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mit dem Ellenbogen in die Seite: »He, Kind, luge einmal meine Geldkatze an – was meinst – wollen mir einander heiraten? – Ich bin halt keiner von denen, die lange ›ich bitte und ich bete‹ stammeln und Küsse betteln – dummes Zeug – gerade recht geheiratet muß sein.«

      »Wenn's nur so geht, ist leicht ledig bleiben,« lachte Binia.

      Der Presi war es zufrieden, daß sie den ersten, die nach ihrer Hand trachteten, Körbe gab, denn es schien ihm nicht vornehm, daß ein Mädchen gleich auf einen, der ihm freundlich thut, mit offenen Armen zueilt, und er hatte den Vogel doch am liebsten im Haus. Der Gedanke, sich einmal von Binia trennen zu müssen, fiel ihm schwer.

      Doch in St. Peter hätte kein junger Mann so recht den Mut gehabt, der Schwiegersohn des gefürchteten Presi zu werden. Binia allein hielt den alten freundschaftlichen Verkehr mit dem Dorfe noch aufrecht. Und sie war mehr die Freundin der Armen und Gedrückten, als der wohlhabenden Haushaltungen mit heiratsfähigen Söhnen.

      »Vater, gebt mir noch zwanzig Franken – ich habe keinen Rappen mehr.« Sie wußte so drollig zu betteln.

      »Ich spare – und du verschwendest – will wieder einer eine Geiß kaufen?« »Ja, aber wer, sag' ich dir halt nicht –«

      Der Presi, der nicht geizig war, lachte und gab ihr den Betrag. Was verschlug es? Es ging ja auch viel Geld ein. Und es mußte ein leidliches Verhältnis mit dem Dorf unterhalten sein.

      Die von St. Peter schauten beinahe teilnahmlos zu, wie die Touristen mit ihren Bergstöcken durch die Gegend klapperten. Besteigungen der Krone fanden jetzt jeden Sommer mehreremal, ja häufig statt und der Bären war ein echtes, rechtes Bergsteigerquartier geworden.

      Gegen den Presi aber, der diese neue Zeit gebracht hatte, herrschte ein dumpfer Groll. Die Dörfler fühlten sich in St. Peter wie nicht mehr zu Hause, und wenn die Bauern auch viel Milch und allerlei anderes zu erhöhten Preisen in den Bären verkaufen konnten, so sprachen sie doch am liebsten von der alten Zeit, wo der Sommer in ruhigen Prächten durch das Thal gegangen war.

      Thöni diente nicht mehr als Bergführer, er war in allen Dingen die rechte Hand des Presi. An seiner Stelle geleiteten jetzt Führer von Serbig und Grenseln, Leute, die gemerkt hatten, daß auch in St. Peter ein schönes Stück Geld zu verdienen sei, die Touristen auf die Berge.

      Mit Schrecken sah Binia die wachsende Freundschaft zwischen dem Vater und Thöni.

      Thöni war, so vornehm er sich gab, eigentlich doch ein recht gemeiner Kerl. Wenn er einen freien Augenblick hatte, stand er unten vor dem Haus bei den Führern und unter vielem Lachen redeten sie miteinander wüste Dinge.

      Dann fuhr der Vater wohl mit einem »Gott's Sterndonnerwetter, Thöni!« dazwischen. – Wenn er ihm aber in seiner handfesten Art das Kapitel verlesen hatte, so ging alles langehin wieder glatt und gut, er hatte seine Freude an dem jungen Mann, der sich gewählt wie ein Fremder kleidete, den wohlgepflegten Schnurrbart kühn in die Welt stellte und seine vielen Geschäfte mit spielender Leichtigkeit erledigte.

      Und wie wußte Thöni dem Vater zu Willen zu sein und sich seinen Launen anzupassen! Darin war er unübertrefflich.

      Wie eine Hornisse aber schoß er durch das Haus, wenn er in irgend einem Gast einen Freier für Binia witterte. Und sie kamen immer zahlreicher, die Freier; aus dem Unter- und Oberland kamen die reichen Händler, die jungen Hotelbesitzer, und unter den Gästen waren nicht wenige, die für Binia schwärmten.

      Der Vogel aber entschlüpfte. In Binias ganzem Wesen lag wie in ihrem schlanken Leib die Kraft stählerner Geschmeidigkeit und stählernen Widerstandes. Wo sie ein echtes Gefühl spürte, da lohnte sie es wohl mit einem Blick, daß der Freier meinte, er habe in seinem Leben noch nichts Süßeres gesehen, aber durch alles, was sie that und ließ, klang es bald schelmisch, bald traurig: »Seht ihr nicht, daß ich frei sein will? – Was zwingt ihr mich, es euch zu sagen?« Wer ihr mit zudringlichen Huldigungen zu nahe trat, den blitzte sie mit einem Blick oder einem Wort nieder, daß er sich schämte und zahm wurde wie ein kleines Maultier.

      Jetzt lächelte aber der Vater nicht mehr, wenn sie einen Freier zurückwies. Mißtrauisch und grimmig loderte es aus seinen Augen. »Kind,« stieß er hervor, »wenn du meinst, du könnest mich narren!«. Und der Zorn zuckte um seine Brauen. Frau Cresenz tröstete dann auf ihre Art.

      »Was sich zankt, das liebt sich,« meinte sie mit kühlem Lächeln. »Ihr werdet sehen, das Blatt zwischen Thöni und Binia wendet sich. Nur sich nicht einmischen und nicht drängen.«

      Dem Presi kam eine Verbindung zwischen Thöni und Binia selber nicht mehr so unsinnig vor wie damals, als er den Garden wegen des sonderbaren Gedankens ausgelacht hatte.

      Das Kind blieb dann doch in St. Peter. Sie zu zwingen hatte er aber das Herz nicht. Sie war ja noch so jung.

      Die Zeit schritt, der Tag kam, wo Eusebi und Vroni, das glückliche Paar, Hochzeit hielten.

      So ein schönes Fest hatte man in St. Peter noch kaum erlebt. Ein junger Verwandter der Gardenfamilie und Binia führten das Brautpaar, und wie lieblich war Vroni mit der niedlichen kleinen Krone auf dem blonden Haupt, wie hübsch der einst so häßliche Eusebi, wie sah man es ihm an, daß das Glück den Menschen verschönt.

      Ans Glück dachte Binia am Morgen nach der Hochzeit, da donnerte sie der Vater an: »He, das Wildheuerkind ist am Ziel! Aber deinem Spiel schaue ich jetzt nicht mehr zu. – Meinst du, du dürfest um den toten Rebellen noch ein paar Jahre greinen. – Nichts da! Wenn du jetzt deinem Vater nach vielem Leid eine Freude bereiten willst, so zankst du dich mit Thöni nicht mehr, sondern überlegst ernstlich, ob du nicht im Frieden seine Frau werden könntest. Ich habe einen schönen Plan und daran hänge ich. Der Bären ist für unsere Gäste zu klein geworden, ich baue drüben gegen die Maiensässen hin ein Chalet im Berneroberländerstil, daß es mit seinen Balkonen ganz St. Peter überscheint. Und nun meine ich, wenn Thöni Direktor und du Frau Direktor des Hotels zur ›Krone‹ würdest, so wäre für dich gesorgt und ich könnte mein Haupt ruhig niederlegen. Thöni,« fuhr er fort, »ist aus guter Familie, er versteht das Geschäft und ich habe ihn mit der Zeit und namentlich in diesem Jahr lieb gewonnen – er ist lenksam und hört auf mich.«

      Das letzte sagte der Presi mit besonderem Nachdruck.

      Binia sah den Vater nur noch durch Thränen.

      »O, Vater,« stöhnte sie, »mir thun Kopf und Herz weh. – – Baue doch lieber nicht. – Denke an die Leute von St. Peter, die uns jetzt schon wegen der Fremden im Bären grollen.«

      »Ho, mit denen von St. Peter nehme ich es auf,« erwiderte er hart und es blitzte so bös aus seinen Augen, daß sie verstummte.

      Thöni zankte, wütete, schmeichelte, er weinte vor ihr. »O Bini – Bini,« suchte er sie zu überreden, »wir hätten's so schön zusammen!«

      »Thöni, ich nehme den, der mich freut, aber nicht einen, der schon mit so vielen Mädchen gelaufen ist.«

      Sie sagte es ernst und bekümmert – sie hatte eine geheime Furcht vor ihm.

      Doch war die Zeit da, wo Josi nach seinem Versprechen hätte zurückkehren müssen. Sie war in fieberischer Erregung, sie stand stundenlang am Fenster und schaute auf die Straße in den Herbstsonnenschein, später schaute sie in die Schneeflocken und am strahlenden Dreikönigstag sah sie, wie die Kinder ihre Häspel mit den drei papiernen Sternen drehten und hörte ihren Ruf:

      »Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern,

      Sie kommen von fern und suchen den Herrn!«

      So hatte sie als kleines Mädchen neben Josi den Windhapsel getragen und sich innig gefreut, wenn die drei Rosen, die gewöhnlich nicht spielen wollten, liefen.

      Kein Brief kam an Vroni – kein Lebenszeichen von Josi – er kam nicht und kam nicht. Und zum Neubau fällte man das Holz.

      Ja, wenn ihr dummes Köpfchen nur einsehen wollte, daß Josi gestorben ist. Mit Entsetzen gestand sie es sich: Sie sah sein liebes, offenes Gesicht nicht mehr so klar wie einst. Ihr war, leise und langsam senke sich ein feiner Nebel zwischen ihm und ihr

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