sie weitergingen. Beiden lag das unnütz fortgeworfene Geld auf der Seele. Zweiundzwanzig Mark! Das war ein halber Wochenlohn. Eine halbe Woche schwerer, schwitzender Frondienst da unten im Schacht. Wenn die Menschen alle wüßten, wie schwer und mühevoll das Geld oft verdient wird, sie würden es mit mehr Achtung behandeln.

      Lastautos mit Kumpels, die zu den entfernter liegenden Arbeiterkolonien fuhren, rasselten vorüber. Grußworte flatterten vorüber, Gesprächsfetzen, derbe Scherze. Ein struppiger Köter jagte eine Strecke heulend und kläffend neben einem der Wagen her.

      In den Türen der grauen Häuserreihen, an denen sie der Weg vorbeiführte, standen Arbeiterfrauen. Kinder spielten auf dem Bürgersteig und in den Hausgängen, die wie dunkle Höhlen aussahen. Dann stapften sie eine knarrende, schiefgetretene Holzstiege empor.

      Oben hatte sich August

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