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daß es bei ihm später wird?«

      Arnold brummte etwas Unverständliches als Antwort.

      Sabine stellte die leeren Gläser auf dem Tablett zusammen. Sie wollte gerade damit ins Haus hinein, als Sven auf der Schwelle erschien. Er hatte sich umgezogen, trug saubere Jeans und ein buntes Hemd. Sein Gesicht war frisch gewaschen, und er hatte sich das lange, schwarze Haar sorgfältig hinter die Ohren gekämmt.

      Sie konnte sich mit seinem Anblick immer noch nicht befreunden, aber sie erkannte an, daß er wenigstens versucht hatte, seine Erscheinung den Wünschen der Eltern anzupassen.

      »Hallo, da bist du ja!« Ihr Lächeln, das ermutigend wirken sollte, fiel etwas verkrampft aus. »Hunger?«

      Sven lehnte sich mit dem Rücken an den Türrahmen. »Nö. Eigentlich nicht.«

      Arnold ließ die Zeitung sinken und sah ihn an. »Guten Abend!« sagte er in einem Ton, der wie ein Vorwurf klang.

      Svens bräunliches Gesicht überzog sich mit Röte. »Guten Abend, Vater.«

      »Mußt du dich denn so hinflegeln? Kannst du nicht einmal mehr auf zwei Beinen stehen?«

      Sabine wollte schlichten. »Aber, Arnold …«

      Sven winkte ab. »Schon gut, Biene.« Er ging an den Eltern vorbei zum Tisch und tat so, als wenn er die Gedecke überprüfen wollte; er wandte ihnen jetzt den Rücken zu, auf den seine schwarze Mähne, die er sich, um keinen Anstoß zu erregen, zurückgebürstet hatte, lang herunterhing.

      »Da du dich anscheinend nicht entschließen kannst, dir das Haar schneiden zu lassen«, sagte sein Vater, »habe ich einen anderen Vorschlag: Mach dir einen Pferdeschwanz!«

      »Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, erwiderte Sven aufreizend gleichgültig, »aber vielleicht ist es gar keine schlechte Idee. Ich werd’s mir überlegen.«.

      Arnold warf die Zeitung zu Boden und wollte aufspringen, doch er kam nicht so schnell aus dem Liegestuhl hoch, wie er es wollte. »Jetzt habe ich aber genug!« schrie er.

      Andy und Chris bauten sich wie die Verteidiger einer Fußballmannschaft beim Elfmeter vor Sven auf. »Hau ihn nicht!« schrien sie. »Man darf Kinder nicht schlagen!« –»Svens Haare sind schön!« – »Wie bei ein’m Indianer!«

      »Seid still!« wies Sabine sie zurecht. »Bleib sitzen, Arnold! Ihr seid schrecklich… alle zusammen schrecklich! Könnt ihr nicht einmal fünf Minuten Frieden halten?!«

      Das Baby war von dem Lärm erwacht und fing an zu schreien. Sabine nahm es aus dem Kinderwagen und schaukelte es auf den Armen, um es zu beruhigen: »Weine nicht, Süße! Das sind nur die dummen Männer, die soviel Krach machen. Die sind nicht so schlimm wie sie tun. Du wirst dich daran gewöhnen müssen. Aber jetzt bringe ich dich ganz schnell ins Haus und stecke dich in dein Heiabettchen.« Sie sah auf. »Bringst du die Gläser in die Küche, Sven? Und nimmst den Auflauf aus dem Ofen?«

      Arnold hatte sich wieder in seinen Liegestuhl sinken lassen. »Ich dachte, du wolltest Sven was fragen«, brummte er und hob die Zeitung auf.

      Sabine hätte das Thema am liebsten nicht mehr zur Sprache gebracht, aber sie sah keine Möglichkeit auszuweichen. »Ach ja, Sven«, sagte sie, »sei so lieb und zementiere nachher das Klettergestell für die Jungens ein.«

      Sven runzelte die Stirn. »Wieso ich?«

      »Wieso du nicht? Es ist doch eine passende Beschäftigung für einen großen Jungen.«

      »Aber was geht mich das Klettergestell für die Kröten an? Ich habe auch nie eins gehabt.«

      »Aber, Sven, das ist doch kein Standpunkt!«

      »Finde ich doch. Und außerdem kann ich gar nicht zementieren.«

      »Dann wird es höchste Zeit, daß du es lernst«, ließ Arnold sich hinter seiner Zeitung her vernehmen, »denn wenn kein Wunder geschieht, dann wirst du ja wohl einen praktischen Beruf erlernen müssen, und da scheint mir Maurer durchaus das angemessene!«

      »Stein auf Stein… Stein auf Stein«, sang Andy.

      »Immer noch besser ein guter Maurer als ein…« Sven sprach nicht weiter. »Gescheiterter Buchhalter hatte er sagen wollen, aber das traute er sich denn doch nicht.

      »… Häuschen wird bald fertig sein!«

      Aber Arnold hatte auch so begriffen. »Werd überhaupt mal was!« brüllte er. »Vorläufig reicht es bei dir ja nicht einmal zum Straßenkehrer!«

      Das Baby begann wieder zu plärren.

      Plötzlich verlor Sabine die Geduld. »Wißt ihr, wie ich euch finde?« rief sie wild. »Zum Kotzen, daß ihr es nur wißt … einen wie den anderen… zum Kotzen!«

      Sie stürmte ins Haus, und heiße Tränen fielen auf das schreiende Kind; sie fühlte sich am Ende ihrer Kräfte.

      Nachher wurde es dann doch noch ein harmonischer Abend. Der hemmungslose Ausbruch hatte Sabine wohlgetan, und Vater und Sohn, die eine solche Reaktion von ihr nicht gewohnt waren, schockrtig zur Besinnung gebracht. Selbst die Zwillinge waren beeindruckt und zeigten sich beim Abendessen von ihrer besten Seite.

      Auch Egon merkte an dem übervorsichtigen Ton, der am Familientisch herrschte, wie auch an Sabines geröteten Augen, daß es eine Szene gegeben hatte. Er erbot sich aus eigenem Antrieb, das Klettergestell in den Boden zu lassen. Sven zeigte guten Willen und versprach zu helfen. Die Zwillinge baten so herzzerreißend, wenigstens zusehen zu dürfen, daß Sabine ihnen ausnahmsweise erlaubte, eine Stunde länger aufzubleiben als gewöhnlich. Obwohl sie, um ihren Vater nicht nur am Wochenende zu Gesicht zu bekommen, ohnehin später ins Bett zu gehen pflegten, als es in ihrem Alter üblich war; zum Ausgleich hatten sie sich an einen ausgedehnten Nachmittagsschlaf gewöhnt.

      Als Sabine den Tisch abdeckte, machten sich Sven und Egon ans Werk. Arnold verschanzte sich wieder hinter die Zeitung und gab vor, die beiden nicht zu beachten. Aber sie stellten sich derart ungeschickt an, daß er es bald nicht mehr aushielt und ihnen erst, wie nebenbei, kurze Anweisungen zurief, dann aber doch aufsprang, ihnen zeigte, wie es zu machen war, und endlich selber zugriff.

      Die Anerkennung Egons und Svens, die hingerissene Bewunderung der Zwillinge, ja, die Arbeit selber gab ihm Auftrieb. Dies war etwas, was er besser verstand als Egon, und seine echte Überlegenheit dem jüngeren Mann gegenüber erweckte Großmut in ihm. »So, das haut jetzt hin!« rief er, als die Halterungen in der noch nassen Masse standen. »Ich schlage vor, jetzt trinken wir eine Flasche Wein zusammen. Die haben wir uns redlich verdient, was, Egon? Du hast lange nicht mehr so geschuftet, möchte ich wetten!«

      »Au ja!« riefen die Zwillinge. »Wir auch!« – »Wir auch!«

      »Nichts da.« Sabine fing die beiden ein. »Für euch ist jetzt Zapfenstreich! Sagt gute Nacht!« Da die kleinen Jungen redlich müde waren, ließen sie sich widerstandslos abführen.

      »Ich möchte auch lieber gehen«, sagte Sven sehr höflich, »wenn es euch recht ist. Ich muß noch lernen.«

      »Lauf nur!« Arnold klopfte ihm auf die Schulter. »Vom Lernen wollen wir dich bestimmt nicht abhalten! Aber du bleibst doch noch, Egon?«

      »Mit Vergnügen!«

      »Wein ist im Eisschrank!« rief Sabine vom Gartenzimmer her, das zum Spiel- und Schlafraum für Andy und Christian eingerichtet worden war. »Ich hol’ ihn euch gleich!«

      »Mach’ich schon selber!« gab Arnold gut gelaunt zurück.

      Er gab Sabine im Vorbeigehen einen freundlichen kleinen Klaps.

      Als er, die Flasche schon unter dem Arm, drei Gläser in der Hand, von der Küche her wieder in die Diele trat, hörte er den Schlüssel in der Haustür und blieb stehen.

      »Du kommst gerade recht«, begrüßte er seine Schwester Ethel, »wir wollen ein Glas Wein zusammen trinken.«

      Ethel, Redakteurin bei der Modezeitschrift »Der neue Stil«, wirkte, wie immer, ausgesprochen elegant,

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