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zu bringe! Seidenspitzen und Goldborten habe sie über und über. Aber dazwischen krabbeln die Flöh! Bei uns daheim steht in jedem Handwerkerhaus am Samstagabend ein Schaff mit warmem Wasser. Aber gucket mal das riesige Schloss auf der Terrasse an, Herr Ritter! Glaubt Ihr, da gäb’s eine Badewanne? Ich bin nur ein einfaches Bürgerkind! Aber mir graust’s vor den feinen Herre und Dame!“

      „Ich wollte, ich hätte vorhin eine so scharfe Klinge geführt, wie jetzt die Jungfer eine scharfe Zunge!“

      „Das hab ich von der Frau Herzogin! Die nimmt kein Blatt vor den Mund! Wisse Sie: Wir sind bei Hof arg unbeliebt — die Madame Royale selber und wir alle, die zu ihr halte! Manchmal hocke wir beisamme und heule, wann wir zugucke müsse, wie sie hier in Pracht und Herrlichkeit lebe, und unterdes brennt der Rhein lichterloh. Wann die Franzose bloss nicht auch noch nach Heidelberg komme!“

      „Stammt die Jungfer von dort?“

      Die Gundel nickte.

      „Mein Grossvater ist jetzt noch Hofkellerschreiber im Heidelberger Schloss. Zu dem ist seiner Zeit ein wandernder Wiener Küfergesell gekomme und hat meine Mutter geheiratet und ist viele Jahre gebliebe und hat beim Herrn Pfalzgrafen als Fassbinder geschafft. Und ich und andere Schlosskinder haben oft mit dem Prinzessche Lieselott gespielt, wenn sie auch fünf Jahr älter war als ich!“

      „Daher steht Sie bei der Frau Herzogin so in Gunst!“

      „So lang, als ich auf dem Schloss war! Ich war schon ein halbgewachsenes Jüngferche, wie mein Vater mit uns nach Wien zurück ist, weil dort seine Eltern gestorben waren. Seit hundert Jahren sind dort die Pernfuss bürgerliche Fabzieher an der Freijung, Das Zunftrecht hat mein Vater übernommen. Da habe wir in Wien gelebt. Vor einem Jahr hat die Frau Herzogin Lieselott ein widerspenstiges französisches Kammermensch wegjage müsse. Da hat sie an mich gedacht und mich hierher komme heisse!“

      Die hübsche blonde Gundel Pernfuss blieb Stehen und sah den Ritter fest aus ihren hellen blauen Augen an.

      „Aber ich bleib nicht mehr lang in Versailles!“ sagte sie entschlossen.

      „Wo will die Jungfer hin?“

      „Ei, nach Wien, Herr!“

      „Das möcht ich der Jungfer nicht raten! Da droht mehr Gefahr, als sie vielleicht weiss!“

      „Ja gerad deshalb!“

      „Der Grosstürke kommt mit Macht . . .“

      „Und meine Eltern sind in Wien!“

      „Wien wird von den Janitscharen berannt werden!“

      „Und ich soll nicht bei meine Eltern sein und die Türkennot mit ihnen teile?“ frug die junge Gundel atemlos. „Ich kenn meinen Herrn Vater! Der ist, wann der Gottesfeind anruckt, mit seinen Gesellen der erste auf der Schanz! Wir Weiber könne auch helfe. Wir könne heiss Wasser und siedend Pech richte zum Runterschütte und die Blessierte versorge und Stückkugeln nach vorn schleppe! Da soll ich hier aus dem welsche Affekaste zugucke, mit den Händen im Schoss? Sell kann ich nicht!“

      „Und wie kommt die Jungfer hin?“

      „Ich hab mir was gespart! Ich schlag mich schon durch, auch durch die Kriegsvölker am Rhein! Ich komm schon noch zurecht nach Wien, um den Türke von der Bastei eine lange Nas’ zu mache!“

      Sie gingen weiter. Der Ritter von Rimburg sagte:

      „Wenn die Grossen alle so dächten wie Ihr, Jungfer Pernfuss, dann stände es besser um die betrübte Christenheit!“

      „Mein Vater schreibt mir als: Die Mächtigen sind arg dumm! Die bitten den Bösen aus dem Erdteil Asien her zu Gast und wissen nicht, was sie tun!“

      „Weiss Gott: sie wissen nicht, was sie tun!“ wiederholte Adrian von Rimburg. „Ihr habt ganz recht, Jungfer Pernfuss. Aus Euch spricht des Volkes Stimme, und Volkes Stimme ist Gottes Stimme: Wien muss deutsch bleiben! Ist Wien nicht mehr deutsch, dann bricht das Abendland zusammen! Da sind wir beide eins, Ihr und ich! Die Sorge um Wien führt auch mich nach Versailles und führt mich jetzt vor das Antlitz des Königs!“

      Die beiden hasteten, als gelte es jetzt schon, die Kaiserstadt zu retten. Sie erreichten den grossen Ehrenhof vor dem Palast von Versailles. In langen Reihen rollten da die vier- und sechsspännigen Karossen mit den Würdenträgern dieser Welt zur Audienz bei Ludwig dem Vierzehnten. Der Ritter von Rimburg sah auf den Kutschenschlägen die Wappen aller Gesandten von Europa. Er sah die Wappen der geistlichen und weltlichen Grossen des Abendlands, und er sah darunter auch viele, allzuviele Schilder grosser und kleiner deutscher Herren. Er sah zwischen steigenden Löwen die beiden Lachse der Grafen Salm, die gespreizten Adlerchwingen der vier am französischen Hof weilenden Grafen Fürstenberg, und wieder wurde ihm bang um das Deutsche Reich und um das deutsche Wien.

      Viel Kriegsadel aus aller Herren Ländern — Portugiesen, Schweden, Spanier, Neapolitaner —, der bei dem Sonnenkönig Heeresdienst wider den Kaiser suchte, stand umher und sah mit Staunen, wie der Edelmann dem schlichten Kammermädchen die Hand drückte.

      Ihr seid ein tapfer Ding, Gundel Pernfuss!“ sagte er. „Viel Glück auf den Weg nach Wien! Für uns beide!“

      Er eilte dem Höfling in rotgefüttertem blauem Ehrenrock entgegen, der ihm schon von ferne winkte und zurief:

      „Euer Gönner, der Prior von Vendôme, fährt eben ein! Der Vetter des Königs selbst wird Euch vor den Thron geleiten!“

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