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nicht.«

      So knurrte er, als er über die steinerne Treppe hinunterschritt.

      Als er am anderen Tag mit dem Presi reden wollte, war dieser hart wie Glas, die beiden gewaltigen Männer, die sich sonst so gut verstanden hatten, überwarfen sich und der Verkehr von Haus zu Haus hörte auf. Nur Vroni und Binia sahen sich noch zuweilen.

      »Bini ist eine Spinnerin geworden!«

      So sagten die Leute von St. Peter und streckten dabei den Zeigefinger gegen die Stirn. Man munkelte, sie sei im Kloster Madonna del Lago mißhandelt worden. Um den bösen Segen, den sie und Josi von Kaplan Johannes empfangen haben, zu vertreiben, hätten ihr die Nonnen jede Nacht unter Gebet so viel Wasser, Tropfen um Tropfen, auf das Haupt gespritzt, daß mit dem bösen Segen auch ein Stück guter Seele von ihr gewichen sei. Und das suche und suche sie in Gedanken.

      Die thörichten Leute! Binia war allerdings, nachdem sie aus dem Kloster gekommen, eine Weile blaß und wankte wie ein Schatten einher, aber nicht die Nonnen hatten sie, den lustigen Wildling von ehemals, zu der Schweigerin gemacht, die, wieviel in ihr lebte, der Welt nichts als die großen dunklen Augen wies.

      Ein einziges, gräßliches Wort des Vaters!

      Und jetzt warb er nicht um sie wie einst – er setzte sich nicht an ihr Bett, er flüsterte nicht: »Meine Maus – mein Gemslein.« Er sagte nicht: »Du lieber, lieber Vogel.« Jetzt war auch keine Fränzi mehr da, die ihr zu mitternächtiger Stunde das wirre Köpfchen zurechtsetzte.

      Droben in ihrem Kämmerlein schluchzte sie: »Mutter – liebe tote Mutter: Es ist schrecklich – wie mich der Vater verachtet. – Und er ist doch so ein herrlicher Mann. – Und Josi muß ich halt lieben.«

      Manchmal wußte sie nicht, war es die Empörung gegen den Vater, war es die Liebe zu ihm, die stärker in ihr wüteten. Ein Blick – ein herzliches Wort – sie wäre jubelnd an seine Brust geeilt. Aber sein Ton blieb kalt wie das Eis der Gletscher, sein sonnenhelles Auge wurde, sobald er sie erblickte, lauernd und mißgünstig. Und das entsetzliche Wort, das er ihr entgegengeschleudert – das saß!

      Allein es ist nun wunderbar! In einem jungen Herzen kann die Hoffnung nie sterben. Dazu muß der Mensch alt sein – alt – alt! Mißhandelt ein junges Herz, zerbrecht es. Ein Sonnenstrahl, und lächelnd liest es seine Scherben auf, streicht mit zitternder Hand darüber, und es ist fast das feurige Herz von zuvor.

      Wie ein Tännling ist die Jugend. Ein Stein saust aus der Höhe und schlägt ihm die Kerze ab, die er so lustig in das Spiel der Winde erhob. Was thut der arme Tännling? – Er richtet ein Zweiglein gerade auf, das wächst emsig Tag und Nacht und wird zur Kerze, und kaum der Forstmann erkennt noch, daß der Tanne einmal die Krone abgeschlagen war. Aber eine junge, kerngesunde Tanne muß es sein, sonst bringt sie das Wunder nicht zu stande.

      Binia war eine junge, kerngesunde Tanne.

      Sie wurde die stille Wohlthäterin des Dorfes und übte ihren Herzensberuf mit der Frische und Wärme der Jugend. Sie guckte mit einem guten Lächeln in die Hütten, wo ein Weib, wo Kinder krank lagen, und plauderte Liebes mit ihnen. Sie gewann die Herzen und versöhnte. Wenn sie fort war, lag eine Blume auf dem Bett oder es klang ein Wort nach, das Glück verbreitete – und ihre größte Kunst – sie wußte jedem das, was er bedurfte, so zu geben, daß es kein Almosen war.

      »Redet einmal mit Binia, die weiß schon Rat,« sprach man im Dorf, »sie hat noch das bessere Herz als die selige Beth.«

      Und seltsam! Der Presi ließ sie gewähren. Wie der Name Josi Blatter, so schwand auch die tolle Besprechungsgeschichte aus den Gesprächen der Leute von St. Peter, sie sagten nur:

      »Wie ein Engel geht sie durchs Thal.«

      Unter den Gästen war niemand, der sie nicht liebte. Manche junge vornehme Töchter stellten sich wie Schwestern zu ihr: »Binia, Sie liebes gescheites Bergkind, wenn wir Sie nur mit in die Stadt nehmen könnten, man bekommt ja ein heißes Heimweh nach Ihnen.«

      Einer aber verging fast vor Eifersucht, wenn ein junger Herr der alpigen Rose ein Röslein schenkte.

      Thöni Grieg!

      Die schmähliche Versteigung an der Krone, die ihn dem Gelächter des Dorfes preisgegeben hatte, war der Anlaß, daß er nacheinander die Bubenschuhe, zuerst den einen, dann den anderen, ausgezogen hatte. Und nach dem großen Donnerwetter von damals stellte sich der Presi besser als je zu ihm.

      Thöni besorgt die Post, die im Sommer wichtig genug war, gewissenhaft, ebenso die Zufuhr der Lebensmittel von Hospel und war den Fremden im Haus durch sein fröhliches Temperament ein angenehmer Gesellschafter.

      Mit Binia aber zankte er sich immer noch. Und wie!

      »Mache ein anderes Gesicht gegen mich, du Wildkatze mit den Teufelsaugen!«

      »Thöni, schäme dich doch, dich hat man ja von den Kronenplanken holen müssen.«

      »Ich würde schweigen, wenn ich wegen einem Rebellen in Santa Maria del Lago versorgt gewesen wäre.«

      Wütend lief Binia davon. Sie wußte wohl, daß ihr der Vater mit Santa Maria del Lago einen Schimpf angethan hatte – einen Schimpf, den sie erst verdient hatte, als sie mit Josi in die prangende herbstliche Welt hinausgelaufen war. Aber sonderbar, der Tag glänzte wie ein Stern in ihren Gedanken, sie lächelte jedesmal verträumt, wenn sie seiner gedachte.

      Doch wenn sie dann vor sich hin staunte, so fuhr Thöni wie ein wildes Tier dazwischen.

      »Jetzt denkst du schon wieder an den lausigen Rebellen, Ich töte ihn, wenn er je wieder nach St. Peter kommt. Binia, jetzt gieb mir einmal ein gutes Wort – oder – oder –«

      Ein verzehrender Blick traf sie. Eines Tages wußte sie es: Hinter seinen Beleidigungen stand die wütende Eifersucht.

      Sie fürchtete Thöni und er merkte es.

      »O, ich thue dir nichts,« sagte er vorwurfsvoll, »aber wenn du nicht anders zu mir wirst, so stelle ich an mir selbst ein Unglück an.«

      »Thöni,« erwiderte sie kühl, »wenn du das nur über die Lippen bringst, so ist es kein Schade für dich. Du machst ja jetzt Bälzis Kind den Hof.«

      »O, nur aus Verzweiflung, daß du, statt mit mir lieb zu sein, mich kratzen möchtest.«

      »Dann wollt' ich aber sie nicht sein!« spottete Binia.

      Sie gab ihm kein gutes Wort.

      Zwischen Thöni und Bälzis Aeltester, die im Bären Magd geworden war, kam es so weit, daß Frau Cresenz, um den Unwillen der Gäste gegen die Liebeleien zu beschwichtigen, das sonst anstellige Mädchen mitten im Sommer entlassen mußte. Jeden Abend, oft noch sehr spät, lief er aus dem Haus, man munkelte, zu ihr.

      Es geschah aber heimlich und hinter dem Rücken des Presi, und Frau Cresenz schwieg, sie fürchtete die Händel.

      So ging der Sommer.

      Da machte Binia in den letzten Tagen zufällig eine merkwürdige Erfahrung. Ein alter ehrbarer Schweizermann, der ihr sehr streng geschienen hatte, den sie aber doch liebte, sagte Abschied nehmend zum Vater: »Schön ist's im Glotterthal – und einMeitli habt Ihr schon, Herr Präsident, daß man noch einmal jung werden möchte!«

      Nun horchte sie mit pochender Brust auf die Antwort des Vaters.

      »Ja, meint Ihr, ich habe den Vogel nicht auch lieb? – Für wen rackere ich mich denn? Ich hätte den Mut für das Vielerlei des Geschäftes nicht ohne das sonnige Kind!«

      Das sagte der Vater, der ihr nie ein warmes Wort, einen vollen rückhaltslosen Blick gab.

      Sie mußte an sich halten, daß sie nicht laut aufjauchzte, sie rannte und sprang wie ein Reh und die Gäste fragten: »Haben Sie denn Sonntag in den Augen, Binia?«

      »Ja freilich, das Leben ist halt schön!« lachte sie und fort war das Reh.

      »Ist das eine liebe Hexe – eine herzbezwingende Gestalt,« redeten die Gäste hinter ihr.

      Es

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