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sagen, dass der Herr mir gefällt!“

      „Dann schaue der Herr anderswohin!“

      „Es mag gestattet sein, so viel Schneiderkunst zu bewundern!“

      „. . . aber nicht unverschämt zu belächeln! Merke er sich das!“

      „Merke der Herr, dass er zu einem Edelmann spricht, dem die Klinge locker sitzt!“

      „Mir auch! Wird mir eine Entschuldigung nach Kavaliersbrauch zuteil?“

      „Die erwarte ich von dem Herren!“

      „Also ein Gang auf Stossrapiere, wenn’s beliebt!“

      Der deutsche Ritter zog aus dem Jackenfutter die kartoffelgrosse, silberne Taschenuhr, deren dünne Goldkette sich zweimal um seinen Hals schlang. Er blickte auf den kunstvoll ziselierten Zeiger und dann auf den schlaffen Laffen vor ihm, und sagte trocken:

      „Ich habe gerade noch Zeit, den Herrn zu erledigen, wenn der Ort nicht zu weit von hier liegt!“

      „Beliebt mir zu folgen!“ rief einer aus der Gruppe der Kavaliere. Der ganze Trupp setzte sich um den rechten Flügel des Schlosses herum nach den Gärten zu in Marsch. Die Herren umher sahen ihm mit lässigem Interesse, die Damen mit sanfter Neugier nach. Das kam jeden Tag vor, dass sich ein paar Edelleute mit ihren Freunden zu einem Ehrenhandel seitwärts in die Büsche von Versailles schlugen.

      Auf dem „Grünen Teppich“, einem letzten, von Zierhecken eingefassten Rasenplatz, zwischen Zopfpark und anstossender Waldwildnis, entledigte sich Adrian von Rimburg ebenso wie der Pfau vor ihm seines Schultermantels, wickelte ihn in losen Falten als Stossfang um den linken Arm und lüftete seine Klinge.

      „Seien die Herren ohne Sorge um ihren Freund!“ sprach er. „Ein Flohstich in den rechten Arm wird genügen!“

      Er hatte eben noch Zeit, sich in Kampfstellung zu werfen. Durch die Spitzenkrause hart neben der Halsschlagader zischte ihm die feindliche Waffe, fuhr blitzschnell zurück, suchte in einem Wirbel von Finten das Herz des Deutschen. Wie der Teufel sprang ihn der à la mode an. Das Gesicht des Weichlings lachte unheimlich verzerrt, um den Gegner zu verwirren. Sein blutroter Mantel flatterte. Stich um Stich zuckte in tödlicher Fechterkunst darunter hervor.

      Und plötzlich sah im Tanz der Rapiere der Ritter von Rimburg in den Einöden der Auvergne sein vergiftetes Pferd alle Viere von sich strecken, sah den Scharfrichter von Auxerre nach dem Schloss drüben reiten und sah auf dem Petersplatz in Rom den feierlichen Schwarzkünstler Caretto mit seinem Zweikampf auf Giftpillen. Und er begriff: dieser Handel hier ist ein neuer Anschlag des Theopompo. Er hat mir, in der Maske eines Narren, die leckerste Klinge von Paris auf den Hals geschickt.

      Die gefährlichsten ersten Augenblicke der Überraschung waren vorbei. Der Ritter Rimburg wusste jetzt, mit wem er es zu tun hatte. Er sprang federnd nach rechts und links, er drehte sich mit flatterndem Mantel, er streckte sich weit vor zum Ausfall, er wich behend zurück. Aber es gelang ihm immer nur, die Meisterstösse des andern abzufangen, nicht dem roten Teufel drüben auch nur die Haut zu ritzen, der wie ein Wirbelwind in seinem weiten Hosenrock ihn umhüpfte, und schon fühlte er mählich seinen Arm erlahmen.

      Zwei blanke Degen fuhren plötzlich von der Seite her in das Klirren der Klingen, und trennten die beiden Kämpfer. Zwei Hofkavaliere standen da und der eine sprach streng:

      „Stecken die Herren die Waffen ein und lassen den Handel ruhen! Es ziemt sich nicht für die Augen unserer hohen Dame!“

      „Wir hielten uns hier am Waldrand für ungestört!“ sprach einer der Edelleute finster.

      „. . . und doch gibt Ihre Hoheit auf ihren Spaziergängen dem frei gewachsenen Wald den Vorzug vor den Alleen von Versailles! Sie befiehlt den Herren, Frieden zu halten und sich zu entfernen!“

      Die Kavaliere blickten nach dem Fusspfad, der aus dem Dickicht herausführte. Der eine murmelte verbissen zwischen den Zähnen.

      „Die Pfälzerin . . .“

      „Wollen der Herr sich des gebührenden Titels der Frau Herzogin von Orléans, der Schwägerin unseres allergnädigsten Königs Ludwigs des Vierzehnten, bedienen!“

      „Sie ist doch die Tochter des Pfalzgrafen bei Rhein!“ sagte der Edelmann. Er und die andern zuckten die Achseln. Sie wandten sich nach der Richtung des Wegs, beugten mit einer tiefen Reverenz des Oberkörpers das rechte Knie, lüfteten mit einem umständlichen Schwung die Federhüte fast bis zur Erde und schritten in steifer Grandezza davon.

      Lieselotte von der Pfalz sah ihnen nach. Sie war eine junge Frau von einunddreissig Jahren, in einem grauseidenen Morgenmantel, einen derben Spazierstock in der Hand. Ihr Antlitz war länglich und regelmässig, mit einer langen geraden Nase und still aufsässig geschürzten Mundwinkeln. Das kleine Gefolge hielt sich ehrerbietig zehn Schritte hinter der Gemahlin Monsieurs, des Bruders des Königs. Nur eine junge Kammerdienerin stand zu ihrer Linken und hielt ein mächtiges, spitzenbesetztes Sonnendach über das Kopftuch der Heidelberger Prinzessin, unter dem zu beiden Seiten die reichen Ringellocken hervorquollen.

      „Den Messieurs haben wir ihr Divertissement sauer eingetränkt, meine liebe Jungfer Gundel!“ sprach Lieselotte von der Pfalz auf Deutsch zu dem frischen blonden Mädel im einfachen blauen Rock und weissen Umhängemäntelchen, die zu ihrem klaren hübschen Gesicht und ihren lustigen blauen Augen passten.

      „Mir wär’s recht, wann sich alle Franzose — den König und Monsieur ausgenommen — gegenseitig ihre Bratspiess durch den Leib renne täte“, sagte die Jungfer Gundel, „statt dass sie uns unsern lieben Rhein verwüste!“

      „Red nicht davon! Da kommt mir gleich das Flennen greulich an!“ Lieselotte von der Pfalz betrachtete den Ritter auf der Wiese. „Guck mal den da an, Gundel! Der scheint mir kein Franzos!“

      „Ein abgedankter deutscher Hilfsritter von Malta!“ flüsterte herantretend untertänig der eine Hofkavalier.

      „Schad, dass er sellen Modeaff nicht mehr auf Deutsch hat zur Ader lasse könne!“ Das runde Gesicht der Gundel mit der zierlichen Stupsnase war betrübt. Die Herzogin Lieselotte seufzte.

      „Ich bin auch als noch gut deutsch und will alles gut deutsch herausbekennen!“ sagte sie. „Aber man wird durch all die Leut am Hof kreuzlahm wie ein alter Hund. Es kommt einem mählich schon Blei ins Quecksilber von früher . . .“

      „Ach — wenn man an Heidelberg denke tut . . .“

      „Da tut einem das Herz weh! Aber das sag ich nur dir . . . Du bist nicht wie sonst die Kammerweiber! An dir hab ich ein Seelenmensch! Warum steht der deutsche Herr alleweil noch da?“

      „Der ist hier fremd! Der weiss nicht mehr, wie’s zum Schloss retour geht!“

      „Spring hin, Gundel, und weis’ unsern Landsmann zurecht.“

      Der Ritter von Rimburg hatte nicht weiter auf den Weg geachtet, als er sich raschen Schritts inmitten der welschen Kavaliere auf den Kampfplatz begab. Dort wollte er flinker, als man ein Paternoster betete, dafür sorgen, dass das Männchen im Hosenrock für die nächsten Wochen den rechten Arm in der Schlinge trug, und nach Erledigung dieses ritterlichen Handels mit den Edelleuten in heiterem Geplauder durch die Gärten nach dem Schloss zurückkehren. Jetzt war es gut, dass durch das Gewirr von Laubengängen, Teichen, Statuenreihen, Wasserkünsten, Heckenwänden die blonde, frische Gundel ihn führte. Der Mund stand der Jungfer der Herzogin Lieselotte nicht still. Sie schien Adrian von Rimburg mehr wie eine Vertraute, als eine einfache Kammerdienerin ihrer Herrin.

      „Ach — ich bin so froh, dass ich mal wieder unscheniert deutsch schwätze kann, Herr Ritter von Malta!“ sagte sie, während sie leichtfüssig zu seiner Linken schritt. „Ich kann die Franzose in den Tod nicht leide!“

      „Worin haben es die Franzosen bei der Jungfer verfehlt?“

      „So arg dreckig sind sie!“ rief die Gundel. „Glaube Sie, die täte sich wasche? Lieber noch ein Buttelche Parfum darauf gegosse! Das Wasser fürchte sie wie die Sünd! Oh, mei! Die Sünd fürchte sie ja nicht!

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