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ist, sondern weil der Anblick des Mädchens sein Herz erquickt. Seine Augen bleiben, so oft er es sieht, an dem Kinde hängen. Sie ist zwischen Siebzehn und Achtzehn und der Aufenthalt auf Santa Maria del Lago hat ihr nicht im geringsten geschadet. Sie ist frisch und schön, sie ist größer geworden, die Gesichtsfarbe heller, aber sie ist kein Dorfmädchen, dafür sind ihre Glieder zu zart. An der ganzen lieben Gestalt sieht man eigentlich nichts als die Augen, die unter den langen Wimpern so groß und dunkel sind, die so lebendig leuchten, daß einem darüber ganz warm ums Herz wird.

      Frau Cresenz hat gesagt, Binia habe die Augen von ihm, vom Presi, sie sei überhaupt sein Ebenbild, aber nur so, wie ein seines junges Tännchen einer Wettertanne gleiche.

      Ueber diesen schmeichelhaften Vergleich lächelt er jetzt. Binia singt.

      »Wenn sie nur nicht immer dieses häßliche Kirchhoflied singen würde,« denkt er. »Aber es ist das einzige Lied, das sie kennt. Und das beste, sie singt. Sie hat es seit dem Tod der seligen Beth nie mehr gethan. Ihr Gesang beweist, daß ihr die Abreise Josi Blatters gleichgültig ist. Ja, das Kind wird schon noch vernünftig, die Luft ist jetzt rein. Es ist gut, daß ich mit dem Burschen nicht mehr geredet habe.«

      Das Lied Binias bricht ab. Sie hat draußen ein kleines Wortgefecht mit Thöni. Sie zanken sich wie ehedem.

      Da kommt der Bursche in die Stube: »Es ist da ein Brief für Euch, Präsident!« Und geht.

      Der Presi liest, über sein vergnügtes Gesicht fliegen die Schatten tiefer und tiefer, vom Vergnügen sieht man keine Spur mehr – nur zuckende Wetter.

      »Gott's Donnerhagel, daß ich es an dem Tage nicht merkte, wo sie über die Schneelücke gingen. – Ein Telegramm – sie hätte im Kloster bleiben müssen. Ah – ah – eigens bereitgestellt habe ich sie ihm. O, was bin ich für ein Kalb!« So führt er mit rotem Kopf das Selbstgespräch und knirscht vor Wut.

      In dem Augenblick, wo der Presi so ächzt, tritt der Garde mit schwerem Tritt in die Stube und sieht die Verwüstung in seinem Gesicht.

      »Was giebt's, Presi?« Da reichte ihm dieser nur den Brief der Priorin von Santa Maria del Lago. Draußen hatte Binia ihren Gesang wieder aufgenommen. Als der Garde den Brief zusammenfaltete und ruhig auf den Tisch legte, stöhnte der Presi: »He, das ist eine schöne Geschichte – wenn man da nicht verrückt wird. – Ich schaffe das Kind wegen dem Rebellen fort, daß sie einander aus den Augen sind, ich meine, es sei alles gut, und biete den beiden die Gelegenheit, daß sie einen ganzen Tag ungestört miteinander herumludern können. Das wird schön zu- und hergegangen sein – der lausige Blatter – und mein Kind!«

      Er preßte die Pratze an die Stirne.

      »Schämt Euch, Presi! Ihr kennt Euer Kind – ich kenne Josi. Da ist gewiß weniger geschehen, als wenn die Bursche und Mädchen in Hospel draußen auf dem Tanzplatz sind. Rechte Liebe ist ehrfürchtig, eines für das andere.«

      »Das ist keine rechte, das ist eine schlechte. Ich mag halt den Wildheuerbuben nicht leiden.«

      Da legte der Garde die schwere Hand auf die seines Freundes und Gegners.

      »Hört, Presi! Im Frühjahr vor einem Jahr, damals, als Fränzi starb, habe ich mehr aus Zorn über Euch als aus Barmherzigkeit Vroni zu mir genommen. Und seither ist sie uns zum Segen und Sonnenschein geworden, daß wir nicht mehr leben könnten ohne sie!«

      »Ja, das weiß das ganze Dorf, daß Ihr als alter Knabe verliebt seid in das Jüngferchen. Sie ist auch ein artiges Kind. Ihr hättet es mir wohl in den Bären geben können.«

      Mit einem höhnischen Lächeln sagt es der Presi. Der Garde aber fuhr in ehrlicher Entrüstung los: »Verliebt. – Presi, schaut, wie viel graue Haare ich habe im Bart. Wißt Ihr, wie die gekommen sind? Die stammen von Eusebi und meinem Weib. Schier hintersinnt hat es sich, daß der Bube, für den sie so viel gelitten hat und für den ich an die Weißen Bretter gestiegen bin als ein Blödling aufgewachsen ist. Wir haben keine wahre Lebensfreude gehabt, der Bub hat nicht erwachen wollen und die Gardin hat sich halb zu Tode gekränkt, daß ihr just so einer als einziger beschieden war. Als er fünfzehn gewesen ist, hat er immer noch nur blöde zugeschaut, wie die anderen gearbeitet haben, und hat mit den Steinchen gespielt. Meint, Presi, das hat mir und der Gardin ins Herz geschnitten, wir haben oft den ganzen Tag gar nicht zusammen reden mögen. Jetzt aber, seit Vroni da ist, ist er wie ausgewechselt. Fröhlich sichelt er neben ihr oder hält mit den Knechten die Mahd, die schwachen Arme sind stark geworden, er stottert kaum mehr und hat Freude am Reden. Das Herz geht mir auf, wenn ich daran denke. Lacht nur, aber es ist, wie wenn ein Wunder des Glückes über den Burschen gegangen wäre.«

      Der Presi streckte dem Garden hell und lustig auflachend die Hand hin: »Ich verstehe Euch schon, ich wünsche Euch Glück zur Schwiegertochter. Ich hätte einen anderen Geschmack gehabt, Garde.«

      Einen Augenblick verwirrte der Spott des Presi den Garden, dann erwiderte er ruhig: »Ich wollte gern, das Mädchen, das artige, gute, nähme Eusebi, ich darf es ihm nicht zumuten – nein – nein – ich dränge sie nicht zusammen. Die zwei müssen sich von selber finden.«

      Als er den Hohn sah, der über das sauber rasierte Gesicht des Presi spielte, versetzte er barsch: »Ich gebe Vroni, auch wenn sie Eusebi nicht nimmt, eine Aussteuer, wie sie in St. Peter keine Bauerntochter bekommt, ich wünsche nur, daß sie noch ein paar Jährchen bei uns bleibt.«

      »Ihr werdet ihr schon etwas Rechtes geben müssen. Ihr erzieht ja das Kind, als wär's vom Herrenhaus zu Hospel. Ist's denn richtig, daß sie eine eigene Mauleselin besitzt?«

      »Wohl, wohl, die besitzt sie. Ihr werdet sehen, wie schön sie auf der Blanka zur Weinlese reitet!«

      »Nun, wenn Armeleutekinder so verzogen werden, so kann's in St. Peter gut kommen!«

      »Presi, seid doch still! – Eure Fremden verderben das Thal, da wäre viel zu reden. Jetzt hat der Glottermüller auch eine Wirtschaft aufgethan. Das böse Beispiel.«

      »Ja, was ist denn an Vroni Besonderes,« lenkte der Presi ab, »daß Ihr dem Kinde ein Maultier geschenkt habt.«

      »Es ist etwas geschehen, was ich nicht habe erwarten dürfen, Presi. Gerade wie Josi fortgereist ist, bin ich mit Eusebi an die Militäreinschreibung zu Hospel geritten. Fast gezittert habe ich vor dem Tag und gefürchtet, Eusebi werde vor Scham, daß man ihn nicht zum Militär nehme, wieder ein Blöder. Ich sitze während der Prüfung der Rekruten im Kreuz und mache mir trübe Gedanken. Da kommt Eusebi früher als ich ihn erwartet geeilt. ›Vater,‹ jauchzt er, ›man hat mich angenommen.‹ Er zittert vor Seligkeit, daß er das Glas nicht halten kann, das ich ihm biete. Und ich kann nicht ›zum Wohlsein, Soldat!‹ sagen, so hat mich die Freude, die ich nicht habe zeigen wollen, gedrückt und gewürgt. ›Weißt, Vater,‹ erzählt er, ›wie mich so einer mit Augengläsern angesehen hat, ist mir immer gewesen, Vroni stehe hinter mir und sage mir das, was ich antworten solle.‹ Ich aber denke jetzt immer nur: ›Eusebi ist Soldat, er ist kein Blöder mehr!‹ Ihr hättet mir das schönste Heimwesen im Glotterthal schenken können, so gefreut hätte es mich nicht. Da meint Eusebi: ›Darf ich Vroni nicht ein Krämlein bringen?‹ – ›Allerwegen‹ antworte ich, ›deine Schulmeisterin muß einen Kram haben‹ ich gehe zum Maultierhändler Imahorn in Hospel und von vierzehn Stuten kaufe ich die schönste, und wie wir heimkommen, sage ich: ›Die ist für dich, Vroni, weil Eusebi zum Militär angenommen worden ist!‹ Einem anderen, Presi, aber habe ich auch gedankt, ich habe zweihundert Franken ins Spendgut von St. Peter gelegt, und bin noch heute aus Vaterfreude in Vroni und in unseren Herrgott vernarrt.«

      Der Presi wiegte bei der warmen Rede des Garden spöttisch das Haupt, aber seine Stimmung war eine bessere geworden. Auf den Brief der Priorin deutend, murrte er: »Und nun meint Ihr – das ist doch Eurer Rede Sinn –, daß ich Josi auch auf einen Esel setzen soll? Die zwei achtbarsten Männer von St. Peter die Schwiegerväter der Wildheuerkinder und so eine Art Gegenschwäher!«

      Mit lachendem Hohn stieß er sein Glas an das des Garden. »Sagt ehrlich, wenn es Eusebi so tagt im oberen Stübchen, was wär's mit ihm und Binia? Der Bund zwischen zwei ehrenwerten Familien wäre doch eine andere Freude als nur eine Verwandtschaft

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