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Herr? Er sieht aus wie Mars selber!“

      „Er wurde eben von Seiner Heiligkeit empfangen!“

      „Ich durfte vor dem Vater der Christenheit knien!“ rief Adrian von Rimburg den ihn Umdrängenden zu. „Bald stehe ich vor dem Allerchristlichsten König!“

      Der Ritter von Rimburg eilte durch Römervolk und Campagnabauern, Domherren und Damen, Stutzer und Pilger vor dem Vatikan. Das Geflimmer der Frühlingssonne über dem weiten Platz blendete ihm die Augen. Bei dem Obelisken blieb er plötzlich stehn.

      „Wohin, Marquise?“

      „Im Petersdom beten, wie jeden Mittag!“ Quinette von Giou liess dem Kavalier mit einer graziösen Bewegung die Hand zum Kuss. „Begleiten Sie mich! Wir knien zusammen am Grab des heiligen Petrus! Was ich dort vom Himmel erflehe, geht in Erfüllung!“

      „Ich habe keine Zeit zum Beten!“ Es klang rauh.

      „Zur Frömmigkeit ist immer die rechte Stunde!“ Die Marquise von Giou schlug bittend die langen Wimpern zu dem Ritter auf. Es war eine seltsame Unruhe — ein Suchen — ein Zurückweichen zugleich in ihren schwarzen Augen, so als kämpften in ihr zwei Menschen.

      „Man kann auch fromm sein, wenn man, wie ich jetzt, in seine Herberge eilt!“ rief Adrian von Rimburg. „Sein Pferd sattelt! Reitet! Ohne Rast! Nach Paris!“

      „Sie kennen Paris nicht!“ Die Stimme Quinettes von Giou war leise und gepresst. „Niemand kennt dort Sie!“

      „Man wird mich kennenlernen. Der König selber . . .“

      „Es gibt viele Wachen an den Toren von Versailles!“

      „Und es gibt einen Schlüssel, der alle Tore öffnet, Madame!“ Der Ritter von Rimburg schlug sich an die rechte Brustseite seines sammetnen Wamses. „Hier steckt der Brief des Grossmeisters an den Herzog von Vandôme, den Vetter des Königs. Herr Philippus wird mich einführen, ehe noch der Türke eingetroffen ist!“

      „Und was wollen Sie Seiner Majestät vermelden?“

      „Was ich selber im Land der Ungläubigen durch ein Jahr gesehen und gehört habe. Dies ist kein Grenzkrieg wie sonst unten an der Donau. Dies ist ein Aufgebot des Gottesfeinds, wie es die Welt noch nicht gesehen. Die Veziere von Bagdad und. Babylon und Damaskus sind mit ihren Völkern unterwegs, werde ich in Versailles berichten, der Khan der Tataren mit seinen unzählbaren Schwärmen, der Sultan von Ägypten mit Mohren aus dem unbekannten Afrika, die Fürsten der Moldau und der Walachei, der Fürst von Siebenbürgen . . .“

      „Der König weiss das. Es ist unnötig, dass er es noch einmal hört!

      „Das alles wälzt sich nach Wien!“ fuhr Adrian von Rimburg fort. „Aber mit Wien fällt auch das Heilige Römische Reich. Ist es für Frankreich besser, den Antichrist am Rhein zum Nachbar zu haben, werde ich den König fragen, statt ein paar vor ihm zitternde geistliche Kurfürsten?“

      „Das ist nichts für die Ohren des Königs!“

      „Die Apokalyptischen Reiter werden mit Turban und Lanze über den Rhein nach Frankreich hineinreiten! Auch Attila kam bis nahe vor Paris!“

      „Vor solchen Worten muss man den König bewahren!“

      „Ich rede!“

      „Reiten Sie nicht!“

      „Warum erschreckt sie mein Vorhaben, Marquise?“

      „Reiten Sie nicht!“ wiederholte Quinette von Giou atemlos. Mit Willensanstrengung stiess sie hervor: „Es ist gefährlich!“

      „Die Gefahr ist mir ein alter Zeltbruder!“

      „Reiten Sie nicht!“ Die Marquise von Giou kämpfte mit sich selbst. Sie ballte die Hände, als müsse sie ein Hemmnis, ein Schweigegebot auf ihren roten Lippen in dem puderbleichen Antlitz überwinden. „. . wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist . . .“

      „Die Dame ist von der Sonnenglut auf dem Platz erschöpft!“ Der Schwarzkünstler Don Theopompo Caretto, der sich bisher abseits gehalten und zugehört hatte, trat heran und bot Quinette den Arm. „Gestatten Sie mir, Sie zu einer Sänfte zu geleiten!“

      „Dies wird mein Amt sein — dem Herrn zu wissen!“ sprach der Ritter Rimburg.

      Das gelbliche, faltige Antlitz des Geisterbeschwörers war steinern in seiner mystischen Feierlichkeit.

      „Diese Dame ist krank, mein Herr!“ sagte er. „Stört den Medicus nicht!“

      „Ihr seid kein Medicus, sondern ein Quacksalber! Ich hörte schon von Euch in Rom.“

      „Und mir erzählte schon vor mehr als hundert Jahren Lukrezia Borgia von Euresgleichen als einem unbesonnenen jungen Herrn, damals aus Siena, der seine Zunge nicht genug hütete!“

      „Lasset die Narreteien und gebt die Dame frei!“

      Der geisterhafte Mann in Schwarz trat mit zwei gravitätischen Schritten vor Quinette von Giou und wollte ihren Arm in seinen legen. Sie liess es willenlos geschehen. Adrian von Rimburg sprang hitzig dazwischen, die Hand am Degen.

      „Geht in Eure Alchymistenküche und stört mich nicht länger im Gespräch mit der Marquise!“

      „Sucht der Herr Streit?“

      „Ich bin noch nie einem Kavalierhandel ausgewichen! Am wenigsten, wenn es um eine Dame ging!“

      „Gut denn! Schlagen wir uns!“ versetzte Theopompo Caretto würdevoll.

      Der Ritter blickte ihn zweifelnd an, erstaunt über die rasche Bereitwilligkeit. Der schwarze Mann fuhr fort.

      „Wir treffen uns in einer Stunde im Innern des Kolosseums. Als Herausgeforderter habe ich die Wahl der Waffen. Ich werde eine Pille mitbringen und sie Euch zum Schlucken geben. Ihr werdet mir zur selben Zeit den gleichen Dienst erweisen! Ihr mögt Euch inzwischen das stärkste Gift Roms verschaffen. Es ist mir gleich. Jedes Gift der Welt ist wirkungslos gegenüber dem Gegengift, das ich bereits eingenommen habe, wenn ich auf dem Kampfplatz erscheine. Ich rate Euch, auch vorher Euer Gegengift schon im Leibe zu haben. Meine Tablette ist von besonderer Kraft!“

      „Ihr seid ein Narr! Es lohnt sich für einen Edelmann nicht, mit einem Marktschreier zu reden!“ Der Ritter von Rimburg blickte nach Quinette. Sie war im Volksgetümmel verschwunden. Er eilte hinterher, durch die engen Gassen des Borgoviertels, blieb enttäuscht stehen. Nirgends war die graziöse Gestalt der Marquise von Giou in ihrer knappen schwarzen Seidentaille, dem weitgebauschten schwarzen Rock über den schmalen Stöckelschuhen, dem gefältelten schwarzen spanischen Spitzentuch über dem klugen, schmalen, weissen Antlitz zu sehen.

      Theopompo der Goldmacher blickte tiefsinnig dem Ritter von Rimburg nach und wandte sich zu dem zwerghaften Diener hinter ihm, über dessen Höcker das Fledermausmäntelchen im Wind spielte.

      „Es wird dem hitzigen Herrn ergehen, Eleazar“, sprach er, „wie dem Moses! Er wird das gelobte Land Paris nicht erreichen!“

      5

      „Hast du das Pferd auch gut gefüttert und getränkt?“ frug Adrian von Rimburg. Der verschlafene alte Knecht in der französischen Dorfherberge nickte brummig. Es war noch fast vor Tau und Tag, als der Ritter in den Sattel stieg. Die ersten Sonnenstrahlen lagen blutrot über der kahlen wilden Hochebene der Auvergne, durch die er hinritt, allein, unscheinbar gekleidet, wie es einem Reisenden anstand — den Degen am gegürteten Lederwams, hohe Sporenstiefel unter den weiten Kniehosen, die Hutkrempe vorn über dem gebräunten Antlitz hoch aufgeschlagen.

      Noch ein langer Weg! Noch fünfzig Meilen bis Paris! Der Ritter von Rimburg setzte ungeduldig seinen Gaul in Trab und liess ihn bald wieder in Schritt verfallen. Es hiess schonend mit den vier Pferdebeinen umgehen, die ihn trugen. Der starke, knochige Rappe stolperte ohnedies heute so häufig, so seltsam . . .

      Es mochte der rauhe Saumpfad zwischen den zerklüfteten, von gelbem Ginster umbuschten Basaltschroffen daran schuld fein. Aber in den kalten Windstössen,

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