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50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По
Читать онлайн.Название 50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2
Год выпуска 0
isbn 9782291092247
Автор произведения Эдгар Аллан По
Жанр Учебная литература
Издательство Bookwire
Wörter, die Josi nie zuvor gehört, schwirrten ihm im Verkehr mit dem Ingenieur um den Kopf und die heligen Wasser schienen ihm, seit sich George Lemmy damit beschäftigte, selber viel wunderbarer als je zuvor.
Eines Tages schritt er mit George Lemmy den schwindligen Weg über die Kännel an den Weißen Brettern, und mit Staunen sahen Einheimische und Fremde die beiden Akrobaten an den schimmernden Wänden.
Josi war es ein unvergeßlicher Tag. Als er an der Stelle stand, wo sein Vater gestürzt war, pochte sein Herz in der Brust, und als sie in der Mitte des schrecklichen Pfades, das in leichten Dunst getauchte Thal tief unter sich, eine Viertelstunde ruhten, da ging ihm der Mund über und er erzählte dem Ingenieur das Leiden und Sterben des Vaters.
George Lemmy sagte auffallend wenig dazu, er war und blieb der trockene Engländer. Aber Josi fühlte doch seinen Blick der Teilnahme. Erst als sie aufstanden, meinte Lemmy fast scherzhaft: »Josi, neunzehnjähriger Boy, werde Ingenieur und führe die Leitung sicher durch die Felsen. Es giebt jetzt in unserer Wissenschaft Mittel genug, daß man auch diese Schlange zähmt. Nicht wahr, das wäre ein Streich für die Pfahlbauer von St. Peter, wenn es keine Wasserfron mehr gäbe.«
Ein jähes Feuer flammte aus den Augen Josis.
Er schwieg, aber vor Erregung konnte er auf der zweiten Hälfte des schmalen Weges fast nicht gehen.
Als sie am Abend ins Dorf zurückkamen, schlang Vroni die Arme um den Bruder: »O, was die Leute sagen! Weil du unnötig über die Kännel an den Weißen Brettern gegangen bist, so habest du für die nächste Wassertröstung das Los auf dich gezogen.«
Da lächelte Josi kühl geheimnisvoll: »Die Leute sagen, wenn der Tag lang ist, viele Thorheiten – aber ich glaube selbst, daß ich einmal wie unser Vater selig an die Weißen Bretter steigen muß.«
Vroni sah ihn erbebend an: »Josi, du bist früher ein so artiger lieber Bub gewesen, und jetzt bist du ein so Besonderer worden, so ein Geheimnisvoller, daß es mir bald wie den anderen Leuten geht, daß ich dich zu scheuen und zu fürchten anfange.«
»Sei nicht so närrisch, Vroneli,« schmeichelte Josi und blickte zufällig nach den Firnen der Krone.
»Am Ende gehst auch noch dort hinauf, wo die armen Seelen hausen! Josi! Versprich es mir, daß du es nicht thust. Denke an den seligen Vater, denke an die selige Mutter!«
Je inniger das Mädchen flehte, um so finsterer zog der Bruder das Gesicht: »Alle Tage denke ich an sie, aber wenn George Lemmy es wünscht, so gehe ich mit ihm auch auf die Krone. In jedem folge ich ihm.«
»Dann stürzest du dich ins Unglück,« jammerte das Mädchen. Josi aber schritt mit einem nachdenklichen Lächeln in sein Nachtquartier.
»Was man doch um einen so lieben Bruder für Kummer hat!« Vronis schöne blaue Augen wurden trüb. Als indessen der Anteil des fremden Ingenieurs auch stark für die Sagen erwachte, die um die heligen Wasser gingen, und ihn Josi, der im Erzählen nicht besonders gewandt war, zu ihr führte, da hatte sie ihre helle Freude an dem aufmerksamen Zuhörer.
Bei Vroni saß der Fremde an der vollen Quelle. Dem Bruder zuliebe besiegte sie die Scheu vor ihm, und dem Ingenieur gefiel das blonde schöne Mädchen, das seine Geschichten in der vollklingenden alten Sprache des Thales erzählte, ausnehmend gut.
Er behandelte es mit Auszeichnung. »Ein Brigante wie du bist, hat so ein Edelweiß zur Schwester!« scherzte er zu Josi.
»Und also fügt es Brauch und Gesetz,« erzählte sie mit errötenden Wangen, die Hände über das Knie geschlagen, »wenn ein Jungknabe ein Mädchen lieb hat und will mit ihm ein eigenes Feuer machen, so mag er sich beim Garden melden, daß er ihm einen Sommer lang in der Bestellung der heligen Wasser zudiene und in der Wasserpflicht erfahren in den Stand des Hausvaters trete.
»Wenn ein Jungknabe, der Knechtlein oder sonst geringen Standes ist, ein Mädchen liebt und es vom Vater nicht erlangen kann, mag er die Liebe dem Garden darlegen und glaubhaft darthun, daß die Jungfrau einer Seele mit ihm sei, und legt er vor dem Garden und der Gemeinde das Gelübde ab, daß er beim nächsten Leitungsbruch an die Weißen Bretter steige, so soll der Gemeinderat Freiwerber für ihn werden. Will aber der Vater des Mädchens nicht einwilligen, so sollen die Nachtbuben und wer will unstrafbar den Lauf haben, ihn und sein Haus zu verhöhnen und dem Werber zu helfen, bis der Vater die Jungfrau dem Jungknaben giebt.«
Josi brannte das Gesicht, unruhig vor innerer Bewegung hörte er zu, obgleich er die Satzungen schon kannte. Vroni sah es wohl. »Wegen Binia,« dachte sie.
Die Freude des Ingenieurs an Josi wuchs und er befreundete sich auch mit dem Garden.
Eines Tages erfuhren die Geschwister aus dem Gespräch der beiden, wer George Lemmy eigentlich sei. Er habe zuerst, erzählte er, an einer Hochschule in England, dann zwei Jahre in der deutschen Schweiz studiert und auf sommerlichen Exkursionen die Bergwelt lieb gewonnen. Später sei er nach Indien gegangen, wo schon sein Vater Kolonialbeamter gewesen, und dort baue er im Auftrag der Regierung Straßen und Eisenbahnen. Das Klima sei aber unzuträglich, und nachdem er fünf Jahre in dem heißen Land gearbeitet habe, sei er genötigt gewesen, längeren Urlaub zu nehmen. Den Sommer verbringe er jetzt im Gebirge, doch nicht bloß, um die Schönheiten des Landes zu genießen, sondern auch um einen oder zwei tüchtige Bergführer anzuwerben. Er brauche die Leute als Pioniere beim Bau von Straßen, die man bedürfe, um die kleinen wilden Gebirgsvölker, welche die indische Nordgrenze unsicher machen, besser bekämpfen zu können. Ein Führer, den er von früher her kenne, sei schon geworben, Felix Indergand zu Braggen, und im Herbst wollen sie gemeinsam nach Indien reisen.
»Felix Indergand kenne ich von manchem Markt, das ist ein rechtschaffener und einsichtiger Mann,« sagte der Garde. »Da habt Ihr einen Tüchtigen geworben.«
»Und wenn ich nun auch den zweiten hätte,« antwortete Lemmy.
Josi taumelten die Sinne, Tag und Nacht dachte er nichts anderes, als ob wohl George Lemmy nicht ihn einladen würde, mit ihm nach Indien zu gehen. Was würde er dann thun? Ein freudiges »Ja!« würde er ihm zujubeln. St. Peter war für ihn doch kein Boden mehr und kein Glück. Was sollte er im Dorf beginnen, wenn der Ingenieur wieder abgereist war?
Vroni ahnte die Pläne des Bruders. Als Josi eines Tages freudvoll zu ihr gestürmt kam, fragte sie erschreckt: »Hat dich Lemmy nach Indien angeworben, daß du so rote Wangen hast?«
»Nein,« erzählte er hastig, »aber weißt du, wo Binia ist, ich weiß es! Der Knecht des Fenkenälplers war mit einer Viehherde im Welschland. Da hat er sie gesehen, wie sie mitten unter Klosterschülerinnen ging. Das Kloster heißt Santa Maria del Lago und liegt an einem schönen See. Denke, er hat mit ihr geredet, aber es war eine Nonne dabei – Bini läßt dich und mich grüßen!«
Josis Augen strahlten, der Gruß war für ihn eine Welt voll Sonne.
Nun hoffte Vroni, der Gedanke an Binia werde Josi in St. Peter zurückhalten, aber – blieb er, so stieg er wohl bei der nächsten besten Gelegenheit für Binia an die Weißen Bretter und fiel wie der Vater zu Tode.
Die Kunde, daß Binia im Kloster Santa Maria del Lago jenseits des Hochpasses sei, erregte im Dorf große Verwunderung, namentlich als man von Hospel aus erfuhr, die besondere Thätigkeit der Nonnen der frommen Anstalt sei die Besserung solcher Mädchen aus wohlhabenden Familien, die sich irgend einen leichtsinnigen Streich hatten zu schulden kommen lassen oder auf deren Lebenswandel ein Makel lag. Fast mit Schaudern sprach man von den grausamen Mitteln, welche die frommen Damen anwenden, um ihre wilden Zöglinge zu zähmen, die Dunkelzelle, das genagelte Scheit, auf das die Sünderinnen so und so viel Stunden knieen müßten, den Hunger, das Nichtschlafenlassen, das Bespritzen mit kaltem Wasser.
Um so mehr