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Bleibt uns die Hoffnung. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Bleibt uns die Hoffnung
Год выпуска 0
isbn 9788711718438
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
»Ziemlich schwach.«
»Ja ja. An einem ganz gewöhnlichen Wochentag, noch dazu Ende des Monats.«
Egon holte einen Bankbehälter aus seinem Schreibtisch, Barbara Ziem schloß die Kassette auf, und er tat das Geld in den Stahlzylinder. Wie immer, seit damals, als er eine Tageseinnahme für seine kranke Frau unterschlagen hatte, zitterten seine Hände, während er die Scheine bündelte, und er verwünschte seine Schwäche. Zum tausendsten Mal bereute er das Abenteuer, auf das er sich eingelassen und das ihm nichts als Unglück gebracht hatte, wenn ihm auch durch Arnolds Eingreifen das Schlimmste erspart geblieben war. Dafür aber hatte er jetzt den Schwager auf dem Hals, und seiner Frau hatte er nicht helfen können; sie hatte das Schicksal ereilt, vor dem er sie hatte bewahren wollen. Rosy Kasparek saß in der Nervenheilanstalt Haar, und es war nicht abzusehen, wann und ob er sie je wieder nach Hause holen durfte.
Bei diesen düsteren Gedanken verlor Egons hübsches Gesicht allen jungenhaften Charme; er wirkte alt und verbraucht.
Barbara Ziem deutete es auf ihre Weise. »Herr Miller ist eine schwere Belastung für Sie. Wir bewundern Sie alle, daß Sie das auf sich genommen haben.«
»Er ist mein Schwager.«
»Ja. Aber so viel Familiensinn findet man selten. Wenn einer aus der Reihe tanzt, wird er gewöhnlich einfach abgeschrieben. Es ist doch so.« Sie blickte Egon erwartungsvoll an.
Aber der sagte nichts; er war ganz darauf konzentriert, seine Hände unter Kontrolle zu halten.
»Andererseits«, fuhr Barbara Ziem fort, »kann man natürlich auch verstehen, daß er verbittert ist. Früher Buchhalter, und jetzt das! Das ist schon ein Absturz. Ich möchte nicht wissen, wie ich mich fühlen würde, wenn ich von heute auf morgen als Putzfrau arbeiten müßte. Und Männer sind in dem Punkt ja noch viel empfindlicher.«
»Es ist nett, daß Sie sich Gedanken über meinen Schwager machen.«
»Daran ist doch nichts«, wehrte sie ab, »ich bin nicht halb so gut wie Sie, Herr Kasparek. Nein, ehrlich, ich weiß nicht, ob ich mich für so jemanden einsetzen würde, der… na ja… sich an fremdem Geld vergriffen hat.«
Jetzt sah er sie an. »Doch, das täten Sie sicher, Barbara, wenn Ihnen derjenige etwas bedeuten würde!« Unter ihrem klaren Blick hatte er das Gefühl, eine Erklärung abgeben zu müssen. »Und dann… ich bin meinem Schwager ja sehr verpflichtet!« Einen Augenblick lang war er in Versuchung, ihf alles zu erzählen, hielt sidi dann aber doch zurück. »Meine Schwester versorgt meine beiden kleinen Söhne«, erklärte er nur.
Sie nahm das Stichwort auf. »Waren Sie wieder einmal bei Ihrer Frau?«
»Ja, und es geht ihr gut. Ich meine… sie ist ganz vernünftig. Gerade deshalb ist es schrecklich für sie … unter all diesen Irren.«
Er verschloß den Stahlbehälter und versenkte ihn in seiner großen Aktentasche.
»Sicher darf sie bald wieder raus«, meinte Barbara Ziem tröstend.
»Das ist schwierig, weil sie doch auf richterliche Anweisung hineingekommen ist. Und die Ärzte sind furchtbar umständlich.«
»Es wird schon wieder werden.«
Er zog sich seinen weißen Kittel aus. »Ich weiß gar nicht, wie ich dazu komme, Sie mit all meinen Sorgen zu belasten, Barbara!«
Sie lächelte und zeigte gesunde, ein wenig unregelmäßige Zähne. »Das kann ich Ihnen verraten. Ich habe Sie ausgefragt. Ich bin eine schrecklich neugierige Person.«
»Nein«, widersprach er ernsthaft, »machen Sie sich nicht schlechter als Sie sind. Sie haben ein mitfühlendes Herz.«
Plötzlich spürte er die Sympathie, die sie ihm entgegenbrachte, und sie tat ihm wohl. Er wäre gern noch mit ihr zusammengeblieben und war nahe daran, sie darum zu bitten. Aber dann verzichtete er doch.
Er wußte, sie würde ihm keine Absage erteilen. Doch er dachte an Sabine, die mit dem Abendessen auf ihn wartete, und an die Zwillinge, die er den ganzen Tag noch nicht gesehen hatte. Vor allem wurde ihm klar, daß sein Leben kompliziert genug war, auch ohne daß er einer jungen Frau Anlaß gab, sich Hoffnungen zu machen, die er niemals würde erfüllen können.
Deshalb wandte er sich rasch ab und schloß die Tür auf. »Gute Nacht, Fräulein Ziem… bis morgen dann!«
Wenn sie enttäuscht war, so ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Sie verabschiedete sich mit einem leichten Nicken und einem unbefangenen Lächeln.
Als er, allein geblieben, seinen Regenmantel über den Arm nahm, schien es ihm, als hätte er es sich nur eingebildet, daß sie ihm mehr als flüchtige Sympathie entgegenbrachte.
Sabine war dabei, auf der Loggia den Tisch für das Abendessen zu decken, als ein Auto vorfuhr. Die Zwillinge, die ihr halfen, hörten es auch; sie ließen Messer und Gabeln fallen und jagte um die Ecke.
»Vati!« schrien sie. »Vati!«
Sabine verhielt in der Bewegung, einen Teller in der Hand, und lauschte. Die Garagentür öffnete sich quietschend. Sie begriff, daß Arnold nach Hause gekommen war, legte den Teller auf und eilte den Jungen nach.
Wie schon oft ärgerte sie sich darüber, daß ihr Mann sich von seinem Opel Kadett trotz der Zwangslage, in die sie geraten waren, nicht trennen mochte. Dabei brauchte er praktisch gar kein Auto. Egon würde sich, wenn man ihn darum bat, sicher gern bereit erklären, ihn morgens abzuholen, und abends konnten sie ohnedies zusammen fahren. Der Verzicht auf das Auto hätte eine Sparmaßnahme bedeutet, die Torsten, der sie großmütig unterstützte, entlastet hätte. Sie nahm das Geld ihres Sohnes nur ungern an.
Aber für Arnold bedeutete das Auto mehr als ein Beförderungsmittel. Es aufgeben zu müssen, hätte ihm den letzten Schlag versetzt. Sabine begriff das nicht nur, sondern konnte es auch nachfühlen. Dennoch fand sie seine Einstellung unrealistisch, ja, kindisch.
Als sie den Weg erreichte, der am Haus vorbeiführte und Vorund Hintergarten miteinander verband, kam Arnold ihr von der Garage her entgegen.
Die Jungen bremsten wie scheuende Füllen ihren Lauf, als würden sie ihn erst jetzt erkennen. Dabei war Sabine sicher, daß auch ihnen das Geräusch der Garagentür aufgefallen war; die Garage bot nur Raum für ein Auto, und Egon, ihr Vater, benutzte sie nie. Aber sie wollten sich die Gelegenheit, ihren Onkel zu ärgern, nicht entgehen lassen.
»Ist gar nicht Vati«, erklärte Andy mit übertriebener Enttäuschung.
»Nur Onkel Anno«, fügte Chris im gleichen Ton hinzu.
»Was ist das für eine Begrüßung?!« schimpfte Arnold. »Wollt ihr mir nicht anständig guten Abend sagen?!«
»Guten Abend, Onkel Anno«, sagte Chris steif, mit hoheitsvoller Miene.
»Guten Abend, Onkel Anno«, echote Andy und vollführte eine formvollendete Verbeugung.
Dann wandten sich die beiden kleinen Burschen um und verschwanden gemessenen Schrittes um die Ecke.
Sabine versuchte, sich ein Lächeln zu verbeißen. »Ach, Arnold, wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst dich nicht immer provozieren lassen!«
»Erzieh sie besser!«
Sabine trat auf ihren Mann zu und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Ich geb’ mir alle Mühe, aber es ist nicht einfach.«
»Wir hätten sie uns nie aufhalsen lassen dürfen!«
Sabine machte große Augen. »Ist das dein Ernst?«
»Sieh mich nicht an, als wäre ich ein Ungeheuer, nur weil ich nicht daran denke, mich von dieser Rabenbrut noch länger schikanieren zu lassen!«
Sie hängte sich bei ihm ein. »Sie sind doch gar nicht so schlimm, Arnold!«
»Mir langt’s. Auch daß dein Bruder