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und dann seid Ihr ohnehin der Vormundschaft entlassen.«

      Der Presi stand auf und langte in ein Pultfach: »Wenn man ins Leben geht, dann ist es von besonderer Wichtigkeit, daß man die Freiheit, sich zu wenden und zu kehren hat. Die besitzt man nur mit Geld. Ich möchte Euch einen Reisepfennig mitgeben. – Ihr seht, wenn ich gebe, bin ich nicht klein!«

      Er reichte Josi etliche Blätter Banknoten. Der junge Mann fuhr auf, er wollte reden, aber das Wort blieb ihm in der Kehle stecken. Nur ein seltsames »Herr Presi!« würgte er hervor.

      So viel Geld hatte er natürlich noch nie beisammen gesehen, dachte der Presi, mißverstand seine Bewegung und hielt sie für Gier.

      »Ich will keinen Dank, die Blätter sind für das Herunterholen der Jungen, es ist Rechnung und Gegenrechnung – nehmt sie herzhaft.«

      Eine verwirrende Liebenswürdigkeit lag in seinem Ton, »Ich will noch einmal so viel zulegen, Blatter. Gebt mir nur das Versprechen in die Hand – daß Ihr – wenn Ihr je aus Indien zurückkehrt – mit Binia nichts zu schaffen haben wollt. – – Es kann nicht sein – es darf nicht sein. – Ich sage es Euch in heiligem Ernst: Ich leide es nicht – ich leide es nicht.«

      Düster und trotzig waren seine letzten Worte.

      Nun aber brach Josi los: »Herr Presi, glaubt Ihr, daß ich meinen Vater schände? Um wie viel weniger Geld habt Ihr ihn in jener Nacht gekreuzigt, daß er an die Weißen Bretter steige. Ihr meint, ich nehme je einen Rappen an aus Eurer Hand?«

      Etwas Ergreifendes, Rührendes lag im Zorn des Burschen, eine durch Bescheidenheit gezügelte heiße Entrüstung.

      Seppi Blatter und Fränzi in einem, ein verdammt schöner Bursche, dachte der Presi.

      »Und Binia?« fragte er mit einem leisen Seufzer, schon halb verstimmt.

      In den Augen Josis loderte es, er keuchte: »Herr Presi, ich bin kein Hudel. Behaltet das Geld, ich behalte mir das Recht, das Mädchen um seine Hand zu fragen, das mir am besten gefällt. Und im Glotterthal ist's ja noch so: Keine Jungfrau steht so hoch, ein ehrbarer Bursch darf um ihre Hand anhalten.«

      Seine Stimme bebte, der Presi lachte scharf: »Gewiß darf er darum anhalten – es kommt aber nicht aufs Fragen, sondern auf den Bescheid an, den er erhält. – – Wollt Ihr das Geld, Blatter?«

      Das letzte sprach er mit hartem, höhnischem Klang.

      »Nein, Herr Presi!«

      Das tönte nicht herausfordernd, aber als wären die Worte von Granit.

      »Du Steckgrind – ein Rebell bist und bleibst du!« – Der Presi schrie es. – »Mit dir habe ich es gut gemeint. Ich habe wollen Frieden zwischen mir und dir machen – du bist aber ein Thor – ein wahnsinniger, verstockter Thor – – he, du und Binia? – Wo nimmt auch so ein Fötzel das Recht her, an so etwas zu denken?«

      »Herr Presi, in drei Jahren wollen wir wieder zusammen reden, helf' mir der Himmel, daß Ihr mich dann nicht mehr so verachten könnt.«

      Josi sagte es bescheiden – doch das Wort war Oel ins Feuer.

      »Gottes Heilige hören es – die Tatze soll mir eher aus dem Grabe wachsen, eher soll ein Traum, den ich einmal gehabt habe, in Erfüllung gehen und Binia von einem Gespenst erschlagen werden – als daß ihr zwei zusammenkommt.«

      »Ihr redet entsetzlich!« Helle Thränen liefen Josi über die braunen Wangen. »Lebt wohl, Herr Presi!«

      »Dich mögen in Indien die Königstiger fressen!«

      Er donnerte es dem Forttaumelnden nach – –

      »Ihr redet entsetzlich!« Dem Presi klang der Ausruf Josis im Ohre fort, es lag darin etwas so Wundes, wie wenn ein Tier aus tiefsten Nöten schreit. Aus sich selber wiederholte er: »Ich redete entsetzlich!« Ihm war, er müsse Josi zurückrufen, er müsse ihm noch etwas sagen. Ein seltsamer Einfall kam ihm. Er wollte zu George Lemmy sprechen: »Laßt mir Josi Blatter da – er paßt mir als Bergführer.« Eine sonderbare Empfindung durchrieselte ihn. Er könnte, war ihm, den schönen, gescheiten, rechtschaffenen, heimlich stolzen Burschen unendlich lieb haben – lieb wie einen Sohn, – er staunte, wie ihm der Gedanke angeflogen kam – er sperrte sich wütend dagegen – er zitterte – er schwitzte und schnaufte.

      »Ich muß noch einmal mit ihm reden! – Seppi Blatter – Fränzi. – Habt ihr Gewalt über mein Herz?«

      Nach drei Tagen aber sammelte sich in der Morgenfrühe ein Häuflein Dörfler vor dem Bären, um Josi Blatter, den Abenteurer, abreisen zu sehen. Der Bärenwirt stand auf der Freitreppe und winkte, wie ein Wirt winkt, wenn ein so angesehener Gast wie George Lemmy geht. –

      »Jetzt habe ich doch nicht mit ihm geredet.« Seit einer Weile saß der Presi, den Kopf stützend, am Tisch. Und wütender über sich selbst als über Josi, murmelte er:

      »Binia erschlagen – nein – nein – das ist Wahnsinn.«

      Bei sich selbst war er überzeugt, daß Josi Blatter in drei Jahren als Freier vor ihm stünde.

      »Nun wohl – dann Gewalt gegen Gewalt.«

      Da kam Thöni: »Ich führe das Gepäck des Engländers nach Hospel!«

      »Gut – doch noch etwas! Der Schwager Kreuzwirt fährt Ende dieser Woche oder Anfang der nächsten über den Hochpaß. Ich lasse ihn um den großen Gefallen ersuchen, daß er Binia aus dem Kloster heimbringt.«

      Als Thöni gegangen war, lächelte der Presi glücklich: »Binia – wenn du schon an dem Burschen hängst und thöricht bist wie alle Weiber – mein lieber Herzensvogel bist du doch!«

      Kapitel Elf

      »Josi Blatter bleibt ein verkehrter und geheimnisvoller Kerl bis ans Ende,« sagten die zu St. Peter, als sie sahen, daß er mit seinem Engländer das Glotterthal nicht auf dem Weg über Tremis, Fegunden und Hospel verließ, den doch alle ordentlichen Menschen gingen, sondern sich mit ihm vom Haus des Garden über die unwegsame Schneelücke wandte.

      An der Grenze zwischen Weltland und Weißland erhebt sich ein altes verwittertes Holzkreuz, bei dem die Hirten sommers über ihren Sonntagsdienst halten. Bis dorthin, wo man eben noch die Kirche in der tiefen Thalspalte sieht, begleitete Vroni ihren Bruder, bei dem Kreuz knieten die Geschwister nieder und verrichteten zum Abschied eine gemeinsame Andacht.

      Mit Thränen in den Augen blickte Vroni Josi nach. Als sie aber immer noch ihr Tüchlein schwenkte, da stapfte er schon unentwegt mit seinem Herrn in die große wilde Gebirgseinsamkeit hinein.

      Ernst, doch unverzagt hatte er die letzten Tage verlebt. Sie aber war vor Schmerzen vergangen: den Vater, die Mutter hatte sie schon verloren – und nun verlor sie auch den Bruder. Sie konnte nicht glauben, daß er je wieder nach St. Peter komme. In ihrem Kopf und in ihrem Herzen summte das Kirchhoflied:

      »Und als er stand an blauer See,

      Da schrie sein Herz nach Berg und Schnee.«

      Sterben wird er vor Heimweh!

      Während seine sanfte Schwester mit den großen Blauaugen in Thränen träumte, was doch so ein lieber Bruder für ein böser Mensch sei, schritt Josi tapfer in die Zukunft und mit seinem Herrn quer über Gletscher und Hochgebirge. Drüben in einer kleinen Stadt wollten sie Felix Indergand, der in einigen Tagen nachzukommen versprochen hatte, erwarten und dann von Genua aus die große Reise nach Indien antreten.

      Ein herrliches Wandern. Die Luft war blau und herbstlich still. Aus der Höhe ertönte der Ruf der Zugvögel. Die vom Sommer ausgelaugten und ausgewitterten Gletscher lagen wie riesige Leichen da. Wenn es wahr wäre, was die Sage behauptet, wenn die Venediger wirklich bei ihrer Säumerei über die Schneelücke in Stürmen und Wettern Ladungen Silbers verloren hatten, so würde man sie jetzt wohl finden können.

      Doch Josi dachte an etwas anderes. Konnte er nach Indien gehen, ohne zu Binia, die er für ewig verloren hatte, lebewohl

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